VwGH 2004/06/0194

VwGH2004/06/019430.5.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. der Mag. EW und 2. des CL, beide in G, beide vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 13. Oktober 2004, GZ. 026713/2004/0006, betreffend Beseitigungsauftrag gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG (mitbeteiligte Partei: GK in G, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Kaiser-Franz-Josef Kai 70), zu Recht erkannt:

Normen

BauG Stmk 1995 §19 Z1;
BauG Stmk 1995 §21 Abs2 Z1;
BauG Stmk 1995 §4 Z44;
BauG Stmk 1995 §4 Z56;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BauG Stmk 1995 §19 Z1;
BauG Stmk 1995 §21 Abs2 Z1;
BauG Stmk 1995 §4 Z44;
BauG Stmk 1995 §4 Z56;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 2. Juli 2004 erteilte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz den Beschwerdeführern den Auftrag, die auf ihrer Liegenschaft Nr. 2345/3, KG J., erneuerte westliche Giebelwand aus Hohlblockziegel in einem Abstand von 2,88 m zur Nachbargrundgrenze (Grundstück Nr. 2344/2) und einem Abstand von 2,55 m zur Nachbargrundgrenze (Grundstück Nr. 2341/3) binnen acht Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Diese Entscheidung wurde damit begründet, von der Baubehörde sei festgestellt worden, dass die im Spruch angeführte Giebelwand ohne baubehördliche Bewilligung ausgeführt worden sei. Diese Maßnahme stelle gemäß § 20 Z. 1 Stmk. BauG grundsätzlich ein anzeigepflichtiges Vorhaben dar und sei auf Grund des "Fehlens dieser Bewilligung" daher vorschriftswidrig ausgeführt worden.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Die belangte Behörde begründete dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Giebelwand um eine bauliche Anlage handle, zu deren Herstellung ein gewisses Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich sei. Für diese liege jedoch die erforderliche Bewilligung nicht vor. Alleine darauf werde der Beseitigungsauftrag gestützt. Zum Vorbringen, dass die Erneuerung der Giebelwand an dem selben Ort und in der selben Stärke auf dem sanierten alten Fundament, an das bestehende Mauerwerk anschließend und in das vorhandene Dach einbindend, wieder errichtet worden sei, sei festzuhalten, dass sich an der Bewilligungspflicht der durchgeführten Maßnahmen auch dann nichts ändere, wenn es sich um sogenannte Sicherungsmaßnahmen handle. Vielmehr sei ein allenfalls bestehender Konsens durch den Abbruch der Mauer untergegangen und die Neuerrichtung bedürfe somit einer Bewilligung nach dem Stmk. BauG.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 41 Abs. 1 und 3 Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk. BauG) i.d.F. LGBl. Nr. 78/2003, sehen Folgendes vor:

"(1) Die Behörde hat die Baueinstellung zu verfügen, wenn Vorhaben gegen Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßen, insbesondere wenn

  1. 1. bewilligungspflichtige Vorhaben ohne Bewilligung,
  2. 2. anzeigepflichtige Vorhaben ohne Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 6 oder

    3. baubewilligungsfreie Vorhaben nicht im Sinne dieses Gesetzes ausgeführt werden.

(2) ...

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen."

Gemäß § 4 Z. 44 Stmk. BauG ist ein Neubau die Herstellung einer neuen baulichen Anlage, die keinen Zu- oder Umbau darstellt. Ein Neubau liegt auch dann vor, wenn nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wiederverwendet werden.

Gemäß § 4 Z. 56 Stmk. BauG ist unter einem Umbau die Umgestaltung des Inneren oder Äußeren einer bestehenden baulichen Anlage, die die äußeren Abmessungen nicht verändert, jedoch geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren (z.B. Brandschutz, Standsicherheit, äußeres Erscheinungsbild), bei überwiegender Erhaltung der Bausubstanz zu verstehen.

Gemäß § 4 Z. 61 leg. cit. ist ein Zubau die Vergrößerung einer bestehenden baulichen Anlage der Höhe, Länge oder Breite nach bis zur Verdoppelung der bisherigen Geschoßflächen.

Gemäß § 19 Z. 1 Stmk. BauG sind folgende Vorhaben, sofern sich aus den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt, bewilligungspflichtig:

"1. Neu-, Zu- und Umbauten von baulichen Anlagen".

Gemäß § 21 Abs. 2 Z. 1 Stmk. BauG ist der Umbau einer baulichen Anlage oder Wohnung, der keine Änderung der äußeren Gestaltung bewirkt, bewilligungsfrei.

Die Beschwerdeführer machen geltend, dass die westliche Giebelwand des verfahrensgegenständlichen Gebäudes S-Gasse 10 als Teil dieses Bauwerkes seit dem Jahr 1932 bestehe und diese Giebelwand seit dem Jahr 1932 weniger als 3 m vom Nachbargrund entfernt situiert sei. Die Beschwerdeführer hätten dieses Gebäude käuflich erworben und schließlich im August 1988 um Baugenehmigung für einige Um- und Zubauten angesucht (u.a. für zwei Fenster, die in der Westwand eingebaut werden sollten). Dieses Ansuchen sei schließlich bewilligt worden und die Beschwerdeführer hätten im Sommer 1995 mit dem Durchbruch für die Fensteröffnungen in der westlichen Giebelwand begonnen. Im Zuge dieser Arbeiten hätten die Beschwerdeführer festgestellt, dass zwischen den Vollziegeln Steine und zerbrochene Dachziegel vorhanden gewesen seien und der Mörtel wie zusammengepresster Sand aus den Fugen gebröselt sei. Nachdem zu erkennen gewesen sei, dass die ganze Mauer rissig gewesen sei und das Fundament in der Mitte der Westwand nachgegeben habe und zerbröckelt sei, hätten die Beschwerdeführer die Westwand erneuert. Die Mauer sei am selben Ort und in der selben Stärke auf dem sanierten alten Fundament an das bestehende Mauerwerk anschließend und in das vorhandene Dach einbindend, mit zwei Fenstern wieder errichtet worden. Die belangte Behörde gehe zwar davon aus, dass eine Erneuerung einer bereits bestehenden Wand vorliege, meine aber rechtsirrigerweise, dass ein allenfalls bestehender Konsens durch den Abbruch der Mauer untergegangen sei und die Neuerrichtung somit einer Bewilligung nach dem Stmk. BauG bedürfte. Eine Außenwand eines Gebäudes könne nach Ansicht der Beschwerdeführer für sich allein schon logischerweise keine bauliche Anlage darstellen. Die verfahrensgegenständliche Westwand sei aber bereits in dieser Form und dieser Stärke an der selben Stelle als Teil des Gebäudes S-Gasse 10 seit dem Jahr 1932 so errichtet worden und für dieses Gebäude liege auch die entsprechende Baubewilligung vor. Selbst wenn keine Baubewilligung vorläge, müsste vom rechtmäßigen Bestand gemäß § 40 Abs. 1 Stmk. BauG ausgegangen werden. Allein durch ein Ersetzen einer Außenwand an einem Gebäude könne kein Konsens für das gesamte Gebäude untergehen. Diese Rechtsansicht der belangten Behörde sei unzutreffend, da ein bestehender Konsens nicht für Teile eines Bauwerkes alleine untergehen könne.

Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass nach Ansicht der belangten Behörde ein bewilligungspflichtiger Neubau gegeben sei. Nach § 21 Abs. 2 Stmk. BauG sei u.a. auch der Umbau einer baulichen Anlage oder Wohnung bewilligungsfrei, der keine Änderung der äußeren Gestaltung bewirkt. Die verfahrensgegenständliche Errichtung der Westwand habe die äußere Gestaltung des Gebäudes nicht verändert. Es liege daher ein bewilligungsfreier Umbau im Sinne des § 21 Abs. 2 Stmk. BauG vor.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Nach dem wiedergegebenen § 4 Z. 44 Stmk. BauG liegt ein Neubau auch dann vor, wenn nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wiederverwendet werden. Daraus wurde in der hg. Judikatur abgeleitet, dass nach einem erfolgten weitgehenden Abbruch des bestehenden Gebäudes der Konsens für dieses untergeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 2004, Zl. 2001/06/0124). Im Gegensatz dazu kann im vorliegenden Fall auf Grund des Abtragens der sich als brüchig erweisenden westseitigen Giebelwand nicht davon die Rede sein, dass ein solcher weitgehender Abbruch des bestehenden Gebäudes bzw. eine Abtragung des Gebäudes im Sinne des § 4 Z. 44 Stmk. BauG vorgenommen wurde. Eine für das Gebäude allenfalls vorliegende Baubewilligung (einschließlich der einen untrennbaren Teil bildenden westlichen Giebelwand dieses Gebäudes) wäre daher durch diese bauliche Maßnahme - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht untergegangen.

