VwGH 2004/06/0058

VwGH2004/06/005831.1.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des J W in V, vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stainerstraße 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. Februar 2004, Zl. Ve1- 8-1/85-3, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. S W W Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Kurz & Götsch, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kaiser-Josefstraße 13; 2. Gemeinde Volders, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Tir 2001 §25;
BauO Tir 2001 §40 Abs1 idF 2003/089;
BauO Tir 2001 §40 Abs3 idF 2003/089;
BauO Tir 2001 §41 idF 2003/089;
BauRallg;
AVG §8;
BauO Tir 2001 §25;
BauO Tir 2001 §40 Abs1 idF 2003/089;
BauO Tir 2001 §40 Abs3 idF 2003/089;
BauO Tir 2001 §41 idF 2003/089;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden kurz: Bauwerber) beantragte mit der am 2. Juni 2003 beim Gemeindeamt der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Eingabe vom 28. Mai 2003 die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohngebäudes mit neun Wohnungen und einer Tiefgarage und den Abbruch des bestehenden Wohnhauses auf einem näher bezeichneten Grundstück im Gemeindegebiet.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde erteilte mit Bescheid vom 12. Juni 2003 die Bewilligung für den Abbruch des bestehenden Wohngebäudes unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nicht zugestellt.

Der Beschwerdeführer erhob vor und in der mündlichen Verhandlung vom 4. Juni 2003 Einwendungen gegen das Bauvorhaben. Er brachte - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung - vor, die auf einer näher bezeichneten Grundparzelle (Anmerkung: der Beschwerdeführer ist nicht grundbücherlicher Eigentümer dieser Grundparzelle) befindliche Linde sei zum Naturdenkmal erklärt worden und genieße daher den Schutz des Tiroler Naturschutzgesetzes. Im Zusammenhalt mit dem unter einem vorgelegten Schreiben des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 22. April 2002 ergebe sich, dass Gefährdungen des gegenständlichen Naturdenkmales im Zuge von Baumaßnahmen nur dann vermieden werden könnten, wenn bei Grabungsarbeiten ein (Mindest-)Abstand von 14 m vom Stamm weg gemessen eingehalten werde. Nach den Bauunterlagen werde durch die Grabungsarbeiten und Baumaßnahmen dieser Mindestabstand verletzt und insoweit nicht eingehalten. Er beantrage daher, dem Bauvorhaben die Genehmigung zu versagen, in eventu, dem Bauwerber eine Sicherheitsleistung in Form des Erlages einer Kaution aufzuerlegen, die dazu dienen solle, Gefährdungen und damit letztendlich Zerstörungen des Naturdenkmales hinanzuhalten. Im Übrigen sei auch entgegen dem Auftrag in der Kundmachung das Bauvorhaben nicht ausgesteckt worden, sodass die Lage und die Abstände zu den Nachbarparzellen nicht überprüft werden könnten.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde erteilte mit Bescheid vom 26. August 2003 gemäß § 26 Abs. 6 und 7 TBO 2001 die baubehördliche Bewilligung für das Bauvorhaben nach Maßgabe der Planunterlagen unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen und wies die Einwendungen (u.a.) des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Dazu führte er aus, der Beschwerdeführer sei als Eigentümer näher bezeichneter Grundstücke mit einem Abstand von 5,50 m bzw. 5,00 m nur berechtigt, Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit eine Immissionsschutz verbunden sei, und Bestimmungen über den Brandschutz geltend zu machen. Die Einwendungen im Zusammenhang mit der behaupteten Gefährdung des Naturdenkmales seien abzuweisen, weil laut näher angeführtem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Umweltreferat, für den Erhalt der wichtigsten Lebensfunktionen sowie der Standsicherheit der Linde ein Sicherheitsabstand von insgesamt 12 m ab Stamm vorzusehen sei, der laut Planeingabe eingehalten werde. Zum Vorbringen, das Bauvorhaben sei zur Bauverhandlung nicht ausgepflockt worden, werde darauf verwiesen, dass noch während der Bauverhandlung ein Vermesser im Auftrag des Bauwerbers dieser Verpflichtung nachgekommen sei und die Nachbarn die Lage und die Größe des Bauvorhabens innerhalb des Bauplatzes überprüfen hätten können.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies mit Bescheid vom 14. Oktober 2003 die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und führte dazu aus, das Bauvorhaben und das naturschutzrechtliche Verfahren seien zwei voneinander getrennte Verfahren. Die Einwendungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Naturdenkmales, aber auch hinsichtlich der Erlegung einer Kaution seien nicht in der Bauordnung begründet und wären richtigerweise von der Baubehörde erster Instanz zurückzuweisen gewesen. Dass diese Einwendungen ab- und nicht zurückgewiesen worden seien, ändere jedoch grundsätzlich nichts an der Richtigkeit des Bescheides. Soweit der Beschwerdeführer nunmehr die Verletzung von Abstandsvorschriften behaupte, unterlasse er es, diese konkret darzulegen. Im Übrigen lägen die Grundstücke des Beschwerdeführers außerhalb des in der TBO 2001 normierten Abstandes von 5 m zum Bauplatz, sodass er gar nicht berechtigt sei, angebliche Verletzungen von Abstandsvorschriften geltend zu machen.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. Februar 2004 die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und begründete dies nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen damit, der Beschwerdeführer sei als Eigentümer von Grundstücken, die zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 15 m, nicht jedoch innerhalb eines Abstandes von 5 m zum verfahrensgegenständlichen Grundstück lägen, zur Geltendmachung von Nachbarrechten nur im Bezug auf die Einhaltung von Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden sei, sowie die Einhaltung brandschutzrechtlicher Bestimmungen berechtigt. Er habe die Nichteinhaltung weder von Festlegungen des Flächenwidmungsplanes noch von brandschutzrechtlichen Bestimmungen geltend gemacht. Das Nichtvorliegen eines rechtskräftigen naturschutzrechtlichen Bescheides stehe grundsätzlich der Erlassung eines Baubescheides nicht entgegen. Eine dem widersprechende Bestimmung sei der Tiroler Bauordnung nicht zu entnehmen. Die im vorliegenden Fall vorgenommene Erlassung eines separaten, dem Vorstellungswerber nicht zugestellten Abbruchbescheides stehe zwar im Widerspruch zu § 40 Abs. 3 TBO 2001, doch sei daraus noch keine Verletzung von im gegenständlichen Bauverfahren gesetzlich zulässigen Nachbarrechten abzuleiten. Der Beschwerdeführer sei durch die Erlassung eines separaten Abbruchbescheides tatsächlich nicht schlechter gestellt als bei einer Absprache im Baubewilligungsbescheid, weil er als Nachbar nicht legitimiert sei, Einwendungen gegen den Abbruch zu erheben. Dass im Spruch des Abbruchbescheides statt § 40 fälschlich § 41 TBO 2001 zitiert worden sei, könne mangels Beeinträchtigung von im Verfahren zulässigen Nachbarrechten zu keinem anders lautenden Ergebnis führen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei - die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren jedenfalls insoweit beschränkt, als ihm nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen.

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 89/2003 anzuwenden.

§ 24 Abs. 8 TBO 2001 lautet:

"(8) Wenn ein Gebäude vom umgebenden Baubestand erheblich abweicht oder wenn die Beurteilung der Auswirkungen eines Gebäudes auf das Orts-, Straßen- oder Landschaftsbild sonst nicht möglich ist, kann die Behörde dem Bauwerber auftragen, für die Bauverhandlung die Umrisse des Gebäudes in der Natur darzustellen."

§ 25 Abs. 1 bis 4 TBO 2001 lautet:

"(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber und die Nachbarn.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke, die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen. Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

  1. b) der Bestimmungen über den Brandschutz;
  2. c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;

    d) der Abstandsbestimmungen des § 6.

(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen."

§ 40 Abs. 1 und 3 TBO 2001 lautet:

"(1) Der Abbruch von Gebäuden oder Gebäudeteilen ist der Behörde anzuzeigen.

...

(3) Steht der Abbruch eines Gebäudes oder Gebäudeteiles im Zusammenhang mit einem bewilligungspflichtigen Bauvorhaben, so kann anstelle der Anzeige im Bauansuchen auch um die Erteilung der Bewilligung für den Abbruch des betreffenden Gebäudes oder Gebäudeteiles angesucht werden. In diesem Fall ist über die Zulässigkeit des Abbruchs in der Baubewilligung zu entscheiden. Dabei ist abweichend vom Abs. 2 der Abbruch eines Gebäudeteiles zulässig, wenn er mit Baumaßnahmen im Zusammenhang steht, die auf die Erhaltung charakteristischer bzw. aus landeskultureller Sicht wichtiger Bauelemente Bedacht nehmen und der Festigung der verbleibenden Bausubstanz dienen."

