VwGH 2004/10/0097

VwGH2004/10/009714.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerden der CS in I, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Salurner Straße 16, gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung vom 4. Februar 2004, Zl. Va-456-363/27 und Zl. Va-456-363/28, jeweils betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Sozialhilfeangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §33 Abs3;
AVG §6;
AVG §63 Abs5;
AVG §33 Abs3;
AVG §6;
AVG §63 Abs5;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.982,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Februar 2004 wurde die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bürgermeisterin von Innsbruck vom 2. Dezember 2002, betreffend Sozialhilfe, erhobene Berufung als verspätet zurückgewiesen und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, die Beschwerdeführerin habe die Berufung zwar innerhalb der Berufungsfrist und an die richtige Einbringungsstelle (Stadtmagistrat Innsbruck) adressiert zur Post gegeben. Tatsächlich sei die Berufung jedoch bei der unzuständigen Bezirkshauptmannschaft Innsbruck-Land eingelangt und von dieser an die zuständige Einbringungsstelle weitergeleitet worden, wo sie allerdings erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingelangt sei. Da der Postenlauf zur unrichtigen Einbringungsstelle in die Berufungsfrist einzurechnen sei und ein durch die Weiterleitung gemäß § 6 Abs. 1 AVG bewirktes Fristversäumnis der Beschwerdeführerin zugerechnet werden müsse, sei die Berufung als verspätet eingebracht zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2004/10/0097 protokollierte Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

2.

Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Februar 2004 wurde die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bürgermeisterin von Innsbruck vom 30. Jänner 2003, betreffend Sozialhilfe, erhobene Berufung als verspätet zurückgewiesen und zwar mit derselben Begründung wie im unter 1. dargestellten Bescheid.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2004/10/0098 protokollierte Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

3.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden.

Er hat sodann erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Die Tage des Postenlaufes werden gemäß § 33 Abs. 3 AVG in die Frist nicht eingerechnet.

Zur Wahrung der Berufungsfrist genügt es daher, dass der Berufungsschriftsatz innerhalb der Frist der Post zur Beförderung an die Einbringungsstelle übergeben wird, vorausgesetzt, der Postenlauf wurde durch richtige Adressierung an die zuständige Stelle in Gang gesetzt und die Eingabe langt bei der Behörde (überhaupt) ein (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), S. 458 f, referierte hg. Judikatur).

In den vorliegenden Beschwerdefällen steht fest, dass die Beschwerdeführerin die Berufung jeweils an die richtige Einbringungsstelle adressiert und innerhalb der Berufungsfrist zur Post gegeben hat und weiters, dass die Berufung jeweils bei einer hiefür unzuständigen Behörde eingelangt ist und von dieser gemäß § 6 AVG an die zuständige Stelle weitergeleitet wurde, wo sie nach Ablauf der Berufungsfrist einlangte.

Bei ihren Darlegungen über die Einrechnung der Tage des Postenlaufes an die unzuständige Behörde in die Berufungsfrist verkennt die belangte Behörde die normative Bedeutung des "Postenlaufes" im Sinn des § 33 Abs. 3 AVG. Darunter ist der Vorgang zwischen der Übernahme des Schriftstückes durch die Post zur Beförderung bis zur Erfüllung des damit übernommenen Auftrages durch Übergabe an den bezeichneten Adressaten zu verstehen. Welche Wege, aber auch Irrwege das Schriftstück in Erfüllung des von der Post übernommenen Auftrages bis zur Übergabe an den Adressaten durchläuft, ist ohne Belang - vorausgesetzt freilich, das Schriftstück langt beim bezeichneten Adressaten letztlich auch tatsächlich ein. Sie ändern daher nichts an der Qualifikation des (gesamten) Beförderungsvorganges betreffend das von der Post übernommene Schriftstück als "Postenlauf" im Sinn des § 33 Abs. 3 AVG; die dafür aufgewendeten Tage sind in die Berufungsfrist nicht einzurechnen.

In den vorliegenden Beschwerdefällen wurde die Berufung - wie dargelegt - jeweils rechtzeitig der Post zur Beförderung an die richtige Einbringungsstelle übergeben und ist bei dieser letztlich auch tatsächlich eingelangt. Weil die Tage dieses Beförderungsvorganges in die Berufungsfrist nicht einzurechnen sind, wurde die Berufung daher jeweils rechtzeitig im Sinn des § 63 Abs. 5 AVG eingebracht.

Indem sie dies verkannte, hat die belangte Behörde die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet; sie waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. September 2004

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