VwGH 2004/04/0187

VwGH2004/04/018720.12.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. August 2004, Zl. Ge-420017/10-2004-Pö/Th, betreffend Vorverlegung der Sperrstunde (mitbeteiligte Partei: Gemeinde L, E-weg 1), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §113 Abs5;
GewO 1994 §113 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. August 2004 wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen die vom Gemeinderat der Gemeinde L im Instanzenzug verfügte Vorverlegung der Sperrstunde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Gemeinderat habe in Bestätigung des erstbehördlichen Bescheides die Sperrstunde für das näher beschriebene Tanzlokal des Beschwerdeführers von 04.00 Uhr auf 02.00 Uhr vorverlegt. Durch diesen Bescheid würden Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt. Zwar sei ihm beizupflichten, dass das Vorliegen von unzumutbaren Belästigungen der Nachbarschaft durch wiederholtes nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage eines Gastgewerbebetriebes durch ein Lärmgutachten und darauf aufbauende Feststellungen eines medizinischen Sachverständigen belegt werden müsste, dass im vorliegenden Fall jedoch weder ein technischer noch ein medizinischer Sachverständiger beigezogen worden sei. Allerdings habe sich der Bescheid des Gemeinderates zu Recht auf das Vorliegen sicherheitspolizeilicher Bedenken stützen können. Der Beschwerdeführer behaupte zwar, es lägen keine ausreichenden Ermittlungen zur Feststellung konkreter Bedenken vor. Ihm sei jedoch zu entgegnen, dass allein in den Jahren 2003 und 2004 vom Gendarmerieposten S 13 Anzeigen wegen Störung der öffentlichen Ordnung (§ 81 Sicherheitspolizeigesetz), 12 Anzeigen wegen Körperverletzung (§ 83 StGB), 4 Anzeigen wegen Sachbeschädigung (§ 125 StGB), 1 Anzeige wegen schwerer Sachbeschädigung (§ 126 StGB) und 4 Anzeigen wegen Diebstahls (§ 127 StGB) erstattet worden seien, die alle mit dem Tanzcafe des Beschwerdeführers bzw. mit Gästen dieses Lokals in Verbindung gestanden seien. Es sei auch zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer wegen Sperrzeitüberschreitungen an im Einzelnen genannten Tagen innerhalb von zwei Jahren 11 mal mit insgesamt EUR 2.586,-- bestraft worden sei. Solcherart lägen ausreichend objektive Fakten vor, durch welche die von den Anrainern seit 1997 vorgebrachten Beschwerden untermauert würden. Auf Grund der Vielzahl der bereits vorliegenden strafbaren Handlungen müsse vom Vorliegen begründeter sicherheitspolizeilicher Bedenken ausgegangen werden. Zwar sei, wie dem Beschwerdeführer zuzugestehen sei, eine gänzliche Beseitigung der Missstände durch die Vorverlegung der Sperrstunde nicht zu erwarten und stelle sich freilich die Frage, inwieweit eine Verkürzung der Betriebszeit in Form der Vorverlegung der Sperrstunde überhaupt von Einfluss auf sicherheitspolizeiliche Bedenken sein könne. Dagegen könnte vorgebracht werden, dass eine Vorverlegung der Sperrstunde dieselben Gäste nicht von ihrem Vorhaben, die öffentliche Ordnung durch besonders rücksichtslosen Verhalten zu stören, abbringen, sondern lediglich den Zeitraum dieses unerwünschten Verhaltens in die früheren Nachtstunden vorverlegen würde. Dem sei aber zu entgegnen, dass ein früherer Betriebsschluss eine Verringerung der Zahl strafbarer Handlungen insoweit erwarten lasse, als anzunehmen sei, dass bei geringerem Konsum alkoholischer Getränke auch die Bereitschaft zu rücksichtslosem Verhalten zurückgehen werde. Wie aus den zahlreichen Feststellungen von Anrainern und Organen der öffentlichen Sicherheit zu ersehen sei, sei nämlich in der überwiegenden Anzahl der Fälle übermäßiger Alkoholkonsum der Auslöser für das inkriminierte Verhalten gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen zufolge durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Aufhebung der von der Gemeinde verfügten Vorverlegung der Sperrstunde verletzt. Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, es seien weder ausreichende Ermittlungen zur Feststellung der angeblichen Vandalenakte durchgeführt worden, noch könne diesen durch die Sperrstundenvorverlegung wirksam begegnet werden. Die Erstinstanz habe ihre Feststellungen betreffend die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht auf Grund von Beweisen, sondern auf Grund von Vermutungen getroffen. Im Übrigen hätten sämtliche Ereignisse vor dem 25. Juli 2001, an dem das "Problem Vandalismus" erstmals erwähnt worden sei, sich primär auf Lärmbelästigungen bezogen. Aus dem Gemeinderatssitzungsprotokoll vom 8. Mai 2003 gehe hervor, dass "bisher rund 50 größere und kleinere Beschädigungen an Straßenlaternen verursacht wurden, dass schon des Öfteren Vandalen Straßendeckel entfernt hatten und dass auch die Altstoffsammelinsel im Nahbereich des Lokals von randalierenden Lokalgästen mehrmals beschädigt wurde". Es gäbe allerdings keinen einzigen Nachweis, dass auch nur einer dieser Vandalenakte von einem Gast des Tanzcafes des Beschwerdeführers gesetzt worden sei. Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz oder gegen die Sperrstunde müssten von der Gewerbebehörde geahndet werden, sie könnten aber sicherheitspolizeiliche Bedenken nicht begründen. Auch die - bloß behauptete - Verwendung von Privatgrundstücken, Scheunen und dgl. durch Lokalgäste als Aborte oder für sexuelle Handlungen könnte ebenfalls keine sicherheitspolizeilichen Bedenken hervorrufen. Im Übrigen fänden sich die Ausführungen der belangten Behörde betreffend die in den Jahren 2003 und 2004 erstatteten Anzeigen erstmals im angefochtenen Bescheid. Sie seien dem Beschwerdeführer zuvor nicht zur Kenntnis gebracht worden, sodass er solcherart im Recht auf Parteiengehör verletzt sei. Davon abgesehen hätte die belangte Behörde überprüfen müssen, ob es auf Grund dieser Anzeigen zu einer gerichtlichen Verurteilung oder zumindest zu gerichtlichen Vorerhebungen gekommen sei. Schlüssige Ausführungen, warum eine Vorverlegung der Sperrstunde von 04.00 Uhr auf 02.00 Uhr geeignet sein solle, sicherheitspolizeilichen Bedenken wirksam zu begegnen, enthalte der angefochtene Bescheid gleichfalls nicht. Der Hinweis auf die dadurch verminderte Konsumation von Alkohol sei eine "Leerformel".

Gemäß § 113 Abs. 5 GewO 1994 hat die Gemeinde eine frühere Sperrstunde vorzuschreiben, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde, oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen.

Die Ermächtigung der Gemeinde zur Vorverlegung der Sperrstunde hat somit zur Voraussetzung, dass entweder das von Gästen, die einer bestimmten Betriebsanlage zuzurechnen sind, außerhalb dieser Betriebsanlage gesetzte Verhalten wiederholt zu einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn geführt hat, oder dass sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen (vgl. die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO2 (2003) S. 908 f, dargestellte Judikatur).

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, angesichts zahlreicher Anzeigen der Gendarmerie wegen Störung der öffentlichen Ordnung, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Diebstahls in den Jahren 2003 und 2004, die allesamt mit dem Gastgewerbebetrieb des Beschwerdeführers bzw. mit Gästen dieses Lokals in Verbindung gestanden seien und bei denen eine Alkoholisierung der beteiligten Personen eine nicht unerhebliche Rolle gespielt habe, bestünden sicherheitspolizeiliche Bedenken, die es angezeigt erscheinen ließen, die Sperrstunde von 04.00 Uhr auf 02.00 Uhr vorzuverlegen.

Nach der hg. Judikatur erfordert die Erfüllung des Tatbestandsmerkmales der "sicherheitspolizeilichen Bedenken" das Bestehen von durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen gedeckten konkreten Bedenken, aus deren Art sich schlüssig erkennen lässt, dass ihnen durch die Vorschreibung einer früheren Sperrstunde wirksam begegnet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2003/04/0080, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Was zunächst das Bestehen von in diesem Sinne konkreten Bedenken angeht, bringen sowohl Zahl als auch Beschaffenheit der angezeigten Vorfälle sicherheitspolizeiliche Missstände zum Ausdruck, die der Annahme sicherheitspolizeilicher Bedenken im Sinne des § 113 Abs. 5 GewO 1994 eine ausreichende Grundlage geben.

Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang zu Recht vor, Verstöße des Lokalbetreibers gegen das Jugendschutzgesetz oder gegen die Sperrzeitenregelungen seien gewerbebehördlich zu ahnden und könnten daher für sich keine sicherheitspolizeilichen Bedenken begründen. Er übersieht allerdings, dass die behördlichen Bedenken nicht auf Übertretungen jugendschutzrechtlicher Vorschriften gestützt wurden und dass auf Überschreitungen der Sperrzeitenregelungen lediglich hingewiesen ("nicht unerwähnt" gelassen) wurde. Begründet wurden die sicherheitspolizeilichen Bedenken mit Gendarmerieanzeigen über die während eines kurzen Zeitraumes in großer Zahl erfolgten Vorfälle (Störungen der öffentlichen Ordnung, Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Diebstähle).

Mit seinem Vorbringen, es sei nicht erwiesen, dass die "Vandalenakte" von Gästen seines Lokals gesetzt worden seien, zeigt der Beschwerdeführer nicht konkret auf, dass die in den erwähnten Anzeigen zum Ausdruck gebrachte Zuordnung der strafbaren Handlungen zu seinem Lokal bzw. zu seinen Gästen unzutreffend wäre. Soweit er jedoch vorbringt, es sei nicht überprüft worden, ob es auf Grund der erwähnten Anzeigen zu Verurteilungen oder zumindest zu gerichtlichen Vorerhebungen gekommen sei, ist ihm zu entgegnen, dass sicherheitspolizeiliche Bedenken nicht erst dann gerechtfertigt sind, wenn es zu Verurteilungen oder Vorerhebungen gekommen ist.

Auch mit der Rüge, die erwähnten Anzeigen seien ihm im Rahmen des Parteiengehörs nicht zur Kenntnis gebracht worden, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil er nicht zugleich auch vorgebracht hat, zu welchem im Ergebnis anders lautenden Bescheid die belangte Behörde bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels gelangt wäre.

Zur Frage, ob den sicherheitspolizeilichen Bedenken durch die Vorschreibung einer früheren Sperrstunde wirksam begegnet werden könne, liegt dem angefochtenen Bescheid die Auffassung zu Grunde, es könne dadurch strafbaren Handlungen in den frühen Morgenstunden, die durch übermäßigen Alkoholkonsum begünstigt würden, vorgebeugt werden. Diese Annahme ist vor dem Hintergrund des - von den Gemeindebehörden angesprochenen - "erhöhten Lokaltourismus" alkoholisierter Gäste in den frühen Morgenstunden nicht unschlüssig; die Relevanz einer Alkoholisierung der an den angezeigten Vorfällen beteiligten Personen bestreitet der Beschwerdeführer selbst nicht. Die bloße Behauptung jedoch, es handle sich bei den behördlichen Darlegungen um eine "Leerformel", ist nicht geeignet, die Annahme der belangten Behörde, eine Vorverlegung der Sperrstunde auf 02.00 Uhr sei eine taugliche Maßnahme, um den festgestellten sicherheitspolizeilichen Missständen wirksam zu begegnen, als rechtswidrig erscheinen zu lassen. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenbegehren der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Partei (Schriftsatzaufwand) war gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG, der auch für den Kostenersatzanspruch der mitbeteiligten Partei anzuwenden ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1998, Zl. 94/17/0385), abzuweisen.

Wien, am 20. Dezember 2005

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