Normen
BAO §224;
B-VG Art130 Abs2;
EStG 1988 §100;
EStG 1988 §82;
EStG 1988 §93;
EStG 1988 §95 Abs2;
EStG 1988 §95;
EStG 1988 §99;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
BAO §224;
B-VG Art130 Abs2;
EStG 1988 §100;
EStG 1988 §82;
EStG 1988 §93;
EStG 1988 §95 Abs2;
EStG 1988 §95;
EStG 1988 §99;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
1. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde wird, soweit sie die Kapitalertragsteuer für die Monate Mai und August 1999 betrifft, zurückgewiesen; und
2. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Kapitalertragsteuer für die Monate Jänner bis März 1999 und Mai 2000 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Aktiengesellschaft (Beschwerdeführerin) ist ein Kreditinstitut und war im Streitzeitraum kuponauszahlende Stelle (§ 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988) für so genannte Nullkuponanleihen (Zero Bonds).
In der Niederschrift vom 22. Mai 2001 über das Ergebnis einer bei der Beschwerdeführerin für den Zeitraum Jänner 1999 bis Oktober 2000 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung hielt die Prüferin fest, für die Berechnung der Stückzinsen für hochverzinste und langfristige Nullkuponanleihen in polnischen Zloty und südafrikanischen Rand und die daraus abgeleitete Kapitalertragsteuergutschrift sei die "vereinfachende Ermittlungsmethode gemäß Punkt 5.1 des Erlasses des BM f. Finanzen vom 12. Februar 1993, Z 14 602/1/1-IV/14/93 nicht anwendbar, da das Ergebnis unverhältnismäßig von der finanzmathematischen Ermittlung abweicht." Die von der Beschwerdeführerin "ermittelten und daraus resultierenden" Kapitalertragsteuergutschriften seien daher im folgenden Ausmaß nicht anzuerkennen:
Monat Veränderung in S
01/1999 122.459,11
02/1999 91.877,60
03/1999 5.139.649,74
05/1999 -36.314,07
08/1999 -26.620,16
05/2000 4.839.161,34
Die belangte Behörde folgte bei ihrem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid der Prüferin, indem sie die Beschwerdeführerin für die Monate Jänner bis März 1999 und Mai 2000 in Höhe der angeführten Beträge zur Haftung für Kapitalertragsteuer heranzog und für die Monate Mai und August 1999 aussprach, dass die Kapitalertragsteuer, die der Beschwerdeführerin gutgeschrieben werde, die oben für diese Monate angeführten Beträge ausmache.
Die Nullkuponanleihe (Zero-Bond) stelle eine Anleiheform dar, welche eine Nominalverzinsung von Null aufweise. Anstatt der jährlichen Zinszahlungen falle der gesamte aus Kapitaltilgung und Zinserträgen bestehende Zahlungsstrom am Ende der Laufzeit an. Die Verzinsung komme "in der begebenen Anleihe in einem hohen Disagio zum Ausdruck", wobei das Nominale mit einem laufzeitadäquaten Kapitalmarktzins abgezinst werde. Der Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabewert und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert am Ende der Laufzeit der Nullkuponanleihe zähle gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Werde eine Nullkuponanleihe vor dem Ende der Laufzeit veräußert, so würden im Kaufpreis auch anteilige Kapitalerträge abgegolten. Von diesen Kapitalerträgen werde ein Kapitalertragsteuerabzug beim Veräußerer vorgenommen, sofern die Voraussetzungen für eine Besteuerung in Österreich gegeben seien. Der Erwerber einer Nullkuponanleihe erhalte für diese im Kaufpreis enthaltenen und vom Veräußerer verrechneten anteiligen Kapitalerträge eine Kapitalertragsteuergutschrift gemäß § 95 Abs. 6 EStG 1988, wobei dies auch dann erfolge, wenn anlässlich des Erwerbsvorganges keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt werde. Am Ende der Laufzeit der Nullkuponanleihe falle für den Erwerber dann Kapitalertragsteuer für den gesamten Unterschiedsbetrag zwischen Ausgabepreis und Einlösungswert an.