Der Beschwerdeführer erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, dass der Abbruch des auf der gegenständlichen Baufläche sich befindlichen Gebäudes mit separatem Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde bewilligt und darüber nicht in der Baubewilligung entschieden wurde. Dadurch sei seine Rechtsstellung beeinträchtigt worden, weil durch die unterlassene Zustellung des Abbruchbescheides eine Verkürzung seiner Parteirechte und darüber hinaus auch eine unrichtige Anwendung des § 40 Abs. 3 TBO 2001 vorliege. Auch sei im Spruch des Abbruchbescheides unrichtig § 41 statt § 40 TBO 2001 zitiert worden.

Der Abbruch von Gebäuden und Gebäudeteilen ist gemäß § 40 Abs. 1 TBO 2001 der Behörde anzuzeigen. Soll anstelle des abzubrechenden Gebäudes wieder ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben errichtet werden, sieht § 40 Abs. 3 leg. cit. vor, dass von der Abbruchanzeige abgesehen und stattdessen im Bauansuchen auch um die Abbruchbewilligung angesucht werden kann. Die Baubehörde hat dann in der Baubewilligung auch über die Zulässigkeit des Abbruchs zu entscheiden. Die Entscheidung darüber, ob das Abbruchverfahren und das Bauverfahren auf die beschriebene Weise verbunden werden, liegt ausschließlich beim Bauwerber. Diesem bleibt es unbenommen, den Abbruch der Behörde nach § 41 anzuzeigen und gesondert um die Baubewilligung für das damit zusammenhängende Bauvorhaben anzusuchen. Damit begibt er sich aber der privilegierenden Bestimmung des § 40 Abs. 3 dritter Satz TBO 2001.

Die belangte Behörde räumt im angefochtenen Bescheid ein, dass die im Beschwerdefall erfolgte Erlassung eines separaten, dem Beschwerdeführer nicht zugestellten Abbruchbescheides im Widerspruch zu § 40 Abs. 3 TBO 2001 stehe, weil der Bauwerber im Bauansuchen auch um die Erteilung der Bewilligung für den Abbruch des betreffenden Gebäudes angesucht habe. Der belangten Behörde ist jedoch nicht entgegen zu treten, wenn sie die Ansicht vertritt, dadurch sei der Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzt, hat doch in dem mit Anzeige eingeleiteten Abbruchverfahren gemäß § 40 TBO 2001 der Nachbar keine Parteistellung. Diese wird auch nicht dadurch begründet, dass der Bauwerber gemäß § 40 Abs. 3 leg. cit. im Bauansuchen auch um die Abbruchbewilligung ansuchen kann. Die Entscheidung über die Zulässigkeit des Abbruchs in der Baubewilligung begründet diesbezüglich kein Mitspracherecht des Nachbarn im Sinne des § 25 TBO 2001.

Soweit der Beschwerdeführer wiederum naturschutzrechtliche Fragen thematisiert, ist ihm zu entgegnen, dass er damit kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht geltend macht.

Auch mit dem Vorbringen, das Bauvorhaben sei erst im Rahmen der Bauverhandlung ausgepflockt worden und es sei ihm nicht möglich gewesen, die Lage und insbesondere die Größe des Bauvorhabens innerhalb des Bauplatzes zu überprüfen, zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf: Die diesbezügliche Verfahrensrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG sind nämlich für den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Überprüfung nur jene Verfahrensmängel relevant, bei deren Vermeidung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der Beschwerdeführer, der eine Verletzung von Verfahrensrechten geltend macht, hat darzulegen, was er vorgetragen hätte, wenn der Verfahrensmangel unterblieben wäre. Angesichts eines solchen Vorbringens ist es dem Verwaltungsgerichtshof erst möglich, die Frage zu beurteilen, ob die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im vorliegenden Fall führt der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels in diesem Sinn nicht näher aus (vgl. hiezu u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1997, Zl. 96/05/0299).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 31. Jänner 2008

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