VwGH 2004/15/0169

VwGH2004/15/016919.12.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des Dr. Wilfried W in L, Deutschland, vertreten durch Dr. Adolf Concin und Dr. Heinrich Concin, Rechtsanwälte in 6700 Bludenz, Mutterstraße 1a, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 4. November 2004, GZ. RV/0127-F/03, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1997 und 1998, zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §203 Abs1;
ASVG §209 Abs1;
EStG 1988 §3 Abs1 Z4 idF 1991/028;
ASVG §203 Abs1;
ASVG §209 Abs1;
EStG 1988 §3 Abs1 Z4 idF 1991/028;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wohnte 1996 und im Streitzeitraum in B, Österreich, und erzielte als Grenzgänger nach Liechtenstein Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Am 9. August 1996 erlitt er einen Arbeitsunfall und ist seither arbeitsunfähig. Nach den gesetzlichen Bestimmungen über die obligatorische Unfallversicherung im Fürstentum Liechtenstein wurde bis 31. Juli 1998 das gesetzliche Taggeld an den Arbeitgeber und von diesem als Teil des Lohnes an den Beschwerdeführer ausbezahlt und zwar im Jahr 1997 SFr 75.721,-- und im Jahr 1998 SFr 46.583,--.

Ab 1. August 1998 bezog der Beschwerdeführer von der liechtensteinischen gesetzlichen Unfallversicherung, von der liechtensteinischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung und von der Personalvorsorgestiftung seines Arbeitgebers eine monatliche Invalidenrente. In der Folge legte die liechtensteinische Invalidenversicherung, die für die Ermittlung des Invaliditätsgrades zuständig ist, den Beginn der rentenauslösenden Arbeitsunfähigkeit rückwirkend auf den 1. August 1997 fest.

Strittig ist, ob das aus der gesetzlichen liechtensteinischen Unfallversicherung gewährte Taggeld ab dem 4. Februar 1997 steuerpflichtiges Einkommen darstellt (Finanzamt, belangte Behörde) oder ob es mit den Bezügen einer inländischen Unfallrente steuerrechtlich gleichzustellen und daher steuerfrei zu behandeln ist.

Die belangte Behörde führte dazu im Erwägungsteil ihres vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides aus, nach liechtensteinischem Recht habe der Versicherte, wenn er durch einen Unfall voll oder teilweise arbeitsunfähig ist, Anspruch auf ein Taggeld, welches bei voller Arbeitsunfähigkeit 80 % des Versichertenverdienstes betrage und bis zur Wiedererlangung der vollen Arbeitsfähigkeit oder bis zum Beginn einer Rente gezahlt werde. Taggelder der obligatorischen Unfallversicherung ersetzten die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber.

Nach österreichischem Recht habe der Pflichtversicherte aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit Anspruch auf Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Im Rahmen ihrer Vorleistungspflicht trage die gesetzliche Krankenversicherung auch den Aufwand für die Krankenbehandlung und Geldleistungen aus Arbeitsunfällen. Das Krankengeld werde im Ausmaß von 50 % bis maximal 75 % der Bemessungsgrundlage gewährt. Der Anspruch auf Krankengeld bestehe pro Versicherungsfall grundsätzlich bis zur Dauer von 26 Wochen.

§ 173 Z. 1 lit. a bis i ASVG zähle die Leistungen aus der Unfallversicherung auf. Anspruch auf die darin auch genannte Versehrtenrente bestehe, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit über drei Monate nach Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 % vermindert sei. Die Versehrtenrente falle mit dem Tag nach dem Wegfall des Krankengeldes, spätestens mit der 27. Woche nach Eintritt des Versicherungsfalles an. In der Regel werde die Versehrtenrente als vorläufige Rente bis zur Höchstdauer von zwei Jahren gewährt. Spätestens nach zwei Jahren müsse entschieden werden, ob die vorläufige Rente in eine Dauerrente umgewandelt werde.

Die nach der in Liechtenstein für das Streitjahr geltenden Regelung über die obligatorische Unfallversicherung als Taggeld bezeichnete Leistung entspräche keiner der in § 173 Z. 1 lit. a bis i ASVG angeführten gesetzlichen Leistungen der inländischen Unfallversicherung. Vielmehr entspräche diese liechtensteinische Leistung dem Grunde nach dem steuerpflichtigen Krankengeld aus der österreichischen Krankenversicherung und den steuerpflichtigen inländischen Leistungen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz und dem Angestelltengesetz. Das liechtensteinische Taggeld sei nicht mit einer österreichischen Versehrtenrente vergleichbar. Entscheidend sei nämlich, ob das ausländische Sozialversicherungsrecht dem Grunde nach dieselben Leistungen unter denselben Voraussetzungen vorsehe, wie das inländische Sozialversicherungsrecht. Der vom Beschwerdeführer angestrebte abstrakte Vergleich zwischen dem liechtensteinischen Taggeld und der österreichischen Versehrtenrente erweise sich auch auf Grund der unterschiedlichen Zweckbestimmung der einzelnen Geldleistungen als nicht zielführend. Während es sich bei der österreichischen Versehrtenrente um eine Ausgleichszahlung (Schadenersatzleistung) für die Kosten handelt, die versehrte Arbeitnehmer durch einen Arbeitsunfall haben, handle es sich beim liechtensteinischen Taggeld um eine Barleistung, die dann gewährt werde, wenn der Versicherte wegen seiner Arbeitsunfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalles eine Entgeltschmälerung bzw. einen Entgeltausfall erleide. Das Taggeld habe den Zweck, den durch die Arbeitsunfähigkeit ausfallenden Lohn zu ersetzen. § 3 Abs. 1 Z. 4 lit. c EStG 1988 in der in den Streitjahren geltenden Fassung könne daher auf das von der liechtensteinischen gesetzlichen Unfallversicherung gewährte Taggeld nicht angewendet werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer meint, das von der liechtensteinischen gesetzlichen Unfallversicherung ausbezahlte Taggeld entspreche der vorläufigen Versehrtenrente nach den einschlägigen österreichischen Bestimmungen und sei deshalb als steuerfrei zu behandeln. Das Taggeld habe wie die vorläufige Versehrtenrente nach österreichischem Recht primär den Zweck des Lohnersatzes bis der Grad der Erwerbsminderung ermittelt sei. Auf Grund der identen Zweckbestimmung sei daher das Taggeld als steuerfrei zu behandeln. Wäre der Beschwerdeführer in Österreich unselbständig erwerbstätig gewesen und hätte er dabei einen Arbeitsunfall erlitten, hätte er auf Grund der 100 %igen Minderung der Erwerbsfähigkeit auch nach den österreichischen Bestimmungen eine vorläufige Versehrtenrente bekommen, die in den Streitjahren steuerfrei gewesen sei.

Nach § 3 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung (BGBl. Nr. 28/1991) sind Bezüge aus einer gesetzlichen Unfallversorgung oder aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspricht, sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Bezüge aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen von der Einkommensteuer befreit. Die österreichische Unfallversicherung sorgt bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen neben der Unfallversorgung und Heilbehandlung auch für die Gewährung finanzieller Leistungen, wie die von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens angesprochene vorläufige Versehrtenrente. Gemäß § 203 Abs. 1 ASVG besteht Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 v.H. vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H. Gemäß § 209 Abs. 1 ASVG hat der Träger der Unfallversicherung die Versehrtenrente als vorläufige Rente zu gewähren, wenn die Versehrtenrente während der ersten zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalles wegen der noch nicht absehbaren Entwicklung der Folgen des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit ihrer Höhe nach noch nicht als Dauerrente festgestellt werden kann. Spätestens mit Ablauf des zweijährigen Zeitraumes ist die Versehrtenrente als Dauerrente festzustellen. Das Gesetz kennt sohin nur einen einzigen Begriff der Versehrtenrente, räumt jedoch unter den im § 209 ASVG determinierten Voraussetzungen die Möglichkeit ein, die Versehrtenrente während der ersten zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalles als vorläufige Rente zu gewähren (vgl. OGH vom 17. Juni 1987, 9 ObS 1/87).

Die Versehrtenrente nach dem ASVG soll dem Ausgleich des durch die unfallbedingte Erwerbsminderung eintretenden Schadens dienen. Vor allem in der Bildung der Bemessungsgrundlage kommt zum Ausdruck, dass das Gesetz den eintretenden Verdienstentfall zwar anvisiert. Die hier vorgenommene abstrakte Schadensberechnung bedeutet in Fällen leichterer Körperschäden allerdings meist nur den Ausgleich von Erschwernissen, künftigen Berufsunsicherheiten und des Verschleißes an körperlicher Substanz, weil Leichtversehrte in aller Regel voll weiterarbeiten und keinen Vermögensschaden erleiden. Schwerversehrte erhalten demgegenüber wegen der Berechnungsformel und der Bemessungshöchstgrenze nicht einmal immer den tatsächlichen Verdienstentgang ersetzt (OGH vom 16. März 2004, 10 ObS 357/02a, m.w.N.). Die Versehrtenrente gebührt - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - somit auch dann, wenn ein Arbeitsunfall zu keinem konkreten Einkommensausfall führt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen gebührt die Rente sohin auch neben einem ungeschmälerten Erwerbseinkommen oder dem Bezug einer Pension (vgl. Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes, 2.3.3.2.3.1., Müller, ASoK 2001, 382). Die gesetzliche Unfallversicherung behandelt die durch den Unfall hervorgerufene Erwerbsminderung sohin rein abstrakt. Sie wird daher nicht an Stelle einer durch den Arbeitsunfall konkret eingetretenen Schmälerung oder eines konkreten Ausfalles des Entgeltes gewährt. Auch im Extremfall, also wenn durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit die Erwerbsminderung 100 % beträgt, wird die Versehrtenrente aus der Unfallversicherung neben einer Pension wegen Berufs(Erwerbs-)unfähigkeit gewährt.

Dem gegenüber gehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übereinstimmend davon aus, dass das Taggeld der obligatorischen liechtensteinischen Unfallversicherung die konkrete Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber ersetzt. Nach österreichischem Recht hingegen hat ein allfälliger Lohnanspruch des Dienstnehmers nach dem Unfall aus derselben oder einer anderen Tätigkeit keinen Einfluss auf Grund und Höhe der Versehrtenrente.

Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass dieses liechtensteinische Taggeld nicht einer österreichischen vorläufigen Versehrtenrente (aus der Unfallversorgung) entspricht. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Dezember 2006

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