VwGH 2004/10/0112

VwGH2004/10/011221.6.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie den Senatspräsidenten Dr. Novak und dem Hofrat Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH in Graz, vertreten durch Dr. Robert Wiesler, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sporgasse 27, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Juni 2004, Zl. FA11A-32-953/04-2, betreffend Rückersatz von Spitalskosten, zu Recht erkannt:

Normen

KAG Stmk 1999 §29 Abs2;
KAG Stmk 1999 §29 Abs4;
KAG Stmk 1999 §30 Abs1;
KAG Stmk 1999 §39 Abs1;
SHG Stmk 1977 §42;
SHG Stmk 1998 §31 Abs1;
SHG Stmk 1998 §31 Abs2;
SHG Stmk 1998 §31;
SHG Stmk 1998 §4 Abs1;
VwRallg;
KAG Stmk 1999 §29 Abs2;
KAG Stmk 1999 §29 Abs4;
KAG Stmk 1999 §30 Abs1;
KAG Stmk 1999 §39 Abs1;
SHG Stmk 1977 §42;
SHG Stmk 1998 §31 Abs1;
SHG Stmk 1998 §31 Abs2;
SHG Stmk 1998 §31;
SHG Stmk 1998 §4 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei ist Rechtsträger der Steiermärkischen Krankenanstalten. Mit Schreiben vom 28. Oktober und 12. Dezember 2003 beantragte sie beim Magistrat der Stadt Graz, Sozialamt, unter Hinweis auf das Steiermärkische Sozialhilfegesetz 1998 den Rückersatz von Kosten in der Höhe von insgesamt EUR 25.597,00, die sie für die Behandlung des Patienten Mirko P. in der Zeit vom 12. September bis 16. Oktober 2003, vom 21. Oktober bis 12. November 2003 und vom 27. November bis 4. Dezember 2003 aufgewendet habe. Begründend wurde Folgendes dargelegt:

"Auf Grund der durchgeführten Erhebungen lt. Beilage ist Vorliegen der finanziellen Hilfsbedürftigkeit des Hilfeempfängers schlüssig anzunehmen und wird somit der Spitalskostenrückersatz aus den Mitteln der Sozialhilfe begehrt."

Aus dem jeweils beigeschlossenen "Erhebungsblatt für Antrag auf Spitalskostenrückersatz" waren neben Namen, Geburtsdatum, Familienstand und Staatsangehörigkeit des Patienten eine von diesem angegebene Anschrift in Kroatien zu entnehmen. Ferner hätte der Patient angegeben, als Manager in Deutschland tätig und an einer näheren Anschrift in München polizeilich gemeldet gewesen zu sein. Die Rubrik "Finanzielle Verhältnisse des Zahlungspflichtigen zum Zeitpunkt der Spitalsbehandlung" enthielt keine Angaben. In der Rubrik "Familiäre und finanzielle Verhältnisse der innerhalb des Haushaltes lebenden Angehörigen des Zahlungsverpflichteten" schienen Namen und Geburtsdaten dreier Personen auf, jedoch keine Angaben über die Art von deren Einkünften. Unter "Sonstige Bemerkungen" findet sich ein Vordruck ("Aufgrund meiner Angaben bin ich nicht in der Lage diese Spitalskosten zu bezahlen."), den der Zahlungspflichtige unterschrieben hat.

Den Verwaltungsakten ist ferner zu entnehmen, dass der Beschwerdeführerin vom Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München am 13. Oktober 2003 mitgeteilt worden ist, dass der Patient anhand des Melderegisters nicht habe ermittelt werden können.

Mit Schreiben vom 25. November 2003 teilte die Beschwerdeführerin dem Magistrat der Stadt Graz ferner mit, dass der Patient nicht in Graz wohnhaft gewesen sei. Er habe sich dort nur geschäftlich aufgehalten. Bei seiner Entlassung habe dessen Gattin mitgeteilt, nicht in der Lage zu sein, die Spitalskosten zu bezahlen. Es sei nur die Versicherung der Tochter bekannt, nicht jedoch deren Einkommensverhältnisse. Die Beschwerdeführerin habe ihre Möglichkeiten zur Einbringung der Spitalskosten ausgeschöpft. Das Vorliegen der finanziellen Hilfsbedürftigkeit des Zahlungsverpflichteten sei schlüssig anzunehmen.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2004 wies der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz den Antrag auf Spitalskostenrückersatz ab. Begründend wurde nach Hinweis auf die §§ 4, 7 und 10 iVm § 31 Abs. 1 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 29/1998 (SHG), dargelegt, die Beschwerdeführerin habe zur Glaubhaftmachung der Hilfsbedürftigkeit des Patienten Unterlagen über die Versicherung der Tochter, eine Reisepasskopie des Patienten und ein Fax aus München bezüglich der angegebenen Adresse vorgelegt. Das Fax über die Meldeanfrage in Deutschland habe das Krankenhaus bereits am 13. Oktober 2003, also bereits vor Ende des ersten stationären Aufenthaltes des Patienten erreicht. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei bekannt gewesen, dass die angegebene Adresse in München falsch sei. Im Antrag auf Spitalskostenrückersatz fehlten sämtliche Angaben über die Einkommensverhältnisse des Patienten und seiner Gattin. Eine genauere Befragung wäre auf Grund der Dauer der Aufenthalte durchaus möglich gewesen. Eine Adressenangabe in Graz bzw. wo die Gattin des Patienten während des Spitalsaufenthaltes gewohnt habe, fehle ebenfalls. Auf Grund der wiederholten Aufnahmen wäre es auch möglich gewesen, zumindest die Gattin darauf hinzuweisen, einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe zu stellen. Trotz des intensiven Kontaktes mit dem Patienten und dessen Gattin über einen sehr langen Zeitraum hindurch seien keinerlei schlüssige Hinweise für die Hilfsbedürftigkeit des Patienten übermittelt worden. Da der Patient kroatischer Staatsbürger sei, fehlten auch Hinweise über eine eventuelle Versicherung in Kroatien.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Dabei brachte sie im Wesentlichen vor, der Patient sei am 12. September 2003 mit der Diagnose "Dekompensation cardial, akute Linksherzinsuffienz bei ischämischer CMP, Lungenödem, insulinpflichtiger Diabetes mellitus" in das LKH Graz-West zur stationären Aufnahme gekommen. Der Patient sei anstaltsbedürftig und unabweisbar gewesen. Am 16. Oktober 2003 sei er zur koronären Beipassoperation in das LKH Univ.-Klinikum Graz transferiert und 21. Oktober 2003 in das LKH Graz-West rückverlegt worden. Der Patient sei am 12. November 2003 aus der Anstaltspflege entlassen worden, eine neuerliche stationäre Behandlung sei vom 27. November bis 4. Dezember 2003 erfolgt. Der Patient habe sich in Begleitung seiner Gattin befunden und angegeben, keinen Leistungsanspruch bei einem Sozialversicherungsträger zu besitzen. Weitere Angaben zu seiner Person, wie Beruf und Aufenthalt in München, hätten sich als unwahr herausgestellt. Er habe sich angeblich auf der Heimreise von Deutschland nach Kroatien befunden. Seine Gattin sei während seines stationären Aufenthaltes im Bergheim der Schulschwestern in Graz aufhältig gewesen. Auch der Patient sei zwischenzeitlich dort in einem kleinen Zimmer untergebracht gewesen. Etwa eine Woche vor Weihnachten seien der Patient und dessen Gattin mit dem Bus nach Kroatien gefahren. Die Fahrkarte sei von den Schulschwestern bezahlt worden. Ebenso seien Unterkunft und Frühstück von den Schulschwestern zur Verfügung gestellt worden. Die Bekleidung habe die Caritas, die erforderlichen Medikamente die Vinzi-Apotheke gespendet. Ein Ersuchen an die Tochter des Patienten, die aufgelaufenen Spitalskosten über ihre Sozialversicherung in Kroatien abzurechnen, sei erfolglos geblieben. Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes und der übermittelten Erhebungsergebnisse sei sehr wohl Hilfsbedürftigkeit des Patienten zum Zeitpunkt der erbrachten Spitalsleistungen schlüssig anzunehmen. Erwiesenermaßen bestehe kein Leistungsanspruch bei einer Versicherung in Kroatien. Eine nachträgliche Mitversicherung des Patienten bei der kroatischen Versicherung seiner Tochter sei nicht möglich gewesen. Dass der Patient nicht in der Lage gewesen sei, die aufgelaufenen Spitalskosten selbst zu bezahlen, habe er persönlich in einem am 2. März 2004 geführten Telefonat bestätigt. Danach besitze er auch keinen Versicherungsschutz in Kroatien und verfüge auf Grund seiner Erkrankung weder über Einkommen noch Vermögen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat sie begründend die Auffassung, ein Hinweis, dass bzw. auf Grund welcher Tatsachen Hilfsbedürftigkeit des Hilfeempfängers schlüssig anzunehmen sei, sei den Anträgen der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen. Der Patient habe sich nach seinen eigenen Angaben auf der Durchreise von München nach Kroatien befunden und sei als Manager tätig gewesen. Dass sich diese Angaben nachträglich als falsch erwiesen hätten, lasse nicht im Vorhinein auf Hilfsbedürftigkeit schließen. Der Patient sei sehr lange in Behandlung gewesen, nämlich von der Erstaufnahme am 12. September 2003 bis zum 17. Dezember 2003. In diesem Zeitraum sei es dem Patienten oder seiner Gattin zumutbar gewesen, einen Antrag bei der Sozialhilfebehörde zu stellen. Das Vorbringen im Antrag (Beruf: Manager) ließe gerade nicht auf das Vorliegen von Hilfsbedürftigkeit schließen. Die Beschwerdeführerin habe auch - soweit sich aus der Aktenlage ergebe - keine Schritte im Hinblick auf den Betrugsverdacht im Zusammenhang mit der falschen Adressenangabe eingeleitet. Allein aus der Abweisung der Kostenübernahme der Versicherung in Kroatien oder der Angabe des Patienten, kein Geld zu haben, ergebe sich kein zwingender Hinweis auf das Vorliegen einer Hilfsbedürftigkeit.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie eine kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat erwogen:

Nach § 31 Abs. 1 SHG hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfsbedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:

  1. a) eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§7) gegeben war;

b) die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig

gewährt werden konnte;

c) der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu

tragen hatte.

Nach Abs. 2 leg. cit. muss der Rückersatz spätestens sechs Monate nach Beginn der Hilfeleistung bei sonstigem Anspruchsverlust beim örtlich zuständigen Sozialhilfeträger beantragt werden. Im Antrag ist die finanzielle Hilfsbedürftigkeit des Hilfeempfängers durch schlüssiges Vorbringen glaubhaft zu machen.

Gemäß § 4 Abs. 1 SHG ist Voraussetzung der Hilfe u.a., dass der Betroffene (hier: der Patient) den Lebensbedarf im Sinne des § 7 SHG (darunter gemäß § 7 Abs. 1 lit. c auch die Krankenhilfe im Sinne des § 10) für sich nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

Gemäß § 5 Abs. 1 SHG ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen oder das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 7) zu sichern.

Nach der Rechtsprechung ist für die Berechtigung eines Ersatzanspruches im Sinne des § 31 SHG maßgebend, ob es sich bei dem Hilfeempfänger im Zeitpunkt der Hilfeleistung um einen Hilfsbedürftigen im Sinne der vorzitierten Rechtsvorschriften gehandelt hat, das heißt, ob er zur Zeit der Behandlung deren Kosten nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten konnte und sie auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen gedeckt wurden (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 20. April 1993, Zl. 92/08/0266, vom 16. Mai 1989, Zl. 88/11/0107, vom 27. Juni 1989, Zl. 88/11/0126, und vom 20. Oktober 1990, Zl. 90/19/0008).

Der angefochtene Bescheid beruht auf der Annahme, weder habe die Beschwerdeführerin die Hilfsbedürftigkeit der Patientin im Zeitpunkt der Erbringung der Spitalsleistung schlüssig behauptet noch sei die Hilfsbedürftigkeit feststellbar gewesen.

Die Beschwerde macht zunächst geltend, die Hilfsbedürftigkeit sei "jedenfalls zu bejahen", weil die Spitalskosten von keinem Sozialversicherungsträger übernommen würden. Da der Patient selbst für die Pflegeleistungen aufzukommen hätte, hiezu aber "auf Grund seiner Vermögenslosigkeit" nicht in der Lage sei, bestehe der geltend gemachte Ersatzanspruch der Beschwerdeführerin jedenfalls zu Recht.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass sich aus dem Fehlen eines Leistungsanspruches aus einer Krankenversicherung nicht unmittelbar die weitere Voraussetzung der Hilfsbedürftigkeit ergibt, dass der Patient im Sinne des § 4 Abs. 1 SHG außer Stande ist, den in Rede stehenden Lebensbedarf aus eigenen Mitteln und Kräften zu beschaffen (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 23. April 2007, Zl. 2004/10/0192 und Zl. 2004/10/0193, jeweils mwN, auf deren Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Der Beschwerdeführerin ist auch nicht zu folgen, wenn sie die Auffassung vertritt, die Ansicht der belangten Behörde würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass bei jedem Patienten umfassende Erhebungen durchzuführen wären, ehe ein Patient behandelt werden dürfe. Im vorliegenden Fall sei der Patient anstaltsbedürftig und unabweisbar gewesen, weil auf Grund seiner Herzerkrankung Lebensgefahr bestanden hätte.

In den bereits genannten Erkenntnissen vom 23. April 2007 hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass die Verpflichtungen öffentlicher Krankenanstalten mit der Frage der Rückersatzpflicht der Sozialhilfeträger aus dem Titel der Hilfsbedürftigkeit des Empfängers der Spitalleistungen nichts zu tun haben. Das Risiko der Uneinbringlichkeit der Kosten von Unterbringung und Behandlung trifft auch bei unabweisbaren behandlungsbedürftigen Patienten die Krankenanstalt; nur in Fällen der Hilfsbedürftigkeit des Patienten im Sinne der sozialhilferechtlichen Regelungen besteht ein Ersatzanspruch der Krankenanstalt gegenüber dem Sozialhilfeträger.

Soweit die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften die Auffassung vertritt, die belangte Behörde sei ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung nicht nachgekommen, unterlässt sie es aufzuzeigen, welche zielführenden Ermittlungen der belangten Behörde im vorliegenden Zusammenhang möglich gewesen wären und welche konkret auf die Hilfsbedürftigkeit des Patienten hindeutenden Tatsachen die Behörde festzustellen unterlassen hätte.

Auch soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die belangte Behörde hätte sie zur Verbesserung ihres Antrages auffordern müssen, bringt sie nicht vor, was sie in diesem Fall sachdienlich hätte vorbringen können. Auch mit diesen Darlegungen wird somit kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 21. Juni 2007

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte