Normen
BKUVG §1 Abs1;
BKUVG §2 Abs1 Z5;
GSVG 1978 §274 Abs4;
GSVG 1978 §4 Abs2;
BKUVG §1 Abs1;
BKUVG §2 Abs1 Z5;
GSVG 1978 §274 Abs4;
GSVG 1978 §4 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt vom 1. April 2004 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, monatliche Beiträge zur Krankenversicherung nach dem GSVG für die Zeit vom 1. April 2001 bis 31. Dezember 2001 in Höhe von EUR 304,53, für die Zeit vom 1. Jänner 2002 bis 31. Dezember 2002 in Höhe von EUR 309,66, für die Zeit vom 1. Jänner 2003 bis 30. November 2003 in Höhe von vorläufig EUR 316,02 und für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2003 in Höhe von vorläufig EUR 348,88 zu bezahlen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer unterliege auf Grund seiner Funktion als geschäftsführender Gesellschafter der wirtschaftskammerzugehörigen H-GmbH seit 1. Juli 1994 der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG. Weiters sei der Beschwerdeführer auf Grund seiner Funktion als Mitglied der Gemeindevertretung in B. vom 1. April 2001 bis 2. November 2003 der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem B-KUVG unterlegen und "in weiterer Folge" seit 3. November 2003 bei der Krankenfürsorge für oberösterreichische Gemeindebedienstete (KFG) krankenversichert bzw. anspruchsberechtigt. Da der Beschwerdeführer auf Grund seiner Funktion als geschäftsführender Gesellschafter der H-GesmbH bereits vor dem 1. Jänner 2000 der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG unterlegen sei und ab diesem Zeitpunkt (bzw. ab 1. April 2001) "neu" in die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem B-KUVG bzw. später nach den Bestimmungen der KFG und nicht nach dem GSVG einbezogen worden sei, sei die in der Aufhebung der Ausnahme von der gewerblichen Krankenversicherung begründete "Zehntelregelung" nach § 274 Abs. 4 GSVG nicht anzuwenden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Einspruch. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass zunächst bei der Vorschreibung der Krankenversicherungsbeiträge die "Zehntelregelung" gemäß § 274 Abs. 4 GSVG zur Anwendung gelangt sei. Mit dem Bescheid vom 1. April 2004 sei die für die Zeit vom 1. April 2001 bis 31. Dezember 2003 angewandte "Zehntelbegünstigung" storniert und die Krankenversicherungsbeiträge für diesen Zeitraum ohne Anwendung der "Zehntelregelung" festgesetzt worden. Dies ergebe eine erhebliche und unzumutbare Mehrbelastung. Die rückwirkende Stornierung der Begünstigung widerspreche auch dem Grundsatz von Treu und Glauben. Die "Zehntelregelung" sei daher weiterhin anzuwenden.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, § 274 Abs. 4 GSVG gelte nur für Versicherte, die ab 1. Jänner 2000 neu in die Pflichtversicherung nach dem GSVG aufgenommen worden seien. Da der Beschwerdeführer jedoch bereits seit dem 1. Juli 1994 nach dem GSVG pflichtversichert sei, könne die "Zehntelregelung" auf ihn nicht angewendet werden. Im Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Grundsatz von Treu und Glauben verwies die belangte Behörde in der Bescheidbegründung auf die Verjährungsbestimmungen des § 40 Abs. 1 GSVG. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt sei demgemäß berechtigt gewesen, rückwirkend ab 1. April 2001 (geänderte) monatliche Krankenversicherungsbeiträge mit Bescheid vorzuschreiben, da die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 6. Oktober 2004, B 1158/04, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und begehrte Kostenersatz für den Vorlageaufwand.
Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich strittig, ob im vorliegenden Fall die "Zehntelregelung" gemäß § 274 Abs. 4 GSVG anzuwenden ist.
