VwGH 2003/18/0122

VwGH2003/18/012210.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D, geboren 1976, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. März 2003, Zl. SD 891/02, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §44;
MRK Art6 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §44;
MRK Art6 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. März 2003 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, vom 4. Oktober 2001 auf Aufhebung des über ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. Juni 2000 gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, verhängten Aufenthaltsverbots für die Dauer von zehn Jahren gemäß § 44 leg. cit. abgewiesen.

Am 30. Mai 2000 sei der Beschwerdeführer im Zug einer fremdenpolizeilichen Kontrolle in einer Wiener Wohnung angetroffen worden. Gegenüber den einschreitenden Kriminalbeamten habe er sich mit einem griechischen Reisepass lautend auf K. ausgewiesen. Bei diesem Pass und einem vom Beschwerdeführer vorgelegten Führerschein hätten Fälschungsmerkmale festgestellt werden können. Schließlich habe der Beschwerdeführer gestanden, den gefälschten griechischen Reisepass Anfang Oktober 1999 in Ungarn von einem nicht näher bekannten Mann gegen Ausfolgung von zwei Lichtbildern und Bezahlung erworben zu haben. Nach seinen Angaben wäre der Beschwerdeführer am 13. Oktober 1999 nach Österreich eingereist. Als Motiv für die Beschaffung der gefälschten Dokumente habe er das Vorhaben angegeben, in Österreich als EU-Bürger Aufenthalt zu nehmen und einer Beschäftigung nachzugehen. Tatsächlich hätte er in Österreich auch eine Beschäftigung ausgeübt und dabei S 25.000,-

- (EUR 1.816,82) monatlich verdient.

Bei der niederschriftlichen Befragung am 6. Juni 2000 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, in Wien geboren worden zu sein und die ersten sechs Monate seines Lebens in Wien verbracht zu haben. Anschließend wäre er mit seinen Eltern wieder nach Jugoslawien gezogen. Im Zeitraum von 1990 bis 1993 hätte er in Österreich zwei Klassen Hauptschule und das "Polytechnikum" besucht. Im Jahr 1993 wäre er mit seinen Eltern neuerlich nach Jugoslawien gezogen. Nur ein Bruder wäre in Österreich verblieben und bereits zu diesem Zeitpunkt österreichischer Staatsbürger geworden. Außer diesem Bruder und dessen Familie hätte er keine Verwandten in Österreich.

Der Beschwerdeführer sei wegen des illegalen Aufenthalts rechtskräftig bestraft worden. Anschließend sei von der Bundespolizeidirektion Wien das gegenständliche Aufenthaltsverbot verhängt worden. In Vollstreckung dieser Maßnahme sei der Beschwerdeführer am 8. Juni 2000 in seine Heimat abgeschoben worden.

Im Verfahren über den am 4. Oktober 2001 gestellten gegenständlichen Aufhebungsantrag habe der Beschwerdeführer vorgebracht, in Österreich etwa 50 Verwandte, darunter Onkeln, eine Tante und mehrere Cousins und Cousinen, zu haben. Mehreren Familienangehörigen wäre bereits die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen oder zugesichert worden.

Der Beschwerdeführer habe nicht darzulegen vermocht, dass sich die für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgebenden Umstände zu seinen Gunsten geändert hätten. Nach der Aktenlage sei weder in seiner privaten noch in seiner familiären Situation eine relevante Änderung eingetreten. Die dem Aufenthaltsverbot zu Grunde liegende qualifizierte Täuschungshandlung liege noch nicht so lange zurück, um auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes eine wesentliche Verringerung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen annehmen zu können. Das vorgebrachte zwischenzeitige Wohlverhalten stelle keine Änderung des Sachverhalts zu Gunsten des Beschwerdeführers dar, weil bei der Erlassung des befristeten Aufenthaltsverbots das Wohlverhalten während der Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme vorausgesetzt worden sei.

Bei Erlassung des Aufenthaltsverbots sei der inländische Aufenthalt des Bruders (der bereits damals Österreicher gewesen sei) und dessen Familie berücksichtigt worden. Gleiches gelte für die Schulausbildung des Beschwerdeführers im Inland. Der nunmehr vorgebrachte inländische Aufenthalt von insgesamt 50 Verwandten stelle keine relevante Änderung des Sachverhaltes zu Gunsten des Beschwerdeführers dar. Der Beschwerdeführer lasse jede Erklärung vermissen, aus welchen Gründen er diese verwandtschaftlichen Beziehungen nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt ins Treffen geführt habe. Überdies behaupte er nicht, mit einem dieser Angehörigen in Haushaltsgemeinschaft zu leben. Aus der Aktenlage ergebe sich, dass der Beschwerdeführer verheiratet und für zwei Kinder, die in Jugoslawien wohnten, sorgepflichtig sei.

Bezüglich des beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängigen Verfahrens wegen der §§ 223, 224 und 146 StGB gelte zwar die Unschuldsvermutung, doch habe der Beschwerdeführer selbst eingestanden, die gefälschten Dokumente (einen Reisepass und einen Führerschein) besorgt und mehrfach verwendet zu haben. Ohne eine diesbezügliche Entscheidung des Gerichtes präjudizieren zu wollen, werde in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer frei stehe, bei einer österreichischen Botschaft einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 41 FrG zu stellen, um sich vor dem inländischen Gericht zu rechtfertigen.

Da sich sohin seit Erlassung des Aufenthaltsverbots die dafür maßgebenden Umstände nicht in relevanter Weise zu Gunsten des Beschwerdeführers geändert hätten, sei die Aufrechterhaltung der vorliegenden Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und auch im Grund des § 37 Abs. 2 leg. cit. zulässig.

Da der Beschwerdeführer keine besonderen, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände dargelegt habe, könne das Aufenthaltsverbot auch nicht im Rahmen des der Behörde bei der Beurteilung gemäß § 44 FrG zukommenden Ermessens aufgehoben werden, zumal der Kontakt zu den im Inland lebenden Verwandten dadurch aufrechterhalten werden könne, dass der Beschwerdeführer von diesen Personen im Ausland besucht werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führten, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbots die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbots eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grund der §§ 37 und 38 FrG zulässig ist. Darüber hinaus hat die Behörde bei dieser Entscheidung das ihr in § 36 Abs. 1 leg. cit. eingeräumte Ermessen zu üben. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbots die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2001/18/0146.)

2.1. In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer seit Verhängung des Aufenthaltsverbots wohlverhalten habe und der zwischenzeitig eingetretene Gesinnungswandel eine positive Prognose rechtfertige. Weiters verweist der Beschwerdeführer darauf, dass er in Österreich geboren sei, hier die Schule besucht habe und sich eine Vielzahl von Verwandten im Bundesgebiet aufhalte, ohne diesbezüglich eine seit Erlassung des Aufenthaltsverbots eingetretene Änderung zu behaupten. Die Abweisung des Aufhebungsantrages widerspreche der Unschuldsvermutung, weil der Beschwerdeführer wegen der ihm vorgeworfenen Urkundenfälschung nicht gerichtlich verurteilt worden sei.

2.2. An konkreten Umständen, die erst nach Erlassung des Aufenthaltsverbots eingetreten sind und auf die daher von der Behörde nicht bereits anlässlich der Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme hätte Bedacht genommen werden müssen, behauptet der Beschwerdeführer somit nur, dass er sich in den zwei Jahren und neun Monaten seit Verhängung des Aufenthaltsverbots wohlverhalten und seine Gesinnung geändert habe.

Der Beschwerdeführer hat einen griechischen Reisepass und einen griechischen Führerschein in Ungarn gegen Bezahlung und Ausfolgung von zwei Lichtbildern erworben. Dies tat er bereits in der Absicht, um sich mit den gefälschten Dokumenten in Österreich als EU-Bürger ausweisen zu können und hier leben und arbeiten zu können. Am 13. Oktober 1999 ist er dann tatsächlich unrechtmäßig nach Österreich eingereist und hat in der Folge bis zu seiner Abschiebung am 8. Juni 2000 nahezu acht Monate unrechtmäßig in Österreich gelebt, wofür er auch rechtskräftig bestraft worden ist. Während dieser Zeit hat er unstrittig den gefälschten Reisepass und den gefälschten Führerschein mehrmals verwendet. Insbesondere hat er sich damit am 30. Mai 2000 gegenüber Polizeibeamten auszuweisen versucht.

Dieses Fehlverhalten stellt eine schwerwiegende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen, insbesondere des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdewesens, dar. Im Hinblick darauf ist der seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots verstrichene Zeitraum des (behaupteten) Wohlverhaltens zu kurz, um auf einen nachhaltigen Gesinnungswandel schließen zu können, der die Aufhebung dieser Maßnahme im Grund der §§ 36 Abs. 1, 37 Abs. 1 oder 37 Abs. 2 FrG bzw. im Rahmen des der Behörde eingeräumten Ermessens rechtfertigen könnte.

Hinzugefügt sei, dass gegen die Berücksichtigung eines gerichtlich strafbaren Verhaltens, für das der Fremde nicht verurteilt worden ist, im Rahmen der Entscheidung über ein Aufenthaltsverbot keine Bedenken bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 2000/18/0124). Entgegen der Beschwerdemeinung widerspricht diese Vorgangsweise schon deshalb nicht der Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK, weil es sich bei einem Aufenthaltsverbot nicht um eine Strafe, sondern um eine administrativ-rechtliche Maßnahme handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033).

3. Da nach dem Gesagten bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 10. September 2003

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte