Normen
AlVG 1977 §14 Abs7;
AlVG 1977 §18 Abs8;
AlVG 1977 §81 Abs8;
AlVG 1977 §14 Abs7;
AlVG 1977 §18 Abs8;
AlVG 1977 §81 Abs8;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Der Antrag, der belangten Behörde die Gewährung des Ausbildungsarbeitslosengeldes ab dem 3. August 2004 in gesetzlich vorgeschriebenem Ausmaß aufzutragen, wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - in Abweisung der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid - festgestellt, dass der Beschwerdeführerin das Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 8 in Verbindung mit § 81 Abs. 8 AlVG nicht gebühre.
Nach der Begründung dieses Bescheides hat die Beschwerdeführerin vom 19. Jänner 2001 bis 12. März 2002 Karenzgeld und nach einem zwischenzeitigen Wochengeldbezug anschließend ab 13. Juli 2002 bis 31. März 2004 auf Grund der Geburt ihres zweiten Kindes Kinderbetreuungsgeld erhalten. Die Bestimmung des § 18 Abs. 8 AlVG, der unter bestimmten Voraussetzungen die Zuerkennung von Arbeitslosengeld nach einem Karenzurlaub ohne neuerliche Erfüllung der Anwartschaft regle, sei seit der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 8 AlVG nur bei Geltendmachung von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe "nach einem Bezug von Karenzgeld anzuwenden". Die Beschwerdeführerin habe ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem Bezug von Kinderbetreuungsgeld geltend gemacht, weshalb die Bestimmung des § 18 Abs. 8 AlVG "nach dem eindeutigen Wortlaut des § 81 Abs. 8 AlVG nicht mehr anzuwenden" sei. Die Bestimmung des § 81 Abs. 8 AlVG stelle auf einen Karenzgeldbezug und nicht auf einen Karenzurlaub ab. Zu dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass § 18 Abs. 8 AlVG gerade den Zweck verfolge, Frauen, die nach dem Ende der Karenzzeit vom Dienstgeber gekündigt würden, für zumindest 26 Wochen finanziell abzusichern, könne nicht nachvollzogen werden, da das Karenzgeld bei Inanspruchnahme von nur einem Elternteil nur maximal bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes und das Kinderbetreuungsgeld ohne besondere Voraussetzungen bis zur Vollendung des 30. Lebensmonats gebührt habe. Die Dauer der finanziellen Absicherung beim Kinderbetreuungsgeld sei somit ohne Vorliegen bestimmter Umstände und Auflagen länger.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin - wie sich auch aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt - nach Geburt eines Kindes zunächst Karenzurlaub in Anspruch genommen und Karenzurlaub bezogen hat. Auf Grund der Geburt eines zweiten Kindes erhielt sie im Anschluss daran Wochengeld und schließlich - nach dem mittlerweile in Kraft getretenen Kinderbetreuungsgeldgesetz - danach Kinderbetreuungsgeld. Sie beendete diesen Bezug nach etwa 21 Monaten, um ihr Dienstverhältnis wieder aufzunehmen. Nach Ablauf des vierwöchigen Kündigungsschutzes des § 15 Abs. 4 des Mutterschutzgesetzes kündigte der Arbeitgeber das Dienstverhältnis zum 30. Juni 2004.
Gemäß § 18 Abs. 8 AlVG in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Kinderbetreuungsgeldgesetzes, BGBl. I Nr. 103/2001, wird das Arbeitslosengeld für die Dauer einer Ausbildung, längstens für 26 Wochen gewährt, wenn der Arbeitslose
"1. während des Beschäftigungsverbotes oder Karenzurlaubes oder nach dem Karenzurlaub aus Anlass der Elternschaft vom Arbeitgeber gekündigt wurde oder auf Grund der Insolvenz des Arbeitgebers seinen berechtigten vorzeitigen Austritt erklärt hat,
2. sich ohne Verzug, spätestens binnen einem Monat, arbeitslos gemeldet hat und keine zumutbare Beschäftigung vermittelt werden kann, und
3. sich einer Ausbildung unterzieht oder nur deshalb nicht unterzieht, weil vom Arbeitsmarktservice keine geeignete Ausbildung angeboten werden kann."
Mit dem Inkrafttreten des Kinderbetreuungsgeldgesetzes, BGBl. I Nr. 103/2001, wurde diese Bestimmung aufgehoben und die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 8 AlVG geschaffen.
Diese lautet:
"(8) Bei Geltendmachung von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe nach einem Bezug von Karenzgeld sind § 14 Abs. 7 bis 9, § 18 Abs. 8 und § 33 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2000 weiterhin anzuwenden."
Zwischen der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde ist strittig, ob die Wendung "nach einem Bezug von Karenzgeld" im Sinne von "nach Inanspruchnahme eines Karenzurlaubes" zu lesen ist. Während die Beschwerdeführerin dies unter Hinweis auf den sozialpolitischen Zweck der Vorschrift bejaht, verneint dies die belangte Behörde unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift.
Im Ergebnis ist die Beschwerde begründet:
§ 18 Abs. 8 AlVG sollte in jenen Fällen, in denen nach Rückkehr aus einem Karenzurlaub ein Dienstverhältnis durch Kündigung aufgelöst wurde, eine zumutbare Beschäftigung jedoch nicht vermittelt werden konnte, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld zum Zwecke der Ausbildung schaffen. Die Bestimmung stand im Zusammenhang mit § 14 Abs. 7 AlVG, wonach Zeiten, die für die Beurteilung der Anwartschaft auf Karenzgeld herangezogen wurden, bei der Beurteilung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld nicht mehr zu berücksichtigen sind, es sei denn, dass Arbeitslosengeld für die Dauer einer Ausbildung gemäß § 18 Abs. 8 AlVG in Anspruch genommen wurde (der weitere Fall, in dem der Verbrauch der Anwartschaft nicht eintritt, spielt im Beschwerdefall keine Rolle).
Das Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 8 AlVG sollte somit einen Ausgleich dafür darstellen, dass die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld bereits durch den Bezug von Karenzgeld verbraucht wurde und das Dienstverhältnis nach Ablauf des Kündigungsschutzes nach dem Mutterschutzgesetz vom Arbeitgeber aufgelöst wird.
Dieser sozialpolitische Grund ist mit dem Kinderbetreuungsgeldgesetz deshalb weggefallen, weil durch den Bezug von Kinderbetreuungsgeld die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld nicht berührt wird.
Die Materialien der Regierungsvorlage (620 Blg. NR XXI. GP) führen zu den einschlägigen Änderungen Folgendes aus:
"Da das Kinderbetreuungsgeld im Gegensatz zum Karenzgeld keine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung darstellt und grundsätzlich nicht von der Erfüllung der Anwartschaft auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung abhängt, wird eine erworbene Anwartschaft auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung durch die Inanspruchnahme von Kinderbetreuungsgeld nicht verbraucht. Die Sonderregelungen für die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe nach einem Bezug von Karenzgeld sind in Zukunft nicht mehr notwendig und können daher entfallen; sie sollen jedoch als Übergangsbestimmungen weiter gelten".
Vor diesem Hintergrund ist auch die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 8 AlVG zu sehen, die deshalb den Bezug von Karenzgeld als Voraussetzung für die fortdauernde Anwendung des § 18 Abs. 8 AlVG für Übergangsfälle normiert, weil nur in einem solchen Fall die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld verloren gegangen ist.
Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde liegen im Fall der Beschwerdeführerin alle gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 81 Abs. 8 iVm 18 Abs. 8 AlVG vor, insbesondere auch jene, dass sie Arbeitslosengeld "nach einem Bezug von Karenzgeld" geltend gemacht hat, hat sie doch vom 19. Jänner 2001 bis 12. März 2002 Karenzgeld bezogen, damit ihre Anwartschaft auf Arbeitslosengeld verbraucht und keine neue Anwartschaft erwerben können, weil sie nach der Rückkehr aus dem Karenzurlaub und nach Verstreichen des Zeitraums des Kündigungsschutzes, aber vor Erwerb einer neuerlichen Anwartschaft von ihrem Dienstgeber gekündigt wurde. Die Beschwerdeführerin befindet sich daher in jener sozialen Lage, für welche die Bestimmung des § 81 Abs. 8 AlVG geschaffen wurde.
Die Besonderheit der vorliegenden Fallkonstellation liegt nur darin, dass sie nach dem Karenzgeldbezug und nach der zweiten Geburt bereits Kinderbetreuungsgeld bezogen hat. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde gebietet aber nicht nur der Zweck des § 81 Abs. 8 AlVG seine Anwendung auf die Beschwerdeführerin, auch sein Wortlaut lässt dies ohne Weiteres zu, wie auch die Beschwerdeführerin zu Recht darlegt: In dieser Bestimmung ist nämlich nicht die Rede davon, dass die "Geltendmachung von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe nach einem Bezug von Karenzgeld" unmittelbar an den Karenzgeldbezug anschließen muss. Dies kann im Übrigen in den Anwendungsfällen des § 18 Abs. 8 AlVG nicht der Fall sein, weil zwischen dem Ende des Anspruchs auf Karenzgeld und der frühestmöglichen Antragstellung auf Bildungsarbeitslosengeld regelmäßig ein Zeitraum der versicherungspflichtigen Beschäftigung bei einem Dienstgeber gelegen sein musste, der sich zumindest aus der Dauer von vier Wochen (Kündigungsschutz) und der jeweiligen Kündigungsfrist zusammensetzt.
§ 81 Abs. 8 AlVG ist auch sonst kein Hinweis dafür zu entnehmen, dass ein zeitlicher Höchstabstand zwischen dem Bezug von Karenzgeld und der Antragstellung auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld liegen muss, um die Bestimmung anwenden zu können oder dass der zwischenzeitige Bezug von Kinderbetreuungsgeld die Anwendung des § 81 Abs. 8 AlVG ausschlösse.
Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet; er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Da der Verwaltungsgerichtshof nicht befugt ist, der Behörde Aufträge in normativer Form zu erteilen, war das diesbezügliche, den Aufhebungsantrag überschreitende Begehren zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf den Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese in den Pauschalsätzen der genannten Verordnung bereits enthalten ist. Für die Zuerkennung von Aufwandersatz in einem Ausmaß, welches über die genannten Pauschalsätze hinausgeht, fehlt jede Rechtsgrundlage.
Wien, am 21. Dezember 2005
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