Bemessungsgrundlage für den Kapitalertragsteuerabzug seien die erzielten Kapitalerträge. Wenn ein endfälliges Wertpapier vor Ablauf der Laufzeit veräußert werde, ergebe sich das Erfordernis der Ermittlung kalkulatorischer Zinsen für den Zeitraum des Wertpapierbesitzes. Dabei handle es sich um eine Frage der Sachverhaltsermittlung.
Mit dem erwähnten Erlass vom 12. Februar 1993 sei für die Ermittlung des Kapitalertragsteuerabzuges im Hinblick auf die Abgrenzung der Zinsen für Zeiträume vor und nach dem 1. Jänner 1993 (zu welchem die Kapitalertragsteuer auf 22 % erhöht worden sei) einfachheitshalber die Berechnung des monatlichen Kapitalertrages in Form einer linearen Verteilung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Ausgabewert und dem Einlösungswert auf die gesamte Laufzeit gestattet worden. Bei kurzen Laufzeiten und kleinen Zinssätzen sei der Unterschied zu einer exakteren kalkulatorischen Berechnung nur gering.
Bei hochverzinsten und langfristigen Nullkuponanleihen führe die lineare Verteilung der Zinsen auf die gesamte Laufzeit zu hohen Abweichungen von einer kalkulatorischen Berechnung. Dadurch habe der Erwerber der Papiere nur mehr die meist geringe Differenz auf den Kaufpreis aufzuzahlen, bei einem der Wertpapiere, einer langfristigen "Zlotyanleihe", führe dies sogar dazu, dass der Erwerber des Papiers eine Gutschrift erhalte, die höher sei als der Kaufpreis. Da "die Papiere von den Banken im Ausland besorgt" worden seien, käme es in diesen Fällen zu keinem korrespondierenden Kapitalertragsteuerabzug.
Dass bei der Berechnung von Zinserträgen grundsätzlich finanzmathematische Methoden zur Anwendung kämen, sei allgemein bekannt und "dem Bankengeschäft - hier im besonderen dem Wertpapiergeschäft - geradezu immanent". Nach den Einkommensteuerrichtlinien 2000 (Rz 6186) hätten keine Bedenken bestanden, den anteiligen Zinsertrag nach der "linearen" Formel zu berechnen, wenn sich keine wesentlichen Abweichungen zu dem durch Aufzinsung des Ausgabepreises ermittelten Zinsertrag ergäben. Mit einem Erlass des Bundesministeriums für Finanzen, veröffentlicht im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung Nr. 145/2001, sei diese Aussage dahingehend ergänzt worden, dass von steuerpflichtigen Vorgängen, die vor dem 1. Februar 2001 gelegen seien, der "innere Wert" nach der linearen Methode pauschal berechnet werden könne. Diese Art der Schätzung sei jedoch nur zulässig, wenn keine wesentliche Abweichung zum Ergebnis nach der Zinseszinsformel bestehe und somit das Schätzungsergebnis dem tatsächlichen Ergebnis nahe komme. Als eine wesentliche Abweichung sei eine Abweichung um mehr als 25 %, mindestens aber 10.000 S, anzusehen.
Dass eine lineare Methode einfacher durchzuführen sei als eine finanzmathematische Berechnung, liege in der Natur der Sache. Die im Kaufpreis der Nullkuponanleihen enthaltene "Zinskomponente" müsse berechnet oder geschätzt werden. Jede Schätzung müsse zum Ziel haben, ein Näherungsergebnis zu erreichen, das der Wirklichkeit möglichst entspreche. Bei erheblichen Differenzen zwischen den Ergebnissen der Berechnungsmethoden (insgesamt würden die nach der Linearmethode ermittelten KESt-Gutschriften ein Vielfaches der nach finanzmathematischen Kriterien ermittelten Beträge ausmachen) könne nicht angenommen werden, dass die lineare Methode vom Gesetzgeber generell gewollt sei und deshalb, wie von der Beschwerdeführerin dargestellt, "unstrittigen" Gesetzesinhalt darstelle. Auch der erwähnte Erlass vom 12. Februar 1993 spreche davon, dass "keine Bedenken bestehen", die lineare Vereinfachungsregel sinngemäß anzuwenden. Eine Verpflichtung zu deren Anwendung lese die belangte Behörde daraus nicht, es handle sich um ein "bloßes Dürfen", sofern sich die Ergebnisse im gesetzlichen Rahmen bewegten.
Die spezielle Haftungsnorm des § 95 Abs. 2 EStG 1988 räume zwar kein Ermessen ein, doch selbst wenn Ermessen auszuüben wäre, läge im Beschwerdefall kein Ermessensmissbrauch vor. Wenn die lineare Methode zu einem wirtschaftlich völlig wirklichkeitsfremden Ergebnis führe und die Abrechnung des Erwerbes selbst einem fachlich nicht versierten Anleihekäufer habe unplausibel erscheinen müssen, dürfe sich eine Bank mit ihren einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen im Bank- und Wertpapiergeschäft nicht auf das Vertrauen auf die Bindungswirkung von Richtlinien oder Erlässen zurückziehen. Dies auch unter Berücksichtigung der "aufgezeigten Umstände hinsichtlich der Verhandlungen von Bankenvertretern mit dem BMF".
Unbilligkeit liege nicht vor, weil die Beschwerdeführerin verpflichtet gewesen sei, die Kapitalertragsteuer richtig zu berechnen, sie - auch wenn die Initiative wohl überwiegend von den Kunden ausgegangen sei - die unrichtige Gutschrift hätte verhindern können und ihr und den handelnden Bankbediensteten die besonderen Umstände bezüglich der in Rede stehenden Wertpapiere hätten auffallen müssen oder auch aufgefallen seien.
Schließlich wandte sich die belangte Behörde gegen die Anwendung der von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren für sich ins Treffen geführten Bestimmungen der §§ 117 und 307 Abs. 2 BAO.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin eine zur hg. Zl. 2004/13/0029 protokollierte Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Mit Beschluss vom 29. September 2004, A 2004/0013-1, stellte der Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs. 1 B-VG den Antrag, § 117 BAO in der Fassung des Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetzes, BGBl. I Nr. 97/2002, als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom 2. Dezember 2004, G 95/04-8 u.a., sprach der Verfassungsgerichtshof aus:
"§ 117 des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1961, betreffend allgemeine Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes verwalteten Abgaben (Bundesabgabenordnung - BAO), BGBl. Nr. 194/1961, in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2002, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft. Die aufgehobene Vorschrift ist nicht mehr anzuwenden."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in Ausführung des Beschwerdepunktes im Recht verletzt, "entgegen § 93 Abs 4 Z 2, 95 Abs 2 und Abs 3 Z 2 EStG 1988 als Haftungspflichtige für Kapitalertragsteuergutschriften herangezogen worden zu sein".
Dadurch, dass die belangte Behörde für die Monate Mai und August 1999 höhere Kapitalertragsteuergutschriften zu Grunde legte, als die Beschwerdeführerin begehrte, und nicht zu Nachforderungsbeträgen gelangte, für welche die Beschwerdeführerin hätte haften können, konnte die Beschwerdeführerin im geltend gemachten subjektiven Recht nicht verletzt werden.
Die Beschwerde, mit welcher der angefochtene Bescheid ausdrücklich "in seinem gesamten Umfang" angefochten wurde, war daher insoweit (soweit sie nämlich die Kapitalertragsteuer für die Monate Mai und August 1999 betrifft), gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, was der Gerichtshof in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat.
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören gemäß § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 Zinsen und andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, u.a. aus Anleihen.
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 auch Unterschiedsbeträge zwischen dem Ausgabewert und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert eines Wertpapieres, wenn diese 2 % des Wertpapiernominales übersteigen.
Gemäß § 93 Abs. 1 EStG 1988 wird bei inländischen Kapitalerträgen sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).
Kapitalertragsteuerpflichtig sind nach § 93 Abs. 4 Z 2 leg. cit. auch die Unterschiedsbeträge gemäß § 27 Abs. 2 Z 2.
Schuldner der Kapitalertragsteuer ist gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1988 der Empfänger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer ist durch den zum Abzug Verpflichteten einzubehalten, welcher dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer haftet.
Zum Abzug verpflichtet ist gemäß § 95 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren die kuponauszahlende Stelle. Kuponauszahlende Stelle ist gemäß § 95 Abs. 3 Z 2 erster Teilstrich EStG 1988 das Kreditinstitut, das an den Kuponinhaber Kapitalerträge im Zeitpunkt der Fälligkeit und anteilige Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapiers auszahlt.
Der zum Abzug Verpflichtete hat die Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 4 EStG 1988 im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen. Die Kapitalerträge gelten für Zwecke der Einbehaltung der Kapitalertragsteuer bei Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren bei Fälligkeit des Wertpapiers und im Zeitpunkt des Zufließens anteiliger Kapitalerträge anlässlich der Veräußerung des Wertpapieres oder des Wertpapierkupons als zugeflossen (§ 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988).
Werden Kapitalerträge rückgängig gemacht, so sind von dem zum Abzug Verpflichteten die entsprechenden Beträge an Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 6 EStG 1988 gutzuschreiben.
Der zum Abzug Verpflichtete hat gemäß § 96 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 bei Forderungswertpapieren die in einem Kalendermonat einbehaltenen Steuerbeträge abzüglich gutgeschriebener Beträge unter der Bezeichnung "Kapitalertragsteuer" spätestens am 15. Tag nach Ablauf des folgenden Kalendermonates abzuführen.
Die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde haben im Beschwerdefall mit unterschiedlicher Berechnungsmethode errechnete Kapitalerträge dem Erwerber der Wertpapiere als "Minus-Stückzinsen" oder "Defektivzinsen", als so genannten "vorweg rückgängig gemachten Kapitalertrag", zugerechnet und als Kapitalertragsteuergutschriften iSd § 95 Abs. 6 EStG 1988 angesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat demgegenüber in seinem Erkenntnis vom 19. Dezember 2007, 2005/13/0075, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, die Ansicht nicht geteilt, bezahlte Stückzinsen würden beim Erwerber einen negativen ("vorweg rückgängig gemachten") Kapitalertrag darstellen und zu einer Kapitalertragsteuergutschrift führen. Diese Ansicht fand für den Streitzeitraum - vor der rückwirkenden Gesetzesänderung durch BGBl. I Nr. 65/2008 (vgl. hiezu im Übrigen das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2005/13/0061) - im Gesetz nämlich keine Stütze. In dem zitierten Erkenntnis vom 19. Dezember 2007 wies der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hin, dass für auferlegte Steuerabzugspflichten (der Mitwirkung Dritter an der Steuererhebung) klare gesetzliche Regelungen zu fordern sind.
Der Tatbestand der Haftung für Kapitalertragsteuer nach § 95 Abs. 2 EStG 1988 stellt als solcher nur auf die objektive Pflichtverletzung ab. Die Geltendmachung der Haftung nach § 224 BAO iVm § 95 Abs. 2 EStG 1988. steht entgegen der Ansicht der belangten Behörde im Ermessen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, 2006/15/0004, mwN, zur insoweit gleich gelagerten Bestimmung des § 82 EStG 1988 die hg. Erkenntnisse vom 3. August 2004, 2000/13/0046, und vom 25. April 2002, 2001/15/0152, VwSlg 7.713/F, und zur insoweit gleich gelagerten Haftung nach § 99 EStG 1988 das hg. Erkenntnis vom 27. November 2003, 2003/15/0087, VwSlg 7.881/F). Allerdings hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid eventualiter als Ermessensentscheidung begründet.
