VwGH 2003/11/0252

VwGH2003/11/025224.2.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der Dr. A in W, vertreten durch Dr. Michael Mohn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zelinkagasse 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. August 2003, GZ. MA 15-II- 1080/02, betreffend Erlöschen der Berechtigung zur Berufsausübung nach § 59 Ärztegesetz 1998, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1984 §1 Abs2;
ÄrzteG 1984 §95 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998 §136 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998 §18 Abs2 Z3;
ÄrzteG 1998 §2 Abs2;
ÄrzteG 1998 §27 Abs3;
ASVG §343 Abs2;
VwRallg;
ÄrzteG 1984 §1 Abs2;
ÄrzteG 1984 §95 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998 §136 Abs1 Z2;
ÄrzteG 1998 §18 Abs2 Z3;
ÄrzteG 1998 §2 Abs2;
ÄrzteG 1998 §27 Abs3;
ASVG §343 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Österreichischen Ärztekammer vom 11. April 2002 wurde die Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß § 59 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 und 3 und § 18 Abs. 2 Z. 3 Ärztegesetz 1998 wegen Wegfalles der gesundheitlichen Eignung für erloschen erklärt und die Streichung aus der Ärzteliste durchgeführt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 59 Abs. 3 Ärztegesetz 1998 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, dass er wie folgt zu lauten hat:

"Gemäß § 59 Abs. 3 Ärztegesetz 1998 in der geltenden Fassung wird festgestellt, dass eine Berechtigung von Frau (Beschwerdeführerin) zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht besteht, da ihre Berufsberechtigung gemäß § 59 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 und 2 Z 3 und 4 Ärztegesetz 1998 durch den Wegfall der Vertrauenswürdigkeit und der gesundheitlichen Eignung erloschen ist."

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Behörde erster Instanz habe die Beschwerdeführerin auf Grund von Patientenbeschwerden betreffend vorgenommener Heilbehandlungen und auf Grund ihrer schriftlichen Eingaben aufgefordert, sich einer Überprüfung ihrer gesundheitlichen Eignung im Sinne des § 4 Abs. 2 Z 4 Ärztegesetz 1998 zu unterziehen. Die Beschwerdeführerin sei jedoch zu zwei behördlich festgesetzten Terminen nicht erschienen. Der von der Behörde erster Instanz beauftragte gerichtlich beeidete Sachverständige für Psychiatrie und Neurologie habe in seinem - nach Untersuchung der Beschwerdeführerin erstellten - Gutachten ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin an einer psychiatrischen Erkrankung, und zwar an einer induzierten Psychose, leide. Sie übe ihre berufliche Tätigkeit durch eine wahnhafte Heilungsidee aus. In Bezug auf verbindliche medizinische Prozeduren sei ihre Realitätskontrolle nicht mehr gegeben. Derzeit sei die Beschwerdeführerin aus gesundheitlichen Gründen nicht geeignet, den ärztlichen Beruf ohne Risiko für die zu behandelnden Patienten auszuüben. Dieses Gutachten sei der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren zur Kenntnis gebracht worden. Die Frist zur Stellungnahme hiezu sei von der Berufungsbehörde über jeweiligen Antrag der Beschwerdeführerin mehrmals verlängert worden. Mit dem am 28. Februar 2003 bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz habe die Beschwerdeführerin ein psychiatrisches Gutachten des Dr. G. L., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vorgelegt und den Inhalt dieses Gutachtens zu ihrem Vorbringen gemacht.

Bei der Ärztekammer für Wien seien folgende Patientenbeschwerden über die Beschwerdeführerin eingebracht worden:

Die Patientin E. S. sei von der Beschwerdeführerin dahingehend informiert worden, dass eine Prothese in Folge "schlechten Karmas" etwa ein Jahr lang von einem Zahntechniker nicht habe repariert werden können. In einem an diese Patientin gerichteten Schreiben habe die Beschwerdeführerin behauptet, dass die Patientin in ihrem Vorleben eine Rachegöttin gewesen sei, die Karma gegen einen Zahntechniker gehabt habe. Als Ursache habe die Beschwerdeführerin die Ermordung des Zahntechnikers durch die Patientin in einem früheren Leben genannt. Die Patientin habe geschockt die Praxis der Beschwerdeführerin verlassen.

Im Falle der minderjährigen Patientin K. M. habe der Ehegatte der Beschwerdeführerin während der Zahnbehandlung mittels "Geisterbeschwörung" bzw. eines "spirituellen Ritus" Einfluss auf das Kind zu nehmen versucht. Trotz Aufforderung der Mutter dieser Patientin an die Beschwerdeführerin, dieses Verhalten ihres Mannes zu unterbinden, habe dieser mit Duldung der Beschwerdeführerin diese Handlungen beim nächsten Behandlungstermin wiederholt. Nach Abbruch der Behandlung habe die Mutter dieser Patientin von der Beschwerdeführerin einen Brief erhalten, in dem diese darlegte, dass der minderjährigen Patientin ein Zahn habe gezogen werden müssen, weil diese in einem Vorleben eine Priesterin gewesen sei, die aus Selbstsucht absichtlich gegen karmische Vollzugskräfte verstoßen habe. Das Karma müsse sie erst ausreichend sühnen, bevor eine weitere Heilbehandlung möglich sei.

Die Mutter der Patientin S. K. habe sich gegen die Einmischung und Bemerkungen des Ehegatten der Beschwerdeführerin während der Behandlung ausgesprochen. Ihr Ersuchen, die Patientin möge allein von der Beschwerdeführerin behandelt werden, sei von deren Ehegatten abgelehnt worden. Die Mutter der Patientin sei beschuldigt worden, eine negative Energie in die Zahnarztpraxis zu bringen, die Patientin würde in vier Monaten erlöst bzw. wieder geboren werden. Nach Abbruch der kieferorthopädischen Behandlung dieser Patientin, habe die Beschwerdeführerin in einem Brief die angewandte, gemeinsam mit ihrem Ehegatten ausgeführte Behandlungsmethode damit gerechtfertigt, dass die Patientin neben der physischen Zahnbehandlung auch eine gleichzeitige Behandlung des Seelenkörpers und sogar des Geistkörpers im Auftrag des einen großen Allmächtigen erhalten habe. Die Mutter der Patientin sei eine aktive Illuminata, die ihren Schülern durch eingebaute elektronische Chips Lebensenergie raube und in ihrer Kurzsichtigkeit den wahren Wert der Behandlung an ihrer Tochter nicht erkennen wolle. Die Patientin würde nur mehr in Abwesenheit ihrer Mutter behandelt werden, nur so könne das Kind eine positive Entwicklung erfahren.

Der minderjährigen Patientin N. A. sei die Nachstellung einer Zahnspange verweigert worden, da sie von negativen Strahlen in ihrem Wachstum, insbesondere im Oberkiefer, negativ beeinflusst sei. Der Vater der Patientin sei von der Beschwerdeführerin aufgefordert worden, mit seiner Gattin an einer Sitzung teilzunehmen, da dies zum Wohle des Kindes sei und die Führung einer harmonischen Ehe fördere. Die Beschwerdeführerin und ihr Gatte stünden ständig mit dem "Geist" in Kontakt, welcher auch bei den Behandlungen zu Hilfe gerufen werde. Der Vater der Patientin habe die Zahnarztpraxis der Beschwerdeführerin entrüstet verlassen.

Die Patientin E. H. habe ein Gedächtnisprotokoll über den Behandlungsverlauf bei der Beschwerdeführerin verfasst. Die Patientin habe sich über die mangelnde Qualität der eingesetzten Teilprothese beschwert. Diesem Vorwurf sei die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis begegnet, der Techniker habe in seinem achten Vorleben seinen Beruf schlecht ausgeübt; er habe statt Goldkronen Messing eingesetzt, wofür er büßen und Schadenersatz leisten müsse. Bei einem weiteren Behandlungstermin habe sich der Gatte der Beschwerdeführerin als "Heiler" vorgestellt, der "so etwas Ähnliches wie Jesus" sei. Beide hätten ihr Karma erforscht und festgestellt, dass die Patientin in ihren 900 Vorleben eine schlechte Person gewesen sei; sie müsse daher jetzt büßen und nur bei Erfüllung der gestellten Bedingungen könne ihr Zahn geheilt werden. In einem Schreiben habe die Beschwerdeführerin der Patientin mitgeteilt, dass die Heilung des Zahnes sieben Bedingungen voraussetze. (In diesem von der Patientin der Ärztekammer für Wien vorgelegten Schreiben wurden als solche Bedingungen u. a. genannt: Annahme des Karmas, Esoterische Weiterbildung, Taten im Sinne geistiger Erkenntnis, der Versuchung widerstehen, den Sieg über sich selbst erringen.)

Das Verhalten und die an die Patienten gerichteten Schreiben ließen den Verdacht auf eine deutliche psychische Auffälligkeit der Beschwerdeführerin aufkommen. Offensichtlich wirkten sich religiöse Themen auf die ärztliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin aus. In diesem Sinne habe der von der Behörde erster Instanz beigezogene Sachverständige in seinem Gutachten bei der Beschwerdeführerin eine psychotische Wahnsymptomatik festgestellt und ausgeführt, die Beschwerdeführerin lebe quasi in einem wahnhaften Gebäude mit "überwertigen" Ideen der Heilung. Auf Grund der bei ihr diagnostizierten induzierten Psychose übe die Beschwerdeführerin ihre ärztliche Tätigkeit durch eine wahnhafte Heilungsidee aus. Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten des Dr. L. komme zwar zu einer grundlegend anderen diagnostischen Einstufung und in weiterer Folge zu einer gänzlich anderen Beurteilung, die jedoch mit den vorliegenden, von der Beschwerdeführerin verfassten Schreiben keineswegs in Einklang gebracht werden könne. Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten enthalte keine Ausführungen, wann sie von diesem Gutachter untersucht wurde und ob die der belangten Behörde vorliegenden Schreiben der Beschwerdeführerin dem vorgelegten Privatgutachten zu Grunde gelegt worden seien. Die Befundung dieses Gutachtens sei sehr einseitig. Sie befasse sich weitgehend mit Schilderungen der Beschwerdeführerin, die darauf verwiesen habe, ihren Patienten eine ganzheitliche Behandlung zukommen lassen zu wollen, weil viele Krankheiten im Bereich der Zahnheilkunde psychosomatisch bedingt seien, weshalb sie ergänzend zur Schulmedizin ihren Patienten Behandlungsmethoden der Esoterik und der Homöopathie empfehle. Der Privatgutachter habe die Patientenbeschwerden zwar angesprochen, die Beschwerdeführerin jedoch mit den angeführten Vorfällen im Detail nicht konfrontiert. Die psychischen Ursachen des Verhaltens der Beschwerdeführerin seien nicht exploriert worden, die religiös motivierten Heilungsideen seien tiefenpsychologisch nicht näher untersucht worden. In diesem Gutachten werde zu den Patientenbeschwerden nur die Aussage der Beschwerdeführerin zitiert, dass sie "zusätzlich (kostenlos) ihre Meinung zur Entstehungsgeschichte der Krankheiten oder den aufgetretenen Schwierigkeiten bei der Anpassung von Zahnregulierungen mitgeteilt habe, denn sie wollte so auf die Patienten einwirken, dass sie mehr in sich gehen und die tieferen Ursachen von Erkrankungen und Gesundheitsstörungen erkennen". Zum Einwand, dass sie mit dieser Krankheitsätiologie bei den Patienten Ängste und Besorgnisse ausgelöst habe, werde nur die Aussage der Beschwerdeführerin festgehalten, "dass sei ihr unverständlich, da die Patienten sich das alle angehört hätten und sie aus deren Gesichtsausdruck und Worten bzw. Gegenfragen entnehmen konnte, dass sie interessiert und zufrieden für diese Extrazuwendung gewesen seien". Bei der Würdigung des Privatgutachtens sei grundsätzlich zu berücksichtigen gewesen, dass es sich um ein Privatgutachten handle, das von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegeben worden sei. Bemerkenswert sei auch, dass der Gutachter im Jahre 1998 von Amts wegen aus der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien geführten Sachverständigenliste gestrichen worden sei. Auf Grund der Darstellungen der Patientenbeschwerden im Zusammenhang mit den von der Beschwerdeführerin verfassten Schreiben an die Patienten sowie auf Grund des von der Behörde erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens sei davon auszugehen, dass bei der Beschwerdeführerin das gesamte berufliche und charakterliche Verhalten nicht geeignet sei, Vertrauen in die korrekte Ausübung des zahnärztlichen Berufes zu erwecken. Das Sich-Verlassen-Können der Patienten darauf, dass die Beschwerdeführerin bei der Ausübung de ärztlichen Berufes den Berufspflichten nach jeder Richtung entspreche, sei nicht gegeben.

Neben dem nicht gegebenen beruflichen Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit sei auf Grund der angeführten Patientenbeschwerden auch die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin zu prüfen gewesen. Die Beschwerdeführerin leide an einer induzierten Psychose. Sie übe ihre ärztliche Tätigkeit durch eine wahnhafte Heilungsidee aus. Die Realitätskontrolle unter Bezug zu medizinischen Prozeduren bestehe bei ihr nicht mehr. Es fehle der Beschwerdeführerin daher an der gesundheitlichen Eignung, den ärztlichen Beruf ohne unangemessenes Risiko für Patienten auszuüben. Die Beschwerdeführerin habe sich zwar zum Zwecke der Erstellung eines psychiatrischen Fachgutachtens vom Privatgutachter wohl bis spätestens Ende Februar 2003 untersuchen lassen. Die belangte Behörde habe am 4. März 2003 an den Amtssachverständigen den Auftrag erteilt, ein psychiatrisches Gutachten darüber zu erstellen, ob die Beschwerdeführerin derzeit über die im Ärztegesetz 1998 geforderte gesundheitliche Eignung verfüge, um den ärztlichen Beruf ohne unangemessenes Risiko für Patienten ausüben zu können. Den mit dem Amtssachverständigen vereinbarten Untersuchungstermin habe die Beschwerdeführerin wieder abgesagt. Einen weiteren vereinbarten Untersuchungstermin habe die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht wahrgenommen. Die belangte Behörde habe in der Folge den Vertreter der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13. Mai 2003 darauf hingewiesen, dass die fachärztliche Untersuchung durch die Beschwerdeführerin ohne die geforderte Anwesenheit ihres Gatten stattfinden müsse. In einem an den von der belangten Behörde bestellten Sachverständigen gerichteten Schreiben vom 21. Mai 2003 habe die Beschwerdeführerin den vereinbarten Untersuchungstermin wiederum abgesagt und festgehalten, dass sich ihrer Meinung nach auf Grund der Aktenlage eine weitere Untersuchung erübrige. Das Gutachten des Sachverständigen der Behörde erster Instanz sei durch das vorgelegte Privatgutachten eindeutig widerlegt. Es obliege nun der Behörde, sachgemäß, richtig und wahrheitsgetreu zu entscheiden. Die belangte Behörde habe daher kein gemäß § 18 Abs. 2 Z 4 Ärztegesetz 1998 gefordertes ärztliches Zeugnis über die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin einholen können. Auf Grund des Gutachtens des Amtssachverständigen der Behörde erster Instanz vom 3. April 2002 sei das Erfordernis der gesundheitlichen Eignung gemäß § 18 Abs. 2 Z 4 Ärztegesetz 1998 bei der Beschwerdeführerin nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin sei zu einer neuerlichen Untersuchung nicht bereit gewesen. Mit dem vorgelegten Privatgutachten habe nicht schlüssig nachgewiesen werden können, dass die Beschwerdeführerin die zur selbständigen Ausübung des zahnärztlichen Berufes erforderliche gesundheitliche Eignung wieder erlangt habe. Vielmehr hätten auch mit diesem Gutachten die Schlussfolgerungen des amtsärztlichen Sachverständigen nicht widerlegt werden können. Aus dem Privatgutachten ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin von ihrer wahnhaften Heilungsidee nicht abgekommen sei. Aus den vorliegenden Schreiben ergebe sich offenkundig, dass es sich bei der geschilderten (Behandlungs-) Methode der Beschwerdeführerin um keine ärztliche Tätigkeit handle, die auf medizinischwissenschaftlichen Erkenntnissen beruhe. Es müsse davon ausgegangen werden, dass Patienten der Beschwerdeführerin durch derartige Behandlungsmethoden und schriftliche Mitteilungen über die Ursache der zahnmedizinischen Leiden das Vertrauen in die korrekte Ausübung des zahnärztlichen Berufes verlören. Auffallend sei auch, dass die Beschwerdeführerin nur im Beisein ihres Gatten zu einer medizinischen Untersuchung bereit sei. Die belangte Behörde müsse daher davon ausgehen, dass bei der Beschwerdeführerin einerseits die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des zahnärztlichen Berufes wegen einer induzierten Psychose nicht vorliege und andererseits die Vertrauenswürdigkeit, das Sich-Verlassen-Können darauf, dass sie bei der Ausübung des zahnärztlichen Berufes den Berufspflichten nach jeder Richtung entspreche, nicht gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Berufsausübung. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat das Erlöschen der Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Ausübung des Zahnarztberufes auf § 59 Abs. 1 Z 1 Ärztegesetz 1998 gestützt, weil bei ihr die Vertrauenswürdigkeit und die gesundheitliche Eignung gemäß § 18 Abs. 2 Z 3 und 4 leg. cit. fehlten.

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998, in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 140/2003, haben folgenden Wortlaut:

"Der Beruf des Arztes

§ 2. (1) Der Arzt ist zur Ausübung der Medizin berufen.

(2) Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfasst jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere

1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Missbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind;

2. die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;

3. die Behandlung solcher Zustände (Z 1);

Der zahnärztliche Beruf

§ 16. (1) Die Ausübung des zahnärztlichen Berufes umfasst jede auf zahnmedizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere

1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Krankheiten und Anomalien der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich des dazugehörigen Gewebes;

2. die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung zahnmedizinisch-diagnostischer Hilfsmittel;

  1. 3. die Behandlung solcher Zustände (Z 1);
  2. 4. die Vornahme operativer Eingriffe im Zusammenhang mit den in Z 1 angeführten Zuständen;

    5. die Vorbeugung von Erkrankungen der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich des dazugehörigen Gewebes;

    6. die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und zahnmedizinisch-diagnostischen Hilfsmitteln im Zusammenhang mit den in Z 1 angeführten Zuständen.

    ...

Erfordernisse zur Berufsausübung

§ 18. (1) Zur selbständigen Ausübung des zahnärztlichen Berufes bedarf es, unbeschadet der §§ 19, 32 bis 34, 36 und 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

(2) Allgemeine Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind

  1. 3. die Vertrauenswürdigkeit,
  2. 4. die gesundheitliche Eignung …

    Ärzteliste

§ 27. …

(3) Der Nachweis der gesundheitlichen Eignung ist durch ein ärztliches Zeugnis zu erbringen. Der Nachweis der Vertrauenswürdigkeit ist durch eine Strafregisterbescheinigung oder eine vergleichbare Bescheinigung zu erbringen, in der keine Verurteilung aufscheint, die eine verlässliche Berufsausübung nicht erwarten lässt. Das ärztliche Zeugnis und die Strafregisterbescheinigung dürfen im Zeitpunkt der Anmeldung zur Eintragung nicht älter als drei Monate sein.

Selbständige Berufsausübung

§ 31. (1) Ärzte, die die Erfordernisse für die Ausübung des ärztlichen Berufes als Arzt für Allgemeinmedizin oder als approbierter Arzt erfüllt haben, sind zur selbständigen Ausübung einer allgemeinärztlichen Berufstätigkeit als Arzt für Allgemeinmedizin oder als approbierter Arzt berechtigt, gleichgültig, ob diese Berufstätigkeit freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt wird.

(4) Personen, die die Erfordernisse für die Berufsausübung als Zahnarzt oder Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde erfüllt haben, sind zur selbständigen zahnärztlichen Berufsausübung berechtigt, gleichgültig, ob diese Berufstätigkeit freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt wird.

(5) Zahnärzte sowie Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde haben ihre ärztliche Berufstätigkeit auf die Ausübung des zahnärztlichen Berufes zu beschränken. Dies gilt nicht für

1. Tätigkeiten von Fachärzten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde als Arbeitsmediziner im Sinne des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes,

2. Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, die unter den Voraussetzungen des § 40 in organisierten Notarztdiensten (Notarztwagen bzw. Notarzthubschrauber) fächerüberschreitend tätig werden.

Behandlung der Kranken und Betreuung der Gesunden

§ 49. (1) Der Arzt ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. Er hat sich laufend im Rahmen anerkannter Veranstaltungen der Fortbildungsprogramme der Ärztekammern in den Bundesländern oder der Österreichischen Ärztekammer oder im Rahmen anerkannter ausländischer Fortbildungsveranstaltungen fortzubilden und nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.

(2) Der Arzt hat seinen Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten auszuüben. Zur Mithilfe kann er sich jedoch Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach seinen genauen Anordnungen und unter seiner ständigen Aufsicht handeln.

Erlöschen und Ruhen der Berechtigung zur Berufsausübung,

Streichung aus der Ärzteliste

§ 59. (1) Die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes erlischt:

1. durch den Wegfall einer für die ärztliche Berufsausübung erforderlichen Voraussetzung,

(2) Die Gründe für das Erlöschen der Berechtigung nach Abs. 1 sind auch von Amts wegen wahrzunehmen.

(3) In den Fällen des Abs. 1 Z 1, 2 und 5 sowie im Fall der Z 4, wenn die Berufsausübung für eine Frist von mehr als drei Monaten untersagt worden ist, hat die Österreichische Ärztekammer die Streichung aus der Ärzteliste durchzuführen und mit Bescheid festzustellen, dass eine Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht besteht. …Gegen den Bescheid der Österreichischen Ärztekammer steht die Berufung an den Landeshauptmann offen, in dessen Bereich die ärztliche Tätigkeit ausgeübt worden ist.

2. Abschnitt

Disziplinarvergehen

§ 136. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland

1. das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen gegenüber beeinträchtigen oder

2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anlässlich der Promotion zum Doctor medicinae universae oder zum Doctor medicinae dentalis verpflichtet haben oder zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.

(2) Ärzte machen sich jedenfalls eines Disziplinarvergehens nach Abs. 1 Z 1 oder Z 2 schuldig, wenn sie

1. den ärztlichen Beruf ausüben, obwohl über sie rechtskräftig die Disziplinarstrafe der befristeten Untersagung der Berufsausübung (§ 139 Abs. 1 Z 3) verhängt worden ist, oder

2. eine oder mehrere strafbare Handlungen vorsätzlich begangen haben und deswegen von einem in- oder ausländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von zumindest 360 Tagessätzen oder zu einer Geldstrafe von mehr als 36 340 Euro verurteilt worden sind. Werden in einem oder mehreren Urteilen Freiheitsstrafen und Geldstrafen (nebeneinander) verhängt, ist die Summe der Freiheitsstrafen und der für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen verhängten Freiheitsstrafen maßgeblich. Wird in einem oder mehreren Urteilen ausschließlich auf Geldstrafen erkannt, sind diese zusammen zu zählen.

…"

Die Beschwerdeführerin erachtet die Annahme der belangten Behörde, sie sei vertrauensunwürdig im Sinne des § 18 Abs. 2 Z 3 Ärztegesetz 1998, deshalb für rechtswidrig, weil eine Vertrauensunwürdigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle nur dann vorläge, wenn die Beschwerdeführerin ein Verhalten gesetzt hätte, das den im § 343 ASVG aufgezählten Tatbeständen entspräche (rechtskräftige Verurteilung wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener gerichtlich strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe, rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen einer mit grobem Verschulden im Zusammenhang mit der Ausübung des ärztlichen Berufes begangenen strafbaren Handlung, wiederholte rechtskräftige zivilgerichtliche Verurteilung wegen Verschuldens des Vertragsarztes im Zusammenhang mit der Ausübung der vertraglichen Tätigkeit). Diese Auffassung wird nicht geteilt. Der im Ärztegesetz verwendete Begriff der Vertrauenswürdigkeit des Arztes ist nicht - auf die im § 343 Abs. 2 Z. 4 bis 6 ASVG - zur Auflösung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Vertragsarzt und dem Träger der Krankenversicherung - normierten Tatbestände beschränkt.

Im Zusammenhang mit der Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit und mit der Eintragung in die Ärzteliste sieht § 27 Abs. 3 ÄrzteG 1998 vor, dass der Nachweis der Vertrauenswürdigkeit des Arztes durch eine Strafregisterbescheinigung oder eine vergleichbare Bescheinigung zu erbringen ist, in der keine Verurteilung aufscheint, die eine verlässliche Berufsausübung nicht erwarten lässt. Daraus ist abzuleiten, dass bestimmte, strafbare Handlungen das allgemeine Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit im Sinn des § 18 Abs. 2 Z. 3 ÄrzteG 1998 beeinträchtigen oder ausschließen können. Aus § 27 Abs. 3 ÄrzteG 1998 ergibt sich aber nicht, dass der Verlust der Vertrauenswürdigkeit nur durch die Begehung von Straftaten herbeigeführt werden kann, weil diese Bestimmung schon wegen ihres systematischen Zusammenhanges - § 27 ÄrzteG 1998 behandelt die (erstmalige) Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit - Pflichtverletzungen im Rahmen einer bisherigen ärztlichen Tätigkeit nicht vor Augen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 97/11/0317, die Bedeutung strafbarer Handlungen (und zwar sowohl bei der Ausübung des ärztlichen Berufes als auch sonstige Straftaten) für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit hervorgehoben. In diesem Erkenntnis wurde zu § 1 Abs. 2 und § 95 Abs. 1 Z. 2 des Ärztegesetzes 1984 (diesen Bestimmungen entsprechen nunmehr § 2 Abs. 2 und § 136 Abs. 1 Z. 2 ÄrzteG 1998) ausgeführt, Vertrauenswürdigkeit bedeute das Sichverlassenkönnen darauf, dass ein Arzt bei Ausübung des ärztlichen Berufes den Berufspflichten nach jeder Richtung entspricht. Daraus ergibt sich, dass nicht nur strafbare Handlungen, sondern auch Berufspflichtverletzungen, die nach ihrer Art und Schwere mit den in § 27 Abs. 3 ÄrzteG 1998 angesprochenen strafbaren Handlungen vergleichbar sind, den Verlust der Vertrauenswürdigkeit nach sich ziehen können. Daher ist im jeweiligen Einzelfall zunächst zu prüfen, ob der betreffende Arzt überhaupt eine Verletzung von Berufspflichten, zu deren Einhaltung er im Sinn des § 136 Abs. 1 Z. 2 ÄrzteG 1998 verpflichtet ist, begangen hat, und sodann unter Berücksichtigung eines allfälligen seitherigen Wohlverhaltens zu bewerten, ob diese Pflichtverletzung derart erheblich ist, dass eine weitere Bejahung der Vertrauenswürdigkeit des Arztes ausgeschlossen werden muss.

Wenn die belangte Behörde daher im vorliegenden Beschwerdefall die Auffassung vertritt, die Vertauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin sei nicht mehr gegeben, ohne zuvor das geschilderte Verhalten der Beschwerdeführerin der Verletzung von - im Einzelnen darzulegenden - Berufspflichten zu subsumieren und ohne im Anschluss daran deren Erheblichkeit im genannten Sinn zu bewerten, so hat sie die nach dem bisher Gesagten gebotene Beurteilung, und zwar offenkundig in Verkennung der Rechtslage, unterlassen.

Der besagte Mangel des angefochtenen Bescheides führte nur dann nicht zu seiner Aufhebung, wenn sich zumindest die Annahme des Fehlens der gesundheitlichen Eignung der Beschwerdeführerin als zutreffend erwiese. Auch das ist jedoch nicht der Fall, weil die genannte Annahme der belangten Behörde auf nicht ausreichenden Ermittlungsergebnissen beruht. Die belangte Behörde stützte sich nämlich insoweit auf das Gutachten des Dr. F. Selbst wenn man entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin dieses Gutachten als schlüssig erachtet (was hier nicht weiter zu prüfen ist), so hätte es in Anbetracht des zum gegenteiligen Ergebnis gelangenden, nicht von vornherein als unschlüssig erkennbaren Gegengutachtens des Dr. L. jedenfalls eines weiteren ärztlichen Gutachtens bedurft, welches die beiden genannten Gutachten aus medizinisch-fachlicher Sicht einer vergleichenden Wertung unterzieht und auf deren Basis unter Bedachtnahme auf das Verhalten der Beschwerdeführerin einschließlich ihrer aus Anlass dieser Vorfälle verfassten Briefe zur strittigen Frage (induzierte Psychose und deren Auswirkung auf das berufliche Verhalten der Beschwerdeführerin) Stellung nimmt.

Wegen der vom Verwaltungsgerichtshof vorrangig zu beachtenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. Februar 2005

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