VwGH 2004/02/0037

VwGH2004/02/003726.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des O(auch: AO) H in S, vertreten durch Dr. Michael, Dr. Robert und Dr. Bettina Pressl sowie Dr. Clemens Endl, Rechtsanwälte in Salzburg, Dreifaltigkeitsgasse 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 6. Mai 2002, Zl. UVS-3/12329/4-2002, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2 idF 1994/518;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs1 litb idF 1994/518;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
StVO 1960 §99;
StVONov 19te;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §20;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2 idF 1994/518;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs1 litb idF 1994/518;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
StVO 1960 §99;
StVONov 19te;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §20;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen.

Hingegen wird der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Strafbemessung einschließlich der Vorschreibung von Kosten des Berufungsverfahrens wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Mai 2002 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe sich am 4. Juli 2000 um 19.45 Uhr beim Objekt S.-Straße 45 trotz Aufforderung durch ein von der Behörde ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, die Atemluft auf Alkholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl der Verdacht bestanden habe, dass er sich beim vorhergehenden Lenken eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges von der Garagenausfahrt der Wohnsiedlung T.-Straße 23-43 bis zum Parkplatz der Wohnblöcke S.- Straße 44-46 in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach "§ 5 Abs. 2 letzter Satz StVO" begangen. Es wurde (unter "Reduzierung" der von der Erstbehörde verhängten Geldstrafe von S 60.000,-- sowie einer Ersatzfreiheitsstraße von 30 Tagen) eine Geldstrafe von "EUR 3.633,64 (S 50.000,--)" sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 27 Tagen verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Was zunächst die Rüge des Beschwerdeführers anlangt, die Anführung des § 5 Abs. 2 letzter Satz StVO als übertretene Verwaltungsvorschrift reiche für sich allein nicht aus, so ist auf das hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 97/02/0050, zu verweisen, worin zum Ausdruck gebracht wurde, dass die Anführung des § 5 Abs. 2 StVO insoweit genügt, wobei insbesondere auf den letzten Satz Bezug genommen wurde.

Auch irrt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, da die Aufforderung zur Atemluftkontrolle auf einer "privaten" Liegenschaft erfolgt sei, seien die Bestimmungen der StVO nicht anwendbar und daher die einschreitenden Beamten nicht berechtigt gewesen, diese Aufforderung auszusprechen (vgl. zur gegenteiligen Auffassung das hg. Erkenntnis vom 29. August 2003, Zl. 2003/02/0146).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt die Verwaltungsübertretung des § 99 Abs. 1 lit. b i.V.m. § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO bereits dann vor, wenn der zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt Aufgeforderte lediglich im Verdacht steht, ein Kraftfahrzeug im alkoholisierten Zustand gelenkt zu haben; darauf, ob im weiteren Verfahren der Nachweis erbracht wird, dass ein Beschuldigter ein Kraftfahrzeug nicht gelenkt hat, kommt es nicht an, weil das Delikt bereits mit der Verweigerung der Vornahme der Atemluftuntersuchung vollendet ist (vgl. das Erkenntnis vom 27. Februar 2004, Zl. 2001/02/0264).

Weiters wurde im soeben zitierten hg. Erkenntnis entsprechend der ständigen hg. Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, dass der Vorwurf des "Lenkens" - so wie im vorliegenden Beschwerdefall - im Sinne des § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO den bloßen "Verdacht" des Lenkens in sich schließt. Von daher gesehen wurde somit im Beschwerdefall ein "überschießendes" Tatbestandselement in den Spruch aufgenommen, welches nicht Gegenstand der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ist. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers hiedurch ist jedoch nicht erkennbar (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2004).

Im bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 97/02/0050, wurde auch auf die ständige hg. Rechtsprechung verwiesen, dass es bei der Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO für die im Spruch gebotene Tatumschreibung (betreffend die wesentlichen Sachverhaltselemente) auf Zeit und Ort der Verweigerung und nicht auf Zeit und Ort des vorangegangenen Lenkens ankommt.

Obwohl es sohin auf die Zeit des Lenkens bzw. des diesbezüglichen Verdachtes bei der Tatumschreibung nicht ankommt, ist aber zu beachten, dass die Aufforderung zur Atemluftprobe nur dann berechtigt ist, wenn die seit dem Zeitpunkt, zu dem gelenkt wurde bzw. für den der Verdacht des Lenkens bestand, bis zur allfälligen Messung der Atemluft verstrichene Zeit noch "verwertbare Ergebnisse" erwarten lässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2001, Zl. 2000/03/0348, wo unter Hinweis auf die Vorjudikatur ein diesbezüglicher Zeitraum von "jedenfalls" bis zu sechs Stunden, und das hg. Erkenntnis vom 29. August 2003, Zl. 2003/02/0033, wo gleichfalls unter Hinweis auf die Vorjudikatur ein Zeitraum von sieben Stunden angeführt wurde).

Insoweit hat die belangte Behörde - ohne dass sie ihren Standpunkt zu begründen vermochte - zum Ausdruck gebracht, es bedürfe keiner "minutengenauen Angabe" des Zeitpunktes des "Lenkens", wesentlich für die Übertretung gemäß § 5 Abs. 2 StVO sei lediglich, dass die Aufforderung zur Ablegung des Alkomattestes in einem "engeren zeitlichen Zusammenhang zum Verdacht des Lenkens" stehe.

Abgesehen davon, dass die Behörde nun doch - entgegen dem spruchgemäßen Vorwurf - von einem bloßen "Verdacht" des Lenkens spricht, hat sie damit die Rechtslage verkannt, weil ein solcher "engerer" zeitlicher Zusammenhang nach der oben wiedergegebenen hg. Judikatur nicht gefordert wird.

Damit ist für den Beschwerdeführer allerdings nichts gewonnen, weil der Zeitpunkt, für welchen der "Verdacht" des Lenkens zu Recht angenommen werden durfte, bei weitem nicht außerhalb des oben aufgezeigten Zeitraumes von bis zu sieben Stunden vor der Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe um

19.45 Uhr lag, führte doch der die Anzeige verfertigende Polizeibeamte als Zeuge vor der belangten Behörde u.a. aus, der Beschwerdeführer habe zwar keinen Zeitpunkt angegeben, zu welchem er das Fahrzeug von der T.-Straße zur S.-Straße gelenkt habe, er habe nur gesagt, dass dieses "Herlenken eben zuvor, also vor dem Unfall" (der Anlass für das Einschreiten der Polizeibeamten war und um ca. 19.15 Uhr am Tattag stattgefunden hat) gewesen sei. Im Übrigen unterlässt es der Beschwerdeführer - obwohl er die in Rede stehende Fahrt am 4. Juli 2000 einräumt - keine Uhrzeit für diese Fahrt anzugeben.

Davon ausgehend war es entbehrlich, weitere Beweise - wie etwa den vom Beschwerdeführer vermissten Ortsaugenschein - aufzunehmen, zumal er dabei offenbar - entgegen der oben dargelegten hg. Rechtsprechung - verfehlt davon ausgeht, die belangte Behörde hätte das "tatsächliche Lenken" und nicht nur den diesbezüglichen bloßen "Verdacht" nachzuweisen gehabt.

Was schließlich die Vermutung der Alkoholisierung des Beschwerdeführers anlangt, konnte sich die belangte Behörde auf die von den beiden eingeschrittenen Polizeibeamten festgestellten, diesbezüglichen (massiven) Symptome stützen. Dass die Zeugin P. "persönlich nicht den Eindruck hatte", dass der Beschwerdeführer alkoholisiert gewesen sei - so tatsächlich ihre vom Beschwerdeführer nicht korrekt wiedergegebene Aussage am 23. Oktober 2000 vor der Behörde erster Instanz -, hat dagegen kein erhebliches Gewicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. März 2003, Zl. 2001/02/0139).

Die Beschwerde war daher hinsichtlich des Schuldspruches gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer rügt auch die Strafbemessung, dies im Ergebnis zu Recht:

Dass die Tat "keinen Schaden herbeigeführt hat", stellt zwar - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - bei einem Ungehorsamsdelikt wie dem vorliegenden keinen Milderungsgrund dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0225). Auch ist der Zeitraum des Wohlverhaltens seit der in Rede stehenden Übertretung bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zu kurz, um dem Beschwerdeführer den Milderungsgrund des § 34 Z. 18 StGB zuzubilligen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2001, Zl. 98/02/0031).

Nach der Zitierung des § 19 VStG finden sich zur Begründung der Strafbemessung im angefochtenen Bescheid folgende Ausführungen:

"Für Verwaltungsübertretungen, wie sie der Beschuldigte gesetzt hat, war zum Tatzeitpunkt Geldstrafe von S 16.000,-- bis S 80.000,--, im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, vorgesehen. Die vorliegende Verwaltungsübertretung zählt zu den mit den höchsten Strafen bedrohten Übertretungen im Straßenverkehr. Durch alkoholisierte Verkehrsteilnehmer entstehen immer wieder Verkehrsunfälle mit schwersten Personen- und Sachschäden, wobei Alkohol am Steuer noch immer die meisten Toten im Straßenverkehr fordert. Dabei ist festzuhalten, dass die Verweigerung des Alkomattestes - wie auch aus der Strafdrohung ersichtlich - grundsätzlich denselben Unrechtsgehalt aufweist wie das Lenken eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand selbst.

Da mittlerweile eine von zwei einschlägigen Vorstrafen getilgt ist, war die verhängte Geldstrafe entsprechend zu reduzieren.

Eine weitere Reduktion der verhängten Geldstrafe verbot sich insbesondere aus spezialpräventiven Gründen, da dem Beschuldigten der Unrechtsgehalt seiner Tat drastisch vor Augen geführt werden soll und, um ihn zuverlässig von der Begehung weiterer gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

Die unterdurchschnittlichen persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten konnten sich im vorliegenden Fall nicht strafreduzierend auswirken, da die Berücksichtigung derartiger Verhältnisse niemals so weit führen kann, dass die Intentionen des Verwaltungsstrafrechtes im Allgemeinen und die der übertretenen Bestimmung im Besonderen völlig ausgehöhlt werden."

Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage in zweifacher Hinsicht verkannt:

Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass die im Beschwerdefall anzuwendende Vorschrift des § 99 Abs. 1 StVO in lit. a dieselbe Strafdrohung für das Lenken (oder die Inbetriebnahme) eines Fahrzeuges mit einem Blutalkoholgehalt von 1,6 Promille oder mehr (oder mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,8 mg/l oder mehr) enthält wie in lit. b u.a. für die im Beschwerdefall vorliegende Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt. Allerdings sind die Ausführungen der belangten Behörde über die von alkoholisierten Verkehrsteilnehmern ausgehende Gefahr im Zusammenhang mit der vorliegenden Strafbemessung hier völlig verfehlt, verstößt die belangte Behörde doch damit gegen das so genannte "Doppelverwertungsverbot", wonach Umstände, die für den Tatbestand oder den Strafsatz relevant sind, nicht auch noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden dürfen (vgl. Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts8, Rz 806, sowie das dort zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 92/09/0015). Die von der belangten Behörde bei der Strafbemessung berücksichtigten, von alkoholisierten Verkehrsteilnehmern ausgehenden Gefahren sind allerdings solche Umstände - Gleiches hat für den Unrechtsgehalt der Tat, der dem Beschwerdeführer "drastisch vor Augen geführt werden soll" zu gelten -, die der Gesetzgeber bereits durch die Gliederung der Absätze in § 99 StVO mit ihren unterschiedlichen Strafrahmen, insbesondere für Alkoholdelikte, entsprechend gewichtet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juli 2002, Zl. 2002/11/0113).

Was aber die Ansicht der belangten Behörde anlangt, die "unterdurchschnittlichen, persönlichen Verhältnisse" des Beschwerdeführers (womit offenbar die vom Beschwerdeführer angegebene Einkommens- und Vermögenslosigkeit gemeint ist) hätten sich nicht "strafreduzierend" auswirken können, weil dies zur "völligen Aushöhlung" der Intentionen des Verwaltungsstrafrechts und der hier übertretenen Verwaltungsvorschrift führen könnte, so wurde damit § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG, wonach die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen sind, außer Acht gelassen, obwohl diese - zwingende - Bestimmung von der belangten Behörde selbst zitiert wurde.

Die vorliegende Strafbemessung erweist sich daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Sie war daher - einschließlich der damit verbundenen Vorschreibung von Kosten des Berufungsverfahrens (vgl. § 64 Abs. 2 VStG) - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 26. März 2004

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