Die Beschwerdeführerin sieht in der Inanspruchnahme zur Haftung auch einen Ermessensmissbrauch. Bei der Erhebung der Kapitalertragsteuer seien Aufgaben auf Private - nämlich die Banken - überwälzt worden, welche sonst von der Abgabenbehörde zu erfüllen wären. Vor diesem Hintergrund dürfe eine Unbestimmtheit des Gesetzes nicht zu Lasten des Haftungspflichtigen gehen. Verschärft werde diese Forderung dadurch, dass die von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsauffassung in den Einkommensteuer- und in den Kapitalertragsteuer-Richtlinien sowie in Einzelerledigungen ausdrücklich als zutreffend erachtet worden sei.
Zunächst ist festzuhalten, dass Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen für den Verwaltungsgerichtshof zwar keine maßgebende Rechtsquelle darstellen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 9. März 2005, 2001/13/0062). Sie begründen weder objektive Rechte noch subjektive Ansprüche des Steuerpflichtigen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 2006, 2006/14/0002, und - ausdrücklich zu den ESt-Richtlinien - vom 28. Jänner 2003, 2002/14/0139). Ein im Einzelnen erlassgetreues Verhalten ist allerdings gegebenenfalls im Rahmen einer Ermessensübung zur Erlassung eines Haftungsbescheides mitzuberücksichtigen (vgl. etwa das zu den mit den §§ 93 und 95 EStG 1988 insoweit vergleichbaren Bestimmungen der §§ 99 und 100 EStG 1988 ergangene erwähnte hg. Erkenntnis vom 27. November 2003).
In dem Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 12. Februar 1993, Z 14 602/1-1-IV/14/93 ("KESt-Richtlinien"), veröffentlicht im Amtsblatt der Österreichischen Finanzverwaltung - AÖFV - Nr. 158/1993, wurde folgende "Ansicht vertreten":
"3.3 Kapitalertrag bei Wertpapieren
(1) Zu den Kapitalerträgen aus Wertpapieren zählen nicht nur die periodischen Zinsen, sondern auch der jeweilige Unterschiedsbetrag zwischen dem Ausgabewert und dem im Wertpapier festgelegten Einlösungswert. Ausgabewert ist der prospektmäßige Emissionskurs, Einlösungswert ist der in den Anleihebedingungen festgelegte Tilgungsbetrag.
(...)
4.3 Steuerabzug bei Stückzinsen
(1) Im Bereich der Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren erstreckt sich die Steuerpflicht auch auf anteilige Kapitalerträge anläßlich der Veräußerung eines Wertpapiers, also insbesondere auf die sogenannten Stückzinsen (§ 95 Abs 3 Z 2). Der Steuerabzug ist in jenem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die anteiligen Kapitalerträge nach den Kriterien des § 19 zufließen (§ 95 Abs 4 Z 3).
(2) Vom Veräußerer eines Wertpapiers verrechnete anteilige Kapitalerträge stellen beim Erwerber einen vorweg rückgängig gemachten Kapitalertrag dar. Dies ergibt sich daraus, daß der zur Kuponfälligkeit erhaltene volle Kapitalertrag durch die Bezahlung der Stückzinsen vorbelastet ist. Die Belastung mit Stückzinsen führt daher in bezug auf den Erwerber des Wertpapiers zu einer Kapitalertragsteuergutschrift (§ 95 Abs 6).
Beispiel: .....
(...)
4.5 Steuerabzug bei Unterschiedsbeträgen zwischen Ausgabe- und Einlösungswert
(1) Bei Unterschiedsbeträgen im Sinne des Punktes 3.3 entsteht die Abzugspflicht grundsätzlich erst am Ende der Laufzeit bzw. bei vorzeitiger Einlösung des Wertpapiers. Dies gilt sowohl für Unterschiedsbeträge, die neben laufenden Zinsen anfallen, als auch für Unterschiedsbeträge, die als einziger Kapitalertrag anfallen (also für Nullanleihen).
(2) Wird ein Wertpapier vor dem Ende der Laufzeit verkauft, dann ist für den zeitanteiligen Kapitalertrag des Veräußerers im Zeitpunkt der Veräußerung Abzugspflicht gegeben. Es bestehen keine Bedenken, wenn der zeitanteilige Kapitalertrag unter sinngemäßer Anwendung der in Punkt 5.1 dargestellten Formel ermittelt wird. Der Steuerabzug ist im Sinne des Punktes 4.3 Abs 2 und 3 vorzunehmen.
(...)
5.1 Geldeinlagen und sonstige Forderungen bei Banken
(1) Der Abzugspflicht von 22 % unterliegen erst Kapitalerträge, die als Entgelt für die Überlassung von Kapital für die Zeit ab 1. Jänner 1993 anzusehen sind. Bei Kapitalerträgen aus Einlagen, die mit 31. Dezember 1992 abgeschlossen werden, besteht erst für Kapitalerträge aus Abschlüssen nach dem 31. Dezember 1992 eine Abzugspflicht von 22 %. Bei Sparbriefen, Kapitalsparbüchern, Termineinlagen und Festgeldern kann der auf die Zeit ab dem 1. Jänner 1993 anfallende Kapitalertrag einfachheitshalber nach folgender Formel berechnet werden:
(Einlösungswert abzüglich Ausgabewert) / (Anzahl der vollen Monate zwischen Ausgabe und Einlösung) = monatlicher Kapitalertrag."
Nach dieser (linearen) Methode berechnete die Beschwerdeführerin im Beschwerdefall die in Rede stehenden Kapitalertragsteuergutschriften.
Der Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 8. November 2000, Zl. 06 0104/9-IV/6/00, mit der Bezeichnung "Einkommensteuerrichtlinien 2000 (EStR 2000)", veröffentlicht im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung - AÖFV - Nr. 232/2000 vom 21. Dezember 2000, wurde mit den Ausführungen eingeleitet, die EStR 2000 seien ab der Veranlagung 2000 generell anzuwenden; bei abgabenbehördlichen Prüfungen für vergangene Zeiträume und auf offene Veranlagungsfälle (insbesondere Veranlagung 1999) seien die EStR 2000 anzuwenden, soweit nicht für diese Zeiträume andere Bestimmungen in Gesetzen oder Verordnungen Gültigkeit hätten oder andere Erlässe für diese Zeiträume günstigere Regelungen vorsähen. Rz 6186 der EStR 2000 lautete:
"Nullkuponanleihen sind Anleihen, mit denen üblicherweise kein Anspruch auf laufende Zinsen verbunden ist. An Stelle dessen liegt der Ausgabepreis unter dem Einlösewert. Mit fortschreitender Laufzeit steigt jedoch der innere Wert der Nullkuponanleihe und erreicht am Ende der Laufzeit den Einlösewert. Dieser Differenzbetrag, der wirtschaftlich betrachtet nicht ausbezahlten und neuerlich verzinsten Zinsen gleichkommt, führt bei Einlösung zum Zufluss von Kapitaleinkünften im Sinne des § 27 Abs 2 Z 2 EStG 1988. Wird hingegen das Wertpapier vorzeitig verkauft, tritt an die Stelle des Einlösewertes der Veräußerungspreis. Kapitaleinkünfte liegen jedoch nur in Höhe der Differenz zwischen dem Ausgabewert und dem inneren Wert im Veräußerungszeitpunkt vor. Dieser innere Wert errechnet sich durch Aufzinsung des Ausgabepreises mit dem Renditezinssatz. Ergeben sich keine wesentlichen Abweichungen zu dem sich durch Aufzinsung des Ausgabepreises ermittelten Zinsbetrag, bestehen jedoch keine Bedenken, den anteiligen Zinsertrag durch folgende Formel zu ermitteln:
Einlösungswert abzüglich Ausgabewert dividiert durch die Anzahl der vollen Monate zwischen Ausgabe und Einlösung = monatlicher Kapitalertrag."
Im Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 12. Juni 2001, Zl. 14 0602/2-IV/14/01, veröffentlicht im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung - AÖFV - Nr. 145/2001, wurde die als "Einkommensteuerrichtlinien 2000" bezeichnete Sammlung der Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen in der Rz 6186 geändert und zu Nullkuponanleihen ausgeführt, der "innere Wert" errechne sich durch Aufzinsung des Ausgabepreises nach einer näher angeführten Zinseszinsformel. Es bestünden keine Bedenken, wenn anlässlich von steuerpflichtigen Vorgängen, die vor dem 1. Februar 2001 gelegen seien, der "innere Wert" nach der linearen Bemessungsgrundlage pauschal ermittelt werde. Diese Art der Schätzung sei jedoch nur zulässig, wenn keine wesentliche Abweichung vom Ergebnis nach der obigen Zinseszinsformel bestehe, und somit das Schätzungsergebnis dem tatsächlichem Ergebnis nahe komme. Als "wesentliche Abweichung" sei eine Abweichung um mehr als 25 Prozent, mindestens aber um 10.000 S anzusehen.
Diese (finanzmathematische) Berechnungsmethode mit der Zinseszinsformel liegt offenbar den Beträgen an KESt-Gutschrift zu Grunde, welche die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid für zutreffend erachtet hat.
Die erwähnten "KESt-Richtlinien" (der erwähnte Erlass vom 12. Februar 1993) sehen im Punkt 4.3 Abs. 2 ausdrücklich vor, dass vom Veräußerer verrechnete anteilige Kapitalerträge beim Erwerber einen "vorweg rückgängig gemachten Kapitalertrag" darstellten und zu einer Kapitalertragsteuergutschrift in Bezug auf den Erwerber führten. Gingen aber das Finanzamt, die belangte Behörde und den erwähnten "KESt-Richtlinien" zufolge auch das Bundesministerium für Finanzen von der vom Verwaltungsgerichtshof im erwähnten Erkenntnis vom 12. Dezember 2007 nicht geteilten Ansicht zur Zulässigkeit solcher Kapitalertragsteuergutschriften aus, so kamen für eine Haftung in Ausübung des Ermessens jedenfalls nur die Unterschiedsbeträge zwischen "linearer" und "finanzmathematischer" Berechnung der angeblich entstandenen Kapitalertragsteuergutschriften in Frage.
Die belangte Behörde führte im angefochtenen Bescheid aus, wenn die lineare Methode zu einem wirtschaftlich völlig wirklichkeitsfremden Ergebnis führe und die Abrechnung des Erwerbes selbst einem fachlich nicht versierten Anleihekäufer habe unplausibel erscheinen müssen, dürfe sich eine Bank mit ihren einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen im Bank- und Wertpapiergeschäft nicht auf das Vertrauen auf die Bindungswirkung von Richtlinien oder Erlässen zurückziehen. Dies auch unter Berücksichtigung der "aufgezeigten Umstände hinsichtlich der Verhandlungen von Bankenvertretern mit dem BMF". Dabei unterlässt es die belangte Behörde allerdings, die "aufgezeigten Umstände" im angefochtenen Bescheid zu konkretisieren.
Die Beschwerdeführerin trägt dazu u.a. vor, ein (namentlich genannter) Ministerialrat des BMF habe am 4. August 1999 bestätigt, dass "beide für die Nullkupon-KESt-Berechnung vorgesehenen Methoden (linear/progressiv) risikolos" angewendet werden könnten, und diese Rechtsansicht bis Herbst 2000 verschiedenen Anfragenden gegenüber aufrecht erhalten. Ein anderer (ebenfalls namentlich genannter) Ministerialrat habe erstmals am 7. Dezember 2000 die lineare Berechnungsmethode als "Schätzmethode" bezeichnet und bei ins Gewicht fallender Abweichung von der finanzmathematischen Methode als nicht zulässig angesehen.
Da die belangte Behörde zu den ihr offenbar bekannten und im angefochtenen Bescheid angesprochenen "Verhandlungen mit dem BMF" keine näheren Feststellungen getroffen hat, ist dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung verwehrt, wie sich diese "Verhandlungen" auf das von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides auszuübende Ermessen hätten auswirken müssen.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 9. Juli 2008
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