§ 274 Abs. 4 GSVG in der Fassung BGBl. I Nr. 139/1997 hat folgenden Wortlaut:
"(4) Versicherte gemäß § 2 Abs. 1, die ab 1. Jänner 2000
durch die Aufhebung des § 4 Abs. 2 Z 1, 3 bis 5, 7 und 8 der
Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach diesem
Bundesgesetz unterliegen, haben in der Krankenversicherung im Jahre
2000 ........................ ein Zehntel
2001 ........................ zwei Zehntel
2002 ........................ drei Zehntel
2003 ........................ vier Zehntel
2004 ........................ fünf Zehntel
2005 ........................ sechs Zehntel
2006 ........................ sieben Zehntel
2007 ........................ acht Zehntel
2008 ........................ neun Zehntel
der Beiträge gemäß den §§ 27 Abs. 1 Z 1 und 27a zu entrichten."
§ 4 Abs. 2 GSVG in der bis 31. Dezember 1999 geltenden Fassung hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"(2) Von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung sind überdies ausgenommen:
...
4. Personen, die nach § 1 Abs. 1 Z 1 bis 7 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes in der Krankenversicherung pflichtversichert sind, oder die Mitgliedschaft zu einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlich-rechtlichen Dienstgebers besitzen;
..."
§ 1 Abs. 1 B-KUVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 10/1999 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"§ 1. (1) In der Kranken- und Unfallversicherung sind, sofern nicht eine Ausnahme nach den §§ 2 oder 3 gegeben ist, versichert:
1. die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, einem Bundesland, einem Gemeindeverband oder einer Gemeinde stehenden Dienstnehmer, soweit nicht nach ihren dienstrechtlichen Vorschriften der Entfall ihrer Dienstbezüge wegen Übernahme einer Funktion nach dem Bundesbezügegesetz, BGBl. I Nr. 64/1997, oder einem bezügerechtlichen Landesgesetz oder als Mitglied der Kommission der Europäischen Union oder wegen Ernennung zum Mitglied des Verfassungsgerichtshofes vorgesehen ist;
2. die Dienstnehmer von öffentlichen Fonds, Stiftungen, Anstalten und Betrieben, die von einer der in Z 1 angeführten Körperschaften verwaltet werden, ferner die Dienstnehmer des Dorotheums, alle diese, wenn
a) sie in einem öffentlich-rechtlichen oder in einem unkündbaren privatrechtlichen Dienstverhältnis oder im Vorbereitungsdienst für ein unkündbares privatrechtliches Dienstverhältnis stehen, der bei Erfüllung der vorgeschriebenen Voraussetzungen den Anspruch auf Übernahme in das unkündbare Dienstverhältnis begründet, und
b) ihnen aus diesem Dienstverhältnis die Anwartschaft auf Ruhe(Versorgungs)bezüge - im Falle des Vorbereitungsdienstes spätestens mit Ablauf dieses Dienstes - zusteht;
3. die Dienstnehmer, auf deren Dienstverhältnis das Bundestheaterpensionsgesetz, BGBl. Nr. 159/1958, Anwendung findet;
4. die Dienstnehmer, denen auf Grund ihres Dienstverhältnisses zur Österreichischen Nationalbank ausschließlich gegen diese Anwartschaftsrechte auf Ruhe- und Hinterbliebenenversorgung (Pension) zustehen;
5. die unkündbaren Dienstnehmer der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter;
6. die Versicherungsvertreter in den Verwaltungskörpern der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter sowie die Mitglieder des Beirates gemäß den §§ 149a ff.;
7. solange sie ihren Wohnsitz im Inland haben,
a) Personen, die auf Grund eines der in Z 1 bis 5 bezeichneten Dienstverhältnisse einen Ruhe- oder Versorgungsbezug, einen Übergangsbeitrag, ein Versorgungsgeld oder einen Unterhaltsbezug im Sinne der Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340/1965, oder gleichartiger Bestimmungen erhalten,
b) Personen, die von einem der in Z 1 bis 5 genannten Dienstgeber einen außerordentlichen Versorgungsgenuß beziehen;
8. die Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates und die von Österreich entsandten Mitglieder des Europäischen Parlaments;
9. der Bundespräsident, die Mitglieder der Bundesregierung, die Staatssekretäre, der Präsident sowie der Vizepräsident des Rechnungshofes und die Mitglieder der Volksanwaltschaft;
10. a) die Mitglieder der Landtage und der Landesregierungen, die Landesrechnungshofdirektoren und ihre Stellvertreter sowie
b) die Bürgermeister und die übrigen Mitglieder der Gemeindevertretungen sowie die Ortsvorsteher (Ortsvertreter), sofern sie nicht Mitglieder der Gemeindevertretung sind;
..."
§ 2 B-KUVG in der bis 31. Dezember 1999 geltenden Fassung
hatte auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Ausnahmen von der Krankenversicherung
§ 2. (1) Von der Krankenversicherung sind - unbeachtet der Bestimmung des Abs. 2 - ausgenommen:
...
5. die in § 1 Abs. 1 Z. 8, 9, 10 lit. a 11 und 12 genannten Personen, sofern sie nach anderer gesetzlicher Bestimmung in der Krankenversicherung pflichtversichert sind, und die in § 1 Abs. 1 Z. 10 lit. b genannten Personen soweit es sich nicht um Bürgermeister und Mitglieder eines Stadtsenates oder eines Gemeindevorstandes (Stadtrates) - ausgenommen Wien - handelt, die für die Dauer dieser Funktion als öffentlich-rechtliche Bedienstete im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 außer Dienst gestellt sind;
..."
Die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 1 Z 5 B-KUVG wurde mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2000 mit der Novelle BGBl. I Nr. 139/1997 aufgehoben.
Wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 274 Abs. 4 GSVG ergibt, kommt die "Zehntelregelung" nur Versicherten zugute, die ab 1. Jänner 2000 durch die Aufhebung des § 4 Abs. 2 Z 1, 3 bis 5, 7 und 8 GSVG der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem GSVG unterliegen. Dies trifft aber auf den Beschwerdeführer hinsichtlich keiner seiner Tätigkeiten zu, auch nicht hinsichtlich jener als Mitglied einer Gemeindevertretung, da die für ihn diesbezüglich vormals geltende Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung bis zum 31. Dezember 1999 nicht durch § 4 Abs. 2 GSVG, sondern durch § 2 Abs. 1 Z 5 B-KUVG und auch nur für das B-KUVG gegeben war. § 4 Abs. 2 Z 4 GSVG in der vor dem 1. Jänner 2000 geltenden Fassung bezog sich nämlich ausdrücklich nur auf Personen, die nach § 1 Abs. 1 Z 1 bis 7 B-KUVG in der Krankenversicherung pflichtversichert waren. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Mitglied einer Gemeindevertretung fiel aber unter § 1 Abs. 1 Z 10 B-KUVG. Schon im Hinblick darauf kann die "Zehntelregelung" des § 274 Abs. 4 GSVG im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden.
Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer nicht bestritten, dass er schon vor dem 1. Jänner 2000 der Krankenversicherung nach dem GSVG unterlegen ist. Auch im Hinblick darauf kommt eine Heranziehung des § 274 Abs. 4 GSVG nicht in Frage. Wie der Verfassungsgerichtshof im zitierten Beschluss vom 6. Oktober 2004 ausgeführt hat, wäre eine Verschiedenbehandlung von Personen, die schon bisher der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterlagen, und solchen, die vordem kraft Subsidiarität (§ 4 Abs. 2 GSVG) ausgenommen waren und nun erstmals in die Versicherung einbezogen wurden, nicht unsachlich. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag keine Unsachlichkeit der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat u. a. in seiner Entscheidung vom 2. September 2004, Hofbauer gegen Österreich, unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung dargelegt, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung erfüllt wären, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft. Der EGMR verwies im erwähnten Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist im vorliegenden Zusammenhang geklärt. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. September 2005
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