Im Rahmen des Stmk. BauG ist allerdings weiters zu beachten, dass sich die Bewilligungspflicht von - auch an sich bewilligungsfreien - Sanierungsarbeiten aus der Regelung betreffend die Bewilligungspflicht von Umbauten (unter Berücksichtigung der Ausnahme gemäß § 21 Abs. 2 Z. 1 Stmk. BauG) ergibt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 97/06/0223, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 28. Juni 1990, Zl. 90/06/0045, zur Stmk. BauO 1968). Die Behörden haben sich in diesem Zusammenhang schon nicht mit der im vorliegenden Fall zunächst entscheidenden Frage auseinander gesetzt, ob die verfahrensgegenständliche bauliche Maßnahme der Wiederrichtung der westlichen Giebelwand des verfahrensgegenständlichen Gebäudes als ein bewilligungsfreier Umbau im Sinne des § 21 Abs. 2 Z. 1 Stmk. BauG zu qualifizieren ist. In diesem Zusammenhang ist die Frage maßgeblich, ob diese Wiedererrichtung der westlichen Giebelwand keine Veränderung der äußeren Gestaltung dieser nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer im Rahmen der Baubewilligung für das Gebäude u.a. entsprechend errichteten Gebäudewand bewirkt hat.

Der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift, dass jedenfalls kein bewilligungsfreier Umbau angenommen werden könne, weil nach der Definition eines Umbaues in § 4 Z. 56 Stmk. BauG die äußeren Abmessungen einer bestehenden baulichen Anlage dabei nicht verändert werden dürften, der Abbruch einer Außenmauer aber die äußeren Abmessungen verändere, auch wenn diese in der Folge wieder errichtet werde, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Nach der Definition eines Umbaues in § 4 Z. 56 Stmk. BauG liegt u. a. ein Umbau vor, wenn das Innere oder Äußere einer bestehenden baulichen Anlage umgestaltet wird und die äußeren Abmessungen der baulichen Anlage nicht verändert werden. In diesem Sinne stellt der Abbruch einer Wand eines Gebäudes und ihre Wiederrichtung an der selben Stelle (also unter Einhaltung der bisherigen äußeren Abmessungen in diesem Bereich) eine Umgestaltung des Äußeren einer baulichen Anlage gemäß dieser Bestimmung dar. Der Umstand, dass im Zuge des Umbaues nach dem Abbruch der Außenmauer die äußeren Abmessungen der baulichen Anlage in diesem Bereich vorübergehend verändert sind, ist nicht maßgeblich, da allein die Bautätigkeit (hier der Abbruch und die Wiedererrichtung der Gebäudewand) nicht Gegenstand der Regelung des § 21 Abs. 2 Z. 1 Stmk. BauG ist. Beim Abbruch einer Außenwand eines Gebäudes und ihrer Wiedererrichtung wird auch das weitere Kriterium eines Umbaues gemäß § 4 Z. 56 Stmk. BauG erfüllt, dass die Bausubstanz des Gebäudes als der von dem Umbau betroffenen baulichen Anlage überwiegend erhalten bleibt.

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid, in dem die verfahrensgegenständliche westliche Giebelwand, da ohne Baubewilligung errichtet, als vorschriftswidrige bauliche Anlage gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG beurteilt wurde, daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Angemerkt wird, dass es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshof zulässig wäre, im Zuge der Wiedererrichtung einer Außenmauer eines bewilligten Gebäudes auch eine weitere bereits rechtskräftig bewilligte Abänderung dieser Außenmauer zu realisieren, ohne dass dies für das Kriterium der Nichtveränderung der äußeren Gestaltung im Sinne des § 21 Abs. 2 Z. 1 Stmk. BauG von Bedeutung wäre.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. Mai 2006

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