VwGH 2003/15/0049

VwGH2003/15/004918.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der P Gesellschaft nach bürgerlichem Recht in M, vertreten durch Mag. Günter Lippitsch, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Joanneumring 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 3. April 2003, RV/0499-G/02, betreffend Umsatzsteuer und einheitliche und gesondere Feststellung von Einkünften für das Jahr 2000, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
BAO §293b;
BAO §167 Abs2;
BAO §21;
BAO §22;
BAO §23;
BAO §293b;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Bei der beschwerdeführenden Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, die aus den Gesellschaftern Andreas P und Alexandra P (Ehegatten) besteht, wurde im Jahr 2001 eine abgabenbehördliche Prüfung durchgeführt.

In dem mit 27. November 2001 datierten Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe für das Jahr 2000 eine Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften (diese weist einen Verlust von ca 1 Mio S aus) sowie eine Umsatzsteuererklärung (diese weist einen Vorsteuerüberhang von ca 224.000 S aus) eingereicht. Die Bescheide seien erklärungsgemäß ergangen (Ausfertigungsdatum 11. Juli 2001).

Die Beschwerdeführerin habe die Betriebseröffnung dem Finanzamt mit Schreiben vom 11. Jänner 2001 bekannt gegeben und einen Fragebogen betreffend eine Betriebseröffnung sowie den (mit 1. Jänner 2000 datierten) Gesellschaftsvertrag vorgelegt. Für das Jahr 2000 sei nur die Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2000 eingereicht worden, und zwar am 8. Februar 2001. Der Jahresabschluss für das Jahr 2000 sowie die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2000 seien am 12. Juni 2001 eingereicht worden.

Nach Ansicht des Prüfers sei die Gesellschaft vor dem Jahr 2001 insbesondere gegenüber den Abgabenbehörden nicht nach außen aufgetreten. Da somit die Voraussetzungen für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen nicht erfüllt seien, könne die Gesellschaft für das Jahr 2000 nicht anerkannt werden. Die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung dürfe daher nicht stattfinden. Da Tatsachen nicht neu hervorgekommen seien und somit die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorlägen, sei eine Berichtigung nach § 293b BAO vorzunehmen. Die gelte entsprechend für den Umsatzsteuerbescheid 2000.

Den Prüfungsfeststellungen entsprechend erließ das Finanzamt gestützt auf § 293b BAO berichtigte Bescheide. Gegen diese Bescheide brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein. Die Gesellschaftsgründung sei am 1. Jänner 2000 erfolgt und somit nicht rückwirkend vereinbart worden. Ein Auftreten nach Außen sei durch die Besprechungen mit dem steuerlichen Vertreter und durch die dazugehörige Korrespondenz erfolgt. Die Beschwerdeführerin habe der M-GmbH zu Beginn des Jahres 2000 einen Auftrag erteilt, dessen Erfüllung den Zeitraum Februar bis Dezember 2000 in Anspruch genommen habe. Die M-GmbH habe erst am 11. Dezember 2000 ein Rechnung erteilt. Der steuerliche Vertreter habe sich entschieden, "die Betriebseröffnung der Finanzbehörde erst zu jenem Zeitpunkt bekannt zu geben, zu welchem jene Unterlagen vorlagen, die eine zeitnahe Vergabe der Steuernummer durch die Finanzbehörden ermöglichten". Am 22. Februar 2001 habe das Finanzamt bei der Beschwerdeführerin eine Nachschau durchgeführt; dabei hätten sich keinerlei Beanstandungen ergeben und sei der Gründungszeitpunkt 1. Jänner 2000 als den Tatsachen entsprechend angesehen worden. Eine Betriebsprüfung bei der M-GmbH habe das Geschäft mit der Beschwerdeführerin nicht beanstandet und die ertragsteuerliche wie umsatzsteuerliche Erfassung bestätigt. Die vom Finanzamt behauptete rückwirkende Gründung der Gesellschaft stelle jedenfalls keinen Umstand dar, der zu einer Berichtigung nach § 293b BAO führen dürfe. Es sei nicht nachvollziehbar, worin eine offensichtliche Unrichtigkeit der Abgabenerklärung gelegen sei.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung verwies das Finanzamt darauf, dass im Hinblick auf das abgabenrechtliche Rückwirkungsverbot die Notwendigkeit eines unmissverständlich nach außen, insbesondere gegenüber den Abgabenbehörden zum Ausdruck kommenden formellen Abschlusses der Gespräche über die Gesellschaftsgründung bestehe. Bei Konferenzen zwischen einem Ehepaar und seinem Steuerberater könne nicht von einer "Außenwirkung" gesprochen werden.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz bestreitet die Beschwerdeführerin die rückwirkende Gesellschaftsgründung. Sie bringt weiter vor, eine offensichtliche Unrichtigkeit iSd § 293b BAO hätte zur Voraussetzung, dass die Finanzbehörde die Unrichtigkeit ohne weitere Ermittlungen erkennen könne.

In der mündlichen Berufungsverhandlung legte die Beschwerdeführerin einen Schriftsatz vor, in welchem u. a. ausgeführt wird, die Gesellschaftsgründung sei zivilrechtlich wirksam am 1. Jänner 2000 erfolgt. Eine "Außenwirkung" der Gesellschaft im Jahr 2000 ergebe sich durch die Honorarnote der M-GmbH vom 11. Dezember 2000. Diese Honorarnote belege, dass im Zeitraum Februar bis Dezember 2000 Leistungen im Zusammenhang mit Seminarentwicklungen und -konzeptionen erbracht worden seien. Die vom Finanzamt unterstellte rückwirkende Gründung der Gesellschaft werde dadurch widerlegt, dass ein Schreiben des steuerlichen Vertreters vom 19. Jänner 2000 vorliege, in welchem um Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages ersucht werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Das Finanzamt habe erst durch die Eingabe vom 11. Jänner 2001 von der Gesellschaftsgründung Kenntnis erlangt. Diese Information habe für das Jahr 2000 keine Wirkung entfalten können. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie Leistungen der M-GmbH bezogen habe, könne ihren Rechtsstandpunkt nicht stützen. Auch wenn diese Leistungen bei der M-GmbH besteuert worden seien (und eine dort abgehaltene Betriebsprüfung dies bestätigt habe), stehe dies in keinem Zusammenhang mit der Frage, ob der Leistungsempfänger für das Jahr 2000 als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anerkannt werde. Die steuerliche Anerkennung der Gesellschaft sei davon abhängig, ob die Abgabenbehörde rechtzeitig Kenntnis erlangt habe. Daher brauche auf das Berufungsvorbringen betreffend die mit dem steuerlichen Vertreter abgehaltenen Besprechungen und die entsprechenden Korrespondenzen nicht eingegangen zu werden. Verträge zwischen nahen Angehörigen dürften steuerlich nur anerkannt werden, wenn sie - neben anderen Voraussetzungen - nach außen ausreichend zum Ausdruck kämen. Mangels "rechtzeitiger" Publizität der Gesellschaftsgründung sei die Gesellschaft für das Streitjahr nicht anzuerkennen.

Die Beschwerdeführerin sei unter Missachtung der rechtlichen Problematik des "Publizitätserfordernisses von Angehörigenvereinbarungen" in den am 12. Juni 2001 eingereichten Abgabenerklärungen zu Unrecht als Steuersubjekt bzw Gewinnermittlungssubjekt ausgewiesen. Somit liege jedenfalls eine offensichtliche Unrichtigkeit im Rechtsbereich vor, die vom Finanzamt ohne nähere Untersuchungen bei ordnungsmäßiger Prüfung der Abgabenerklärungen hätte erkannt werden müssen. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 293b BAO seien daher gegeben. Zur Ermessensübung werde bemerkt, dass dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen sei. Im Übrigen werde die Ermessensübung von der Beschwerdeführerin gar nicht gerügt.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Steuerrechtlich setzt die Anerkennung eines zwischen nahen Angehörigen begründeten Rechtsverhältnisses bzw des ihm zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass es nach außen ausreichend zum Ausdruck kommt, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt hat und auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wäre (vgl für viele das hg Erkenntnis vom 21. Februar 1996, 92/14/0041).

Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die steuerliche Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen betreffen den Bereich der Beweiswürdigung und führen dazu, dass der Behauptung über das angebliche Vorliegen einer Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen der Glauben versagt wird, wenn die den erwähnten Grundsätzen entsprechenden Voraussetzungen nicht erfüllt sind (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 16. März 1989, 89/14/0024). Im Erkenntnis 89/14/0024 lässt der Verwaltungsgerichtshof erkennen, dass dem Publizitätserfordernis im seinerzeitigen Beschwerdefall nicht nur durch rechtzeitige Bekanntgabe an das Finanzamt, sondern auch durch zeitnah errichtete öffentliche Urkunden oder Anzeigen an (andere) Behörden hätte entsprochen werden können.

Verallgemeinernd kann festgestellt werden, dass dem Publizitätserfordernis für die Frage der Beweisbarkeit von Angehörigenvereinbarungen große Bedeutung zukommt, es aber von den Umständen des Einzelfalles abhängt, in welcher Weise diesem Erfordernis entsprochen werden kann. Durch die rechtzeitige Bekanntgabe gegenüber den Abgabenbehörden wird die Vereinbarung jedenfalls hinreichend nach außen zum Ausdruck gebracht, im Einzelfall kann aber durchaus auch auf andere Weise dem Publizitätserfordernis in einer Weise entsprochen werden, dass Zweifel an der behaupteten Angehörigenvereinbarung nicht bestehen.

Im bereits zitierten Erkenntnis 92/14/0041 hatte der Verwaltungsgerichtshof die Frage der Anerkennung eines Gesellschaftsverhältnisses geprüft und dabei - im Sinne der vorstehenden Ausführungen - darauf abgestellt, dass das behauptete Gesellschaftsverhältnis dem Finanzamt erst nach dem Streitjahr bekannt gegeben wurde, und der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, "dass das Gesellschaftsverhältnis in anderer Form nach außen ausreichend zum Ausdruck gekommen wäre."

§ 293b BAO lautet:

"Die Abgabenbehörde kann auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht."

§ 293b BAO setzt voraus, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, wobei diesem Inhalt eine offensichtliche Unrichtigkeit zu Grunde liegt. Dies wird dann zu bejahen sein, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl das hg Erkenntnis vom 16. Dezember 2003, 2003/15/0110). Die Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen (vgl das hg Erkenntnis vom 1. Juli 2003, 97/13/0230).

Ob eine offensichtliche Unrichtigkeit im Hinblick auf die übernommene Rechtsauffassung vorliegt, ist anhand des Gesetzes und vor allem auch der dazu entwickelten Rechtsprechung zu beurteilen. Bestünde behördlicherseits bei entsprechender Prüfung von vornherein die Gewissheit, dass die in der Abgabenerklärung vertretene Rechtsansicht unrichtig ist, so liegt aus der Sicht der Abgabenbehörde eine offensichtliche Unrichtigkeit vor (vgl das hg Erkenntnis vom 16. Mai 2002, 98/13/0180).

Offensichtliche Unrichtigkeit liegt vor, wenn sie ohne nähere Untersuchungen im Rechtsbereich und ohne Ermittlungen im Tatsachenbereich deutlich erkennbar ist (Stoll, BAO-Kommentar, Wien 1994, S. 2831).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die Voraussetzungen für die Berichtigung von Bescheiden nach der Vorschrift des § 293b BAO für gegeben erachtet und sich dabei darauf gestützt, dass ein Gesellschaftsverhältnis zwischen nahen Angehörigen steuerlich nur dann Anerkennung erfahren dürfe, wenn dem Publizitätserfordernis durch zeitgerechte Bekanntgabe an das Finanzamt entsprochen worden sei. Das Finanzamt hätte bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren erkennen können, dass ihm das Gesellschaftsverhältnis im Jahr 2000 noch nicht bekannt gegeben gewesen sei und daher für steuerliche Zwecke nicht anerkannt werden dürfe.

Die belangte Behörde hat die Rechtslage verkannt. Wie oben ausgeführt trifft es nicht zu, dass dem Publizitätserfordernis ausnahmslos nur durch Mitteilungen an das Finanzamt entsprochen werden kann. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem - im gegenständlichen Fall für die steuerliche Anerkennung des Gesellschaftsverhältnisses zweifellos bestehenden - Publizitätserfordernis auch durch anderen Umstände als durch die Bekanntgabe an das Finanzamt nachgekommen wird. Als Folge ihres Rechtsirrtums hat die belangte Behörde zu Unrecht angenommen, es liege ein Fall vor, in welchem das Finanzamt ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren hätte erkennen müssen, dass das Gesellschaftsverhältnis für das Jahr 2000 nicht anzuerkennen sei.

Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin, weil zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 293b BAO angenommen worden ist, als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Solcherart braucht nicht geprüft zu werden, ob unter Berücksichtigung des im Berufungsverfahren ermittelten Sachverhaltes davon auszugehen wäre, ob dem

Publizitätserfordernis (etwa durch das Auftreten gegenüber Geschäftspartnern) im gegenständlichen Fall hinreichend entsprochen worden ist.

Wien, am 18. März 2004

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte