VwGH 2004/15/0120

VwGH2004/15/01201.3.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde der A s.r.l. in P (Italien), vertreten durch Dr. Irene Pfeifer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Riemergasse 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 29. Juni 2004, GZ. RV/0357- G/03, betreffend Vorsteuererstattung für das Jahr 2002, zu Recht erkannt:

Normen

ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1995;
UStG 1994 §23;
UStG 1994 §3a Abs6;
ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1995;
UStG 1994 §23;
UStG 1994 §3a Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft (in der Folge: Beschwerdeführerin), ein Reiseveranstaltungsunternehmen mit Sitz in Italien, auf Erstattung der Umsatzsteuer für das Jahr 2002 abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe mehr als 1000 Rechnungen österreichischer Hotels vorgelegt, in welchen der Beschwerdeführerin Beherbergung und/oder Verköstigung für diverse Gruppen und Einzelpersonen mit österreichischer Umsatzsteuer verrechnet worden seien. Der Vertreter der Beschwerdeführerin habe in einem Telefonat dem Finanzamt mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin diese Leistungen an private Abnehmer erbracht habe.

Das Finanzamt habe den Antrag auf Vorsteuererstattung mit der Begründung abgewiesen, dass für Reisevorleistungen kein Vorsteuerabzug gewährt werden könne. Als Ort der Reiseleistung gelte der Unternehmerort, dieser liege in Italien. Die Reisen seien von Privaten unternommen worden, diesen seien Leistungen Dritter zu Gute gekommen. Diese Leistungen fielen unter die Bestimmung des § 23 UStG 1994 (Reiseleistungen).

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin behauptet, es habe sich um "Eigenleistungen" gehandelt. Die Beschwerdeführerin habe sich gegenüber den jeweiligen Kunden nicht bloß zur Vermittlung oder zur Besorgung der Leistungen, für welche der Vorsteuerabzug beantragt worden sei, verpflichtet, sondern zur Erbringung der Leistung selbst. Bei Eigenleistungen bestimme sich der Ort der Reiseleistung nach den allgemeinen Vorschriften. Da die Leistung, also die Beherbergung, gemäß § 3a Abs. 6 UStG 1994 in Österreich erbracht worden sei, stehe der Beschwerdeführerin ein Vorsteuerabzug zu. Die Beschwerdeführerin habe in ihre Rechnungen einen Verweis auf die Anwendung des italienischen Dekretes über die Umsatzsteuer aufgenommen. Sie sei daher nach italienischem Recht verpflichtet gewesen, für die gesamte an ihre Kunden in Rechnung gestellte Leistung - und nicht bloß auf eine allfällige Provision bzw. Marge - Umsatzsteuer in Höhe von 20 % einzuheben und an den italienischen Fiskus abzuführen.

Im Vorlageantrag - nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung - habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, sie müsse für eine einheitliche Leistung zweimal Umsatzsteuer bezahlen, einmal in Italien und einmal an die österreichischen Unternehmer. Dies widerspreche den europäischen Grundsätzen des freien Verkehrs und der Steuerneutralität bzw. der Vermeidung der Doppelbesteuerung. Die Regelung des § 23 Abs. 8 UStG 1994 verstoße gegen die europäische Gesetzgebung, insbesondere gegen Art. 17 der

6. Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977, 77/388/EWG, zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem - einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (kurz: 6. Richtlinie).

Weiters habe die Beschwerdeführerin vorgetragen, das Finanzamt habe nicht berücksichtigt, dass es sich teils um Eigenleistungen der Beschwerdeführerin gehandelt habe und dass Reiseleistungen teils auf Unternehmer entfallen seien. Über Auftrag der belangten Behörde habe die Beschwerdeführerin Eingangsrechnungen der österreichischen Beherbergungsbetriebe samt den korrespondierenden, von der Beschwerdeführerin ausgestellten Ausgangsrechnungen an ihre Leistungsempfänger vorgelegt. Dazu habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass die von ihr erbrachten Reiseleistungen an Unternehmer erbracht worden seien. In dem Konvolut von Unterlagen hätten sich Rechnungen an Reiseagenturen, an Private und an Vereine befunden. Alle Ausgangsrechnungen der Beschwerdeführerin seien ohne Ausweis von österreichischer Umsatzsteuer ausgestellt gewesen.

Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, es sei zu unterscheiden zwischen den Leistungen der Beschwerdeführerin an andere Unternehmer oder an Private.

Die Beschwerdeführerin habe Hotelleistungen (Unterkünfte in österreichischen Hotels) für italienische Reiseunternehmen besorgt, welche diese ihrerseits an Reisende weitergegeben hätten. Entgegen ihrer Behauptung in der Berufung habe die Beschwerdeführerin diese Übernachtungsleistungen nicht selbst in Form einer Eigenleistung erbracht, sondern seien diese Übernachtungsleistungen in Form einer besorgten Leistung im eigenen Namen von Dritten, österreichischen Hotels, angekauft und an die Leistungsempfänger, Reisebüros bzw. andere Unternehmer weiterfakturiert worden. Die Beschwerdeführerin sei also auf fremde Rechnung vorgegangen. Gemäß § 3a Abs. 4 UStG 1994 seien die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden. Die Gleichstellung beziehe sich auf die Ortsbestimmung und damit auf die Steuerbarkeit. Der Leistungsort für den Hotelaufenthalt bestimme sich nach § 3a Abs. 6 UStG 1994 (Grundstücksortprinzip). Der österreichische Hotelier leiste am Grundstücksort, wenn er ein Zimmer eines in Österreich gelegenen Hotels vermiete und habe das auch richtig mit österreichischer Umsatzsteuer fakturiert.

Selbst wenn man der Argumentation der Beschwerdeführerin folgen würde und von Eigenleistungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der ihren Vertragspartnern (anderen Unternehmern) in Rechnung gestellten Hotelaufenthalte ausginge, so müssten diese Beherbergungsleistungen als Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück gesehen werden, welche als in Österreich steuerbare Leistungen zu behandeln wären. Damit hätte die Beschwerdeführerin jedenfalls Umsätze in Österreich bewirkt, welche die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens ausschlössen. Die diesbezüglichen Vorsteuerbeträge könnten nur im Veranlagungsverfahren und mit der Erklärung der in Österreich erbrachten Umsätze Berücksichtigung finden. Dies aber nur dann, wenn die in Österreich steuerbaren Besorgungsleistungen bzw. Eigenleistungen der österreichischen Umsatzsteuer unterworfen worden seien. Die diesbezüglichen Rechnungen der Beschwerdeführerin seien ohne Ausweis der österreichischen Umsatzsteuer ausgestellt worden. Es sei daher konkludent davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die Steuerfreiheit gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 800/1974 in Anspruch genommen habe, was den Vorsteuerabzug ausschließe.

Ein Großteil der Ausgangsrechnungen der Beschwerdeführerin sei an Privatpersonen ergangen. Die Beschwerdeführerin habe diesen Personen die von österreichischen Hotels ihr in Rechnung gestellten Leistungen mit einem Aufschlag verrechnet. Die Rechnungslegung sei an die jeweilige Privatperson c/o an ein (Reise-)Unternehmen erfolgt. Gehe man davon aus, dass der Rechnungsadressat, die jeweilige Privatperson, auch der Leistungsempfänger der Reiseleistung der Beschwerdeführerin sei, müsse § 23 UStG 1994 angewendet werden. Es handle sich dann um Reiseleistungen der Beschwerdeführerin, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers (des Reisenden) bestimmt seien und wobei die Beschwerdeführerin gegenüber dem Leistungsempfänger in eigenem Namen auftrete und Reisevorleistungen in Anspruch nehme. Die Beherbergungsleistungen der österreichischen Hotels seien sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zu Gute kämen. Diese für Reisevorleistungen in Rechnung gestellten Steuerbeträge seien gemäß § 23 Abs. 8 UStG 1994 nicht als Vorsteuer abzugsfähig.

Seien die Leistungen, die jeweils gesondert an die jeweiligen Reisenden fakturiert worden seien, tatsächlich jedoch an ein anderes Reiseunternehmen erbracht worden, so wäre so vorzugehen, als ob die Beschwerdeführerin Leistungen an andere Unternehmer erbracht habe. Diesfalls sei wiederum von in Österreich steuerbaren "Besorgungsleistungen" auszugehen, die eine Erstattung der Vorsteuern im Vorsteuervergütungsverfahren jedenfalls ausschlössen.

Zur behaupteten Europarechtswidrigkeit der Bestimmung des § 23 Abs. 8 UStG 1994 sei zu bemerken, dass diese Bestimmung auf Art. 26 der 6. Richtlinie beruhe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben und die im Inland keine steuerpflichtigen Umsätze ausführen, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von § 21 Abs. 1 bis 5 und abweichend von den §§ 12 und 20 regeln. Auf Grund des § 21 Abs. 9 leg. cit. hat der Bundesminister für Finanzen mit Verordnung BGBl. Nr. 279/1995, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an solche Unternehmer abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 einem eigenen Verfahren vorbehalten, wenn näher bestimmte Bedingungen erfüllt sind (§ 1 dieser Verordnung). Schon aus dem Titel dieser Verordnung ist ersichtlich, dass mit ihr auf Grund der Ermächtigung des § 21 Abs. 9 UStG 1994 ein eigenes, somit ein anderes Verfahren als die in § 21 Abs. 4 UStG vorgesehene Veranlagung der Jahresumsatzsteuer vorgesehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2005, 2001/15/0175, m.w.N.). Nach § 21 Abs. 4 UStG 1994 wird der Unternehmer nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt.

Die Beschwerdeführerin ist ein in Italien situiertes Reisebüro, das für Privatpersonen und Unternehmer Reisen organisiert. Die Versteuerung von Reiseleistungen ist im Umsatzsteuergesetz 1994 durch Übernahme des Art. 26 der

6. Richtlinie in § 23 geregelt. Als Reiseleistungen in diesem Sinne sind alle Leistungen anzusehen, die ein Unternehmer einem Reisenden gegenüber im Zusammenhang mit einer Reise erbringt (vgl. Ruppe, UStG 19942, § 23 Tz. 10). Nach § 23 leg. cit. werden nur Reiseleistungen eines Unternehmers besteuert, die er im eigenen Namen, an Nichtunternehmer, unter Beanspruchung von Reisevorleistungen ausführt. Diese Reiseleistung ist dort zu besteuern, wo der Reiseunternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 23 Abs. 3 leg. cit.).

Die belangte Behörde ist auch davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin als Reiseveranstalter eine Reise unter Inanspruchnahme von Reisevorleistungen im eigenen Namen an andere Unternehmer erbracht hat. Sie hat die zutreffende Auffassung vertreten, dass deshalb keine einheitliche Reiseleistung (§ 23 Abs. 2 UStG 1994) vorliegt. In solchen Fällen sind die einzelnen Reiseleistungen an Unternehmer nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes zu versteuern. Der Umsatzsteuer unterliegt jede einzelne Leistung, hier z.B. die Besorgung eines Hotelzimmers. Besorgt ein Unternehmer eine sonstige Leistung, so sind die für die besorgte Leistung geltenden Rechtsvorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden. Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die Beschwerdeführerin den Hotelaufenthalt für Unternehmer in Österreich besorgt hat. Der Leistungsort für den Hotelaufenthalt bestimmt sich nach § 3a Abs. 6 UStG 1994 (Grundstücksortprinzip). Die Leistung des Hoteliers gegenüber der Beschwerdeführerin als Reiseunternehmer ist daher in Österreich erbracht (vgl. Ruppe, a. a.O. § 23 Tz. 16). Die Beschwerdeführerin hat diese Leistungen besorgt. Der Leistungsort der Besorgungsleistung richtet sich nach dem Ort der besorgten Leistung. Die Besorgung der Unterkunft (Hotelaufenthalt) durch die Beschwerdeführerin an Unternehmer für deren Unternehmen erfolgte daher in Österreich. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin Umsätze im Inland bewirkt hat. Zur Geltendmachung allfälliger Vorsteuern dient nicht das Verfahren nach der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995, weil es voraussetzt, dass der Unternehmer im Inland keine Umsätze ausgeführt hat. Da diese Voraussetzung sohin nicht vorliegt, ist auf die übrigen Fragen in der Beschwerde nicht mehr einzugehen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 1. März 2007

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte