VwGH 2003/15/0022

VwGH2003/15/002221.4.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des W in G, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat I) vom 3. Dezember 2002, GZ. RV 744/1- 8/02, betreffend Einkommensteuer 1999, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1175;
ABGB §825;
BAO §101 Abs3;
BAO §188;
BAO §19 Abs1;
BAO §191 Abs1 litc;
BAO §191 Abs3 litb;
BAO §191 Abs3;
BAO §81 Abs2;
BAO §81 Abs5;
BAO §93 Abs2;
EStG 1988 §2 Abs1;
ABGB §1175;
ABGB §825;
BAO §101 Abs3;
BAO §188;
BAO §19 Abs1;
BAO §191 Abs1 litc;
BAO §191 Abs3 litb;
BAO §191 Abs3;
BAO §81 Abs2;
BAO §81 Abs5;
BAO §93 Abs2;
EStG 1988 §2 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Erbe der am 1. Jänner 1989 verstorbenen AW, welche über einen Großteil des Nachlasses durch Legate verfügt hatte. Ihren Drittelanteil an der Liegenschaft in L hatte AW ihrer Nichte LG vermacht. Mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 16. Dezember 1994 wurde über Antrag der Legatare die Nachlassseparation gemäß § 812 ABGB bewilligt, mit Beschluss vom 17. Mai 1995 Rechtsanwalt Dr. W zum Separationskurator bestellt.

Auf Grund seines gesetzlichen Erbrechtes wurde der Beschwerdeführer mit Beschluss des Bezirksgerichtes Baden vom 20. Dezember 1999 als Erbe eingeantwortet. Er wollte LG das Eigentum am Drittelanteil an der Liegenschaft in L nur Zug um Zug gegen den von ihm als Pflichtteilergänzungsanspruch geltend gemachten Geldbetrag übertragen. Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 22. März 2002 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, LG in Legatserfüllung den Drittelanteil zu übertragen.

Das Finanzamt erließ - gestützt auf die Bestimmung des § 295 Abs. 1 BAO - den geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom 18. April 2002, mit welchem es dem Beschwerdeführer Einkommensteuer u.a. für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von S 273.032,-- vorschrieb. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die Änderung nach § 295 BAO sei erfolgt, weil das Finanzamt am 6. November 2001 bescheidmäßig (Bescheid gemäß § 188 BAO betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften) Einkünfte festgestellt habe.

In der Berufung gegen diesen Einkommensteuerbescheid wird vorgebracht, der Feststellungsbescheid gemäß § 188 sei an "WE und Mitbes." gerichtet und der K-GmbH zugestellt worden. In diesem Bescheid, der die Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für 1999 hinsichtlich der Liegenschaft in L betreffe, seien dem Beschwerdeführer Einkünfte von S 273.032,-- zugerechnet worden. Die Zurechnung sei völlig begründungslos geblieben. Sie sei unzutreffend. Der Beschwerdeführer sei zwar der Alleinerbe nach AW, er habe jedoch zahlreiche Legate zu erfüllen gehabt. Dies gelte insbesondere für das Legat, wonach der in Rede stehende Drittelanteil der LG zugedacht sei. Die Legatarin habe ihr Legat eingefordert und mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 22. März 2002 durchgesetzt. Sei der Liegenschaftsanteil nicht dem Beschwerdeführer, sondern der Legatarin zuzurechnen, so gelte dies auch für die Einkünfte daraus. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Legatar sein Eigentumsrecht zwar vom Erben herleiten müsse, ihm aber bereits ab dem Todestag die Früchte zustünden (Hinweis auf § 686 ABGB). Zu beachten sei auch, dass sich der Legatar gegenüber dem Erben durch die Beantragung einer Nachlassseparation nach § 812 ABGB schützen könne. Im gegenständlichen Fall sei eine solche bewilligt worden. Der Beschwerdeführer beantrage, die Einkommensteuer unter Außerachtlassung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berechnen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 27. Mai 2002 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Gemäß § 252 Abs. 1 BAO könnten Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden. Würden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, sei die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er brachte vor, es sei zwar richtig, dass Einwendungen gegen die im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen nur im Verfahren betreffend die Erlassung eben dieses Grundlagenbescheides vorgebracht werden könnten. Dies gelte aber nicht für solche Feststellungen, die die Zugehörigkeit des Steuerpflichtigen zu der vom Grundlagenbescheid betroffenen Personengemeinschaft betreffen. Es komme nämlich darauf an, ob der Grundlagenbescheid dem Steuerpflichtigen gegenüber wirksam werde. Der Grundlagenbescheid werde gegenüber Personen, die der Personengemeinschaft nicht angehörten, nicht wirksam. Der Beschwerdeführer sei somit vom Feststellungsbescheid vom 6. November 2001 nicht betroffen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Würden Einwendungen gegen in einem Grundlagenbescheid getroffene Feststellungen in der Berufung gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, so sei gemäß § 252 BAO die Berufung diesbezüglich als unbegründet abzuweisen. Eine solche Abweisung setze voraus, dass der Grundlagenbescheid dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam geworden sei.

In den dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 1983, 82/14/0210, zugrundeliegendem Fall habe eine Personenvereinigung, welche aus der verstorbenen Mutter des seinerzeitigen Beschwerdeführers und einer zweiten Miteigentümerin bestanden habe, eine Immobilienverwalterin mit der Vertretung im Sinn des § 81 Abs. 2 BAO betraut. Dem Einwand des seinerzeitigen Beschwerdeführers, seine Mutter, nicht aber er habe der Immobilienverwalterin Zustellvollmacht erteilt, habe der Verwaltungsgerichtshof in jenem Erkenntnis entgegengehalten, der seinerzeitige Beschwerdeführer sei als neues Mitglied in die bestehende Personenvereinigung im Sinn des § 81 Abs. 5 BAO eingetreten. Mangels Widerrufes und Bestellung eines neuen Zustellungsbevollmächtigten ändere sich an der Zustellungsbevollmächtigung nichts. Daher habe die Zustellung an die Immobilienverwalterin rechtliche Wirkung auch gegen den seinerzeitigen Beschwerdeführer.

Der Beschwerdefall sei gleich gelagert. Wie sich aus der Einantwortungsurkunde vom 20. Dezember 1999 ergebe, sei der Nachlass der AW zur Gänze dem Beschwerdeführer eingeantwortet worden. Zu diesem Nachlass gehöre unbestrittenermaßen der Drittelanteil an der Liegenschaft in L. Der Feststellungsbescheid, in welchem eine Zurechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an den Beschwerdeführer erfolgt sei, sei an "WE und Mitbes." adressiert und der K-GmbH zugestellt worden. Der Beschwerdeführer behaupte nicht, eine Zustellbevollmächtigung der K-GmbH habe nie bestanden bzw. sei widerrufen worden. Bei dieser Sachlage sei der Feststellungsbescheid aber dem Beschwerdeführer gegenüber, der den Anteil an der Liegenschaft in L erhalten habe und damit in die vorhandene Personengemeinschaft eingetreten sei, wirksam geworden. Einwendungen zur Frage, ob die Zurechnung von Einkünften an den Beschwerdeführer zutreffend erfolgt sei, hätten daher nur im Feststellungsverfahren vorgebracht werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Der Erbe tritt hinsichtlich des Nachlassvermögens und der daraus erzielten Einkünfte schon mit dem Todestag in die Rechtsstellung des Erblassers ein (vgl das hg Erkenntnis vom 20. April 2004, 2003/13/0160). Demgegenüber setzt der Vermächtnisnehmer die Person des Erblassers nicht unmittelbar fort, sondern erwirbt nur einen obligatorischen Anspruch gegen den Erben auf Herausgabe des Vermächtnisses, weshalb diesem idR - mangels einer anderen und in die Wirklichkeit umgesetzten Gestaltung zwischen Erben und Vermächtnisnehmer (etwa einer Vereinbarung auf Bewirtschaftung der Verlassenschaft auf gemeinsame Rechnung) - das vermachte Gut und seine Erträgnisse einkommensteuerlich erst mit der Übertragung durch den Erben zugerechnet werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1990, 89/14/0156, mit Verweis auf das Erkenntnis vom 6. Juni 1978, 2913/76, sowie Hofstätter/Reichel, Tz 7 zu § 2 EStG, und Schmidt, dEStG23, § 16 Tz 28).

Gemäß § 191 Abs 1 lit c BAO ergeht ein Feststellungsbescheid nach § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zufließen. Feststellungsbescheide setzen somit voraus, dass "gemeinschaftliche Einkünfte" erzielt werden (vgl das hg Erkenntnis vom 7. Juli 2004, 2000/13/0015).

Feststellungsbescheide wirken gemäß § 191 Abs 3 lit b BAO gegen alle, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen. Diese Wirkung erstreckt sich auf alle Personen, die im Spruch des Feststellungsbescheides als an den gemeinschaftlichen Einkünften beteiligt bezeichnet werden (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2023).

Der Feststellungsbescheid nach § 188 BAO muss denjenigen, gegenüber denen er ergeht bzw wirkt, zugestellt werden oder iSd § 101 Abs 3 als zugestellt gelten (vgl Stoll, aaO, 2021).

Im gegenständlichen Fall geht die belangte Behörde davon aus, der Feststellungsbescheid gelte iSd § 101 Abs 3 BAO als dem Beschwerdeführer zugestellt, weil dieser Bescheid an die Personengemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit gerichtet und deren Vertreter iSd § 81 BAO, nämlich der K-GmbH, zugestellt worden sei.

Die Vertretungsbefugnis der K-GmbH - auch für den Beschwerdeführer - stützt die belangte Behörde auf die Vorschrift des § 81 Abs 5 BAO in Verbindung mit § 81 Abs 7 leg. cit. Bei Miteigentumsgemeinschaften und Gesellschaften bürgerlichen Rechts sind (soweit gesellschaftsvertraglich nicht anderes vorgesehen ist) alle Mitglieder bzw Gesellschafter (im Zusammenwirken) zur Führung der Geschäfte befugt. Die Bestellung des Vertreters iSd .§ 81 BAO erfolgt daher bei einer solchen Personenvereinigung (Personengemeinschaft) nach der Regelung des Abs 2 des § 81 BAO.

Nach § 81 Abs 2 BAO haben die zur Führung der Geschäfte für die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) befugten Personen einen aus ihrer Mitte öder einen gemeinsamen Bevollmächtigten namhaft zu machen. Unterbleibt die Namhaftmachung, bestellt die Abgabenbehörde eine Person aus dem Kreis der zur Führung der Geschäfte für die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) Befugten als Vertreter und verständigt hie von alle Gesellschafter (Mitglieder).

Die sich an die amtswegige Vertreterbestellung nach § 81 Abs 2 BAO anschließenden Zustellakte sind nur unter der Voraussetzung wirksam, dass eine Benachrichtigung aller Gesellschafter (Mitglieder) erfolgt ist (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 801; Ritz, BA02, § 81 Tz 3)

Aus der Regelung des § 81 Abs 2 BAO erhellt, dass die Bestellung eines Vertreters, dem nach § 191 Abs 3 iVm § 101 Abs 3 BAO mit Wirkung für die Gesellschafter (Mitglieder) zugestellt werden kann, die Kenntnis der Gesellschafter (Mitglieder) von der Vertreterbestellung als solcher und der Person des Vertreters zur Voraussetzung hat.

§ 81 Abs 5 BAO normiert, dass die Stellung des von den Gesellschaftern (Mitgliedern) namhaft gemachten oder des amtlich bestellten Vertreters keine Änderung erfährt, wenn Gesellschafter (Mitglieder) neu hinzutreten. Zweck der Bestimmung ist es, für den Fall neuer Gesellschafter (Mitglieder) Kontinuität hinsichtlich des Vertreters der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) herbeizuführen. Dabei vermutete der Gesetzgeber das Einverständnis der Beteiligten mit der Vertreterbestellung (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 802). Im Hinblick auf dieses Einverständnis der Beteiligten unterbleibt aufgrund dieser Bestimmung aus verwaltungsökonomischen Gründen eine neuerliche Vertreterbestellung nach § 81 Abs 2 BAO beim Wechsel der Gesellschafter bzw Mitglieder. Die Regelung des § 81 Abs 5 BAO ändert allerdings nichts an dem oben angeführten, in § 81 Abs 2 BAO verankerten Grundsatz der Erforderlichkeit der Kenntnis der Gesellschafter (Mitglieder) von der Vertreterbestellung als solcher und der Person des Vertreters.

Der Abgabenbehörde werden vielfach aktenmäßig Information vorliegen, wonach die in Rede stehende Kenntnis beim neu eingetretenen Gesellschafter (Mitglied) vorliegt. Andernfalls hat die Abgabenbehörde, bevor sie wirksame Zustellakte setzen kann, in sinngemäßer Anwendung des § 81 Abs 2 letzter Satz BAO den neuen Gesellschafter (das neue Mitglied) über das Bestehen eines Vertreters zu informieren.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer in der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid eingewendet, dass er der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der Bewirtschaftung der Liegenschaft in L erzielenden Personenvereinigung (Personengemeinschaft) nicht angehöre, zumal LG aufgrund des Vermächtnisses Anspruch auf den in Rede stehenden Drittelanteil an dieser Liegenschaft habe. Der Beschwerdefall unterscheidet sich dadurch von jenem, welcher dem im angefochtenen Bescheid zitierten hg Erkenntnis vom 22. März 1983, 82/14/0210, zugrunde liegt, zumal der Beschwerdeführer des letztgenannten Falles vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht in Streit gestellt hat, vor der Erlassung des Feststellungsbescheides in die Vermietungseinkünfte erzielende Personengemeinschaft eingetreten zu sein.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde somit in Verkennung der Rechtslage nicht geprüft, ob der Feststellungsbescheid, dessen Bindungswirkung sie dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt hat, iSd oben dargestellten Ausführungen rechtswirksam zugestellt worden ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003.

Wien, am 21. April 2005

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte