VwGH 2004/11/0221

VwGH2004/11/022125.4.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. W in S, vertreten durch Dr. Gernot Franz Herzog, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Haunspergstraße 33, gegen den Bescheid des Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 28. April 2004, Zl. 92.100/73-I/8/7/04, betreffend vorläufige Untersagung der ärztlichen Berufsausübung, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1998 §62 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998 §62 Abs1;
ÄrzteG 1998 §62;
StGB §146;
ÄrzteG 1998 §62 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998 §62 Abs1;
ÄrzteG 1998 §62;
StGB §146;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 29. September 2003 wurde dem Beschwerdeführer, einem Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, die Ausübung des ärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen ihn wegen des Verdachtes der Begehung einer strafbaren Handlung gemäß §§ 146ff StGB beim Landesgericht Salzburg zur Zl. 46 Ur 212/02b eingeleiteten Strafverfahrens gemäß § 62 Abs. 1 Z. 2 Ärztegesetz 1998, in der Fassung BGBl. I Nr. 91/2002, untersagt. Ferner wurde die aufschiebende Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen. Die Erstbehörde führte zur Begründung ihres Bescheides im Wesentlichen aus, die Ärztekammer für Salzburg habe mit Schreiben vom 5. August 2003 unter Hinweis auf eine an die Staatsanwaltschaft Salzburg übermittelte Sachverhaltsdarstellung mitgeteilt, dass gegen den Beschwerdeführer der dringende Verdacht bestehe, er habe grobe Verfehlungen bei Ausübung des ärztlichen Berufes begangen, die mit gerichtlicher Strafe bedroht seien. Die Ärztekammer für Salzburg habe ersucht, zur Wahrung des öffentlichen Wohles und wegen Gefahr im Verzug die vorläufige Untersagung der Berufsausübung gemäß § 62 ÄrzteG 1998 durch Bescheid auszusprechen. Nach Wiedergabe der Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Salzburg, die zwei - näher beschriebene - Vorfälle vom 27. Juli 2003 und vom 16. Oktober 2002 in der Ordination des Beschwerdeführers zum Gegenstand hatte, wobei die beiden Patienten nach einer Behandlung verstorben waren, und nach Darstellung der Rechtslage verwies die Erstbehörde weiters darauf, auch die Österreichische Ärztekammer habe mitgeteilt, dass das Landesgericht Salzburg sie benachrichtigt habe, dass ein Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer eingeleitet worden sei, und habe sich dafür ausgesprochen, dem Beschwerdeführer die Berufsausübung vorläufig zu untersagen. Auf Grund der durch entsprechende Unterlagen untermauerten Sachverhaltsdarstellung der Ärztekammer für Salzburg könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer gleichartige Verfehlungen wie die vorgeworfenen begehen werde, sodass ihm die Ausübung des ärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Strafverfahrens vorläufig zu untersagen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen davon aus, dass sich aus der Sachverhaltsdarstellung der Ärztekammer für Salzburg der Verdacht ergeben habe, der Beschwerdeführer habe wissenschaftlich nicht erwiesene Methoden angewendet und Patienten und Patientinnen im Endstadium einer Krebserkrankung für eine solche Behandlungsmethode ohne real zu erwartenden Heilungserfolg hohe Honorare abgefordert, weshalb auf Grund der von der Ärztekammer für Salzburg gemeldeten Vorfälle gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Es seien gegen ihn gerichtliche Vorerhebungen eingeleitet worden; auch dies sei als "Einleitung eines Strafverfahrens" im Sinne des § 62 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 zu verstehen. Ob die relevanten Vorwürfe zu Recht bestünden, sei nicht im Verfahren betreffend Untersagung der Berufsausübung, sondern vom Strafgericht zu prüfen. Es sei Gefahr im Verzug gegeben, weil der Beschwerdeführer die inkriminierten Handlungen, die durch die bisherigen Ermittlungen untermauert worden seien, bereits geraume Zeit hindurch getätigt habe und zu erwarten sei, dass der Beschwerdeführer seine Handlungen - an schwerstkranken Patienten - fortsetzen werde. Die vorläufige Untersagung der ärztlichen Berufsausübung sei daher als vorbeugende Maßnahme in Wahrung des öffentlichen Wohls erforderlich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher ihre Behandlung mit Beschluss vom 28. September 2004, B 724/04-7, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 hat der Landeshauptmann in Wahrung des öffentlichen Wohles und bei Gefahr in Verzug Ärzten die Ausübung des ärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens zu untersagen, wenn gegen sie ein Strafverfahren wegen grober Verfehlungen bei Ausübung des ärztlichen Berufes, die mit gerichtlicher oder Verwaltungsstrafe bedroht sind, eingeleitet worden ist.

Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 mit der Begründung, die Einleitung von gerichtlichen Vorerhebungen stelle nicht die "Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens" dar, sondern es sei hiefür die Einleitung von Voruntersuchungen erforderlich. Es habe lediglich der Untersuchungsrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft "derartige Vorerhebungen - ohne nähere Prüfung der Sinnhaftigkeit oder Begründetheit" durchzuführen. Der Beschwerdeführer habe keine Möglichkeit, sich gegen die Einleitung von Vorerhebungen zu wehren.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf: wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. etwa das zum HKG ergangene hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/04//0123, mit weiteren Hinweisen), ist zwischen gerichtlichen und sicherheitsbehördlichen Vorerhebungen zu unterscheiden; gerichtliche Vorerhebungen bewirken als gerichtliche Maßnahme die Einleitung eines Strafverfahrens, während sicherheitspolizeiliche Vorerhebungen diese Folge nicht nach sich ziehen. Unbestritten wurden gegen den Beschwerdeführer gerichtliche Vorerhebungen eingeleitet.

Im vorliegenden Fall hat die Ärztekammer für Salzburg mit Schreiben vom 5. August 2003 an die Staatsanwaltschaft Salzburg eine (u.a.) gegen den Beschwerdeführer gerichtete Sachverhaltsdarstellung wegen "dringenden Verdachtes grober Verfehlungen bei Ausübung des ärztlichen Berufes, welche mit gerichtlicher Strafe bedroht sind" gerichtet und darin (zusammengefasst) mitgeteilt, dass der Verdacht bestehe, dass in der Ordination des Beschwerdeführers mit der Hoffnungslosigkeit schwerstkranker Patienten Missbrauch betrieben würde. Am 24. Juli 2003 sei eine polnische Patientin des Beschwerdeführers nach Abtransport mit dem Notarztwagen verstorben, nachdem bei ihr, obwohl sie unheilbar an Krebs erkrankt gewesen sei, eine Therapie mit Eigenblutinjektion angewendet worden sei. Die Angehörigen dieser Patientin hätten mit dieser die Ordination des Beschwerdeführers mehrmals aufgesucht und es sei für diese Therapie von den Angehörigen der Patientin insgesamt rund EUR 30.000,-- an den Beschwerdeführer bezahlt worden. In diesem Zusammenhang verwies die Ärztekammer darauf, es würden viele polnische Patienten den Beschwerdeführer aufsuchen. Ferner sei am 16. Oktober 2002 ein Patient mit schwerer Grunderkrankung in der Ordination des Beschwerdeführers verstorben, wobei - bis zum Eintreffen des Notarztteams - nur insuffiziente Ersthelfermaßnahmen gesetzt worden seien.

Im Hinblick auf diese Anzeige an die Staatsanwaltschaft wurden in der Folge gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 146 ff StGB gerichtliche Vorerhebungen eingeleitet und es benachrichtigte das Landesgericht Salzburg die Ärztekammer für Salzburg mit Schreiben vom 14. August 2003 von der Einleitung dieses Strafverfahrens. Das gerichtliche Strafverfahren betrifft somit die Vorwürfe des Betruges (§ 146 StGB) im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes. Die Voraussetzung der von der belangten Behörde angewendeten Gesetzesbestimmung, dass ein Strafverfahren wegen grober Verfehlungen bei Ausübung des ärztlichen Berufes eingeleitet wurde, ist damit - jedenfalls in Ansehung des gerichtlichen Strafverfahrens wegen Betruges - erfüllt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 95/11/0339, ergangen zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 35 Abs. 1 ÄrzteG 1984).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es in einem Verfahren betreffend vorläufige Untersagung der ärztlichen Berufsausübung nicht darauf an, ob die groben Verfehlungen tatsächlich begangen wurden. Dies festzustellen ist Sache des jeweiligen Strafverfahrens (vgl. das oben erwähnte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996). Aus dem Akteninhalt (siehe insbesondere die Sachverhaltsdarstellung der Ärztekammer für Salzburg vom 5. August 2003 und die Benachrichtigung von der Einleitung des Strafverfahrens des Landesgerichtes Salzburg vom 14. August 2003) lässt sich nachvollziehen, dass gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des Betruges (§§ 146 ff StGB) Vorerhebungen eingeleitet wurden, wobei dem die beträchtliche Schadensumme von EUR 30.000,-- zu Grunde lag und auch hervorgehoben wurde, dass "mit der Hoffnungslosigkeit schwerstkranker Patienten Missbrauch betrieben" werde. Neben der hohen Schadensumme ergibt sich somit der Verdacht, dass vom Beschwerdeführer unter Ausnützung der Notsituation der Betroffenen hohe Beträge gefordert wurden. Es kann daher die Auffassung der belangten Behörde, die Einleitung des Strafverfahrens sei wegen des Verdachts grober Verfehlungen des Beschwerdeführers erfolgt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Was die Frage der Gefahr in Verzug anlangt, legte die belangte Behörde ihrer Entscheidung ferner zu Grunde, dass der Beschwerdeführer, wie sich aus Mitteilungen der Ärztekammer für Salzburg ergebe, trotz des bestehenden Berufsausübungsverbotes (im Hinblick auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG mit dem erstinstanzlichen Bescheid) auch im Jänner und Feber 2004 ärztliche Tätigkeit ausgeübt habe. So habe er eine näher genannte an Karzinomen erkrankte Patientin vom 31. Jänner bis 4. Feber 2004 mit Impfungen mit Vitaminen behandelt, wofür Gesamtkosten von insgesamt EUR 8.000,-- angefallen seien, und habe mit einer weiteren namentlich genannten an einem Karzinom erkrankten Patientin für 16. Feber 2004 einen Behandlungstermin vereinbart, der auf Grund des eingetretenen Todes der Patientin an diesem Tag nicht mehr habe wahrgenommen werden können. Diese Feststellungen werden vom Beschwerdeführer nicht durch konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen entkräftet. Somit bestehen im Ergebnis auch keine begründeten Bedenken gegen die Auffassung der belangten Behörde, es laste auf dem Beschwerdeführer der zu klärende Verdacht, er habe bei seiner Berufsausübung grobe, gerichtlich strafbare Verfehlungen begangen, und es bestehe damit die Gefahr, er könne bei Fortsetzung der Berufsausübung (auch weiterhin) grobe Verfehlungen von strafrechtlicher Relevanz begehen (vgl. erneut das oben erwähnte hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996). Stichhältige gegen diese Annahme sprechende Argumente werden vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt. Auch sein Vorbringen, es handle sich "lediglich" um Vermögensangelegenheiten, ist nicht zielführend. Es kann also in der Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei wegen Gefahr in Verzug zum Schutz der Allgemeinheit von der Ausübung des ärztlichen Berufes vorläufig auszuschließen, keine Rechtswidrigkeit erblickt werden.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich den von der erstinstanzlichen Behörde ausgesprochenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung seiner Berufung bekämpft, ist ihm zu entgegnen, dass die belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid seine Berufung vollständig erledigt hat, er somit schon deshalb in dieser Hinsicht durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen subjektiven Rechten verletzt sein kann.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte, zumal es auch nur um Rechtsfragen geht, gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 25. April 2006

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte