VwGH 2003/10/0140

VwGH2003/10/014016.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, in der Beschwerdesache des MB in M, Deutschland, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner, Rechtsanwälte OEG in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20, gegen den Bescheid des Senates der Universität Wien vom 23. April 2003, Zl. 82/3-2002/2003, betreffend Nichtzulassung zum Studium der Studienrichtung Humanmedizin, den Beschluss gefasst:

Normen

62003CJ0147 Kommission / Österreich;
AHG 1949 §11;
UniStG 1997 §36 Abs1;
UniversitätsG 2002 §124a idF 2005/I/077;
UniversitätsG 2002 §124b idF 2006/I/074;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
62003CJ0147 Kommission / Österreich;
AHG 1949 §11;
UniStG 1997 §36 Abs1;
UniversitätsG 2002 §124a idF 2005/I/077;
UniversitätsG 2002 §124b idF 2006/I/074;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.

Aufwandersatz wird nicht zugesprochen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Senates der Universität Wien vom 23. April 2003 wurde der Beschwerdeführer, der in Deutschland die allgemeine Universitätsreife (Absolvierung des Abiturs) erworben hat, zum Studium der Studienrichtung Humanmedizin im Wintersemester 2002/2003 nicht zugelassen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe keinen aktuellen Studienplatznachweis für das Studium der Studienrichtung Humanmedizin an einer deutschen Universität erbringen können. Allerdings verlange § 36 Abs. 1 Universitätsstudiengesetz (UniStG) zusätzlich zur allgemeinen Universitätsreife den Nachweis der im Ausstellungsstaat der Urkunde, mit der die allgemeine Universitätsreife nachgewiesen wird, bestehenden studienrichtungsspezifischen Zulassungsvoraussetzungen einschließlich des Rechts zur unmittelbaren Zulassung zum Studium.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer im Recht auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin verletzt erachtet.

Die belangte Behörde verwies auf die im verfassungsgerichtlichen Verfahren erfolgte Aktenvorlage und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Über hg. Aufforderung teilte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 4. August 2006 mit, dass er sich durch den angefochtenen Bescheid weiterhin in seinen Rechten aktuell verletzt erachte. Zur Durchsetzung eines Amts- bzw. Staatshaftungsanspruches müsse nämlich zunächst die Rechtsverletzung festgestellt werden, was nur durch eine meritorische Entscheidung über die von ihm erhobene Beschwerde möglich sei. Durch die entstandene Verzögerung in der Zulassung zum Studium werde dem Beschwerdeführer eine (vergleichsweise) frühere Beendigung des Studiums unmöglich gemacht. Dies habe zur Folge, dass er in Hinkunft gegenüber potenziellen jüngeren Bewerbern um eine Stelle benachteiligt sei, wie er überhaupt bei jeder Neubewerbung um eine Stelle den Altersnachteil gegen sich gelten lassen müsse. Damit verbunden seien verminderte Aufstiegschancen und Einkommensnachteile. Überdies müsse er nunmehr eigene Eignungstests absolvieren, um zum Studium zugelassen zu werden. Hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer bereits im Wintersemester 2002 zum Studium der Humanmedizin zugelassen, wäre er heute nicht zur Ablegung des Eignungstests sowie den damit verbundenen finanziellen und zeitlichen Aufwendungen verpflichtet.

Der angefochtene Bescheid ist auf § 36 Abs. 1 Universitäts-Studiengesetz (UniStG) gestützt, wonach zusätzlich zur allgemeinen Universitätsreife der Nachweis der Erfüllung der im Ausstellungsstaat der Urkunde, mit der die allgemeine Universitätsreife nachgewiesen wird, bestehenden studienrichtungsspezifischen Zulassungsvoraussetzungen einschließlich des Rechtes der unmittelbaren Zulassung zum Studium verlangt wurden.

Das UniStG trat gemäß § 143 Abs. 9 Universitätsgesetz 2002 - mit Ausnahme der Verfassungsbestimmungen - mit Ablauf des 31. Dezember 2003 außer Kraft. An die Stelle des § 36 Abs. 1 UniStG trat mit 1. Jänner 2004 die - im Wesentlichen gleich lautende - Regelung des § 65 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, allerdings mit dem Zusatz, dass der Nachweis eines Studienplatzes nicht zu fordern ist.

Mit Urteil vom 7. Juli 2005 (Rs C-147/03 , Kommission/Österreich) stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, dass Österreich gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht (resultierend aus den Art. 12, 149 und 150 EGV) verstoßen habe, weil nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen worden seien, um sicherzustellen, "dass die Inhaberinnen und Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Sekundarschulabschlüssen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Inhaberinnen und Inhaber von in Österreich erworbenen Sekundarabschlüssen Zugang zum Hochschul- und Universitätsstudium in Österreich haben." § 36 Abs. 1 UniStG, so der EuGH, sei zwar unterschiedslos auf alle Studierenden anwendbar, aber geeignet, sich stärker auf Angehörige anderer Mitgliedstaaten auszuwirken als auf österreichische Staatsangehörige, sodass die damit verbundene unterschiedliche Behandlung zu einer mittelbaren Diskriminierung führe. Eine solche sei nur gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhe und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck stehe, der mit den nationalen Rechtsvorschriften verfolgt werde. Allerdings sei nicht dargetan worden, "dass ohne § 36 UniStG der Bestand des österreichischen Bildungssystems im Allgemeinen und die Wahrung der Einheitlichkeit der Hochschulbildung im Besonderen gefährdet wären". Die fraglichen Rechtsvorschriften seien daher "mit den Zielen des EG-Vertrages nicht vereinbar".

Der Nationalrat beschloss am 8. Juli 2005 eine Novelle zum Universitätsgesetz 2002 (BGBl. I Nr. 77/2005), die am 29. Juli 2005 in Kraft getreten ist: Gemäß § 124a Universitätsgesetz 2002 ist die Universitätsberechtigungsverordnung (BGBl. II Nr. 44/1998) sinngemäß auch für Reifezeugnisse anzuwenden, die nicht in Österreich ausgestellt wurden, und es wurden die Universitäten gemäß § 124b Universitätsgesetz 2002 ermächtigt, für einen Übergangszeitraum von drei Jahren den Zugang zu den acht vom deutschen Numerus clausus betroffenen Studien durch ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung oder durch die Auswahl der Studierenden bis längstens zwei Semester nach der Zulassung zu beschränken.

Durch eine weitere Novelle (BGBl. I Nr. 74/2006) wurde § 124b Universitätsgesetz 2002 ergänzt: In § 124b Abs. 5 Universitätsgesetz 2002 wurde die Ermächtigung der Bundesministerin oder des Bundesministers normiert, durch Verordnung jene Studien (innerhalb der Gruppe der von Zugangsbeschränkungen in Deutschland betroffenen Studien) festzulegen, bei denen ein erhöhter Zustrom von Inhaberinnen und Inhabern nicht in Österreich ausgestellter Reifezeugnisse zu einer schwer wiegenden Störung der Homogenität des Bildungssystems führt. Zum Schutz der Homogenität des Bildungssystems in den in der Verordnung genannten Studien sind - unbeschadet des Auswahlverfahrens - 95 v.H. der jeweiligen Gesamtstudienplätze für Studienanfängerinnen und Studienanfänger den EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern (und ihnen im Hinblick auf den Studienzugang gleich gestellte Personen) vorbehalten. 75 v.H. der jeweiligen Gesamtstudienplätze für Studienanfängerinnen und Studienanfänger stehen den Inhaberinnen und Inhabern in Österreich ausgestellter Reifezeugnisse zur Verfügung.

"Die besondere Universitätsreife gemäß § 65 UG 2002" - so die Gesetzesmaterialien (AB, 1308 Blg. NR, 22. GP, Seite 3) - "findet auf Inhaberinnen und Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Reifezeugnissen keine Anwendung mehr, soweit diese kraft unmittelbare Wirkung entfaltendem Gemeinschaftsrecht das Recht auf Gleichbehandlung beim Zugang zur allgemeinen und beruflichen Bildung haben. In diesen Fällen wird § 65 UG 2002 nämlich von den einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes verdrängt." Entsprechend der vom EuGH in seinem Urteil vom 7. Juli 2005 vorgenommenen Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechtes seien daher "Inhaber von in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Sekundarschulabschlüssen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Inhaberinnen und Inhaber von in Österreich erworbenen Sekundarschulabschlüssen zu Hochschul- und Universitätsstudium in Österreich zuzulassen."

Mit Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, BGBl. II Nr. 238/2006, idF BGBl. II Nr. 345/2006, wurde festgelegt, dass u.a. im Diplomstudium Humanmedizin an der Medizinischen Universität Wien eine schwer wiegende Störung der Homogenität des Bildungssystems vorliege (§ 1 der VO).

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluss für gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Nach ständiger hg. Rechtsprechung ist § 33 Abs. 1 VwGG allerdings nicht auf Fälle formeller Klaglosstellung beschränkt. Vielmehr kann eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. den hg. Beschluss vom 29. Juni 2006, Zl. 2004/10/0083 und die dort zitierte Vorjudikatur). Ein solcher Fall liegt hier vor. Wie dargestellt haben nämlich die Regelungen der §§ 124a und 124b Universitätsgesetz die Zulassung von Studierenden mit einem in Deutschland ausgestellten Reifezeugnis zum Studium in Österreich auf eine neue Grundlage gestellt. Eine Zulassung des Beschwerdeführers zum Studium der Humanmedizin in Österreich ist nunmehr (bloß) von der Erfüllung der hier normierten Voraussetzungen abhängig. Von der Notwendigkeit, diese Voraussetzungen zu erfüllen, wäre der Beschwerdeführer aber auch im Falle einer Behebung des angefochtenen Bescheides nicht entbunden. Eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides könnte den Beschwerdeführer insbesondere nicht "in den Stand des Jahres 2002" versetzen (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 26. September 2005, Zl. AW 2005/10/0029). Andererseits entfaltet die dem Beschwerdeführer - unter der Geltung der früheren Rechtslage - für das Wintersemester 2002/2003 verweigerte Zulassung zum Studium der Humanmedizin keine bindende Wirkung für die Entscheidung über einen allfälligen nunmehrigen Zulassungsantrag. Insoweit macht es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers daher keinen Unterschied, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder nicht.

Betreffend das (oben wiedergegebene) Vorbringen des Beschwerdeführers ist zu beachten, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde einer Partei keinen Anspruch auf eine verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden an sich gewähren, sondern nur einen Anspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 4. November 2002, Zl. 2000/10/0191, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Mit dem Hinweis auf einen zu befürchtenden Vermögensschaden, dessen Geltendmachung die Feststellung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides erfordere, zeigt der Beschwerdeführer eine fortwirkende Rechtsverletzung durch den angefochtenen Bescheid nicht auf. Ein im Wege der Amtshaftung geltend zu machender Anspruch auf Ersatz eines Vermögensschadens alleine ändert nach ständiger hg. Judikatur nämlich noch nichts am Fehlen der Möglichkeit, durch den angefochtenen Bescheid fortdauernd in seinen Rechten verletzt zu sein (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 18. Dezember 2002, Zl. 2000/10/0004, und die dort zitierte Vorjudikatur). In diesem Zusammenhang ist auf § 11 des Amtshaftungsgesetzes hinzuweisen.

Zufolge des Wegfalls eines rechtlichen Interesses des Beschwerdeführers an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes war die vorliegende Beschwerde daher im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren hierüber einzustellen.

Mangels einer formellen Klaglosstellung liegen die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall ist (angesichts der Darlegungen im hg. Beschluss vom 26. September 2005, Zl. AW 2005/10/0029) keineswegs ohne weiteres und daher nicht ohne unverhältnismäßigen Prüfungsaufwand zu ersehen, welchen Ausgang das verwaltungsgerichtliche Verfahren genommen hätte, wäre die Beschwerde nicht gegenstandslos geworden. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt daher nach freier Überzeugung, dass ein Kostenzuspruch weder an den Beschwerdeführer, noch an die belangte Behörde stattfindet.

Wien, am 16. Oktober 2006

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