VwGH 2003/10/0004

VwGH2003/10/000412.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des DDr. GW in W, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. Juni 2002, Zl. N-104680/20-2002-Pin/Sö, betreffend naturschutzbehördliche Feststellung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
B-VG Art130 Abs2;
NatSchG OÖ 2001 §3 Z2;
NatSchG OÖ 2001 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;
AVG §37;
B-VG Art130 Abs2;
NatSchG OÖ 2001 §3 Z2;
NatSchG OÖ 2001 §9 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 6. Juli 1999 beantragte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (BH) die bescheidmäßige Feststellung, dass durch die Errichtung einer Steganlage vor dem Seeufergrundstück Nr. 807/4 KG A im Wassergut Grundstück Nr. 807/1 KG A öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes nicht verletzt werden. Nach Ausweis der angeschlossenen Pläne sollte die Steganlage aus einer Plattform von 4 m x 3 m und einem von der Uferlinie zur Plattform führenden, 5 x 1,5 m messenden Steg bestehen.

Die BH holte Befund und Gutachten einer Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz ein. Danach befinde sich das Grundstück ca. 300 m nördlich der Ortstafel von A. Das Landschaftsbild werde im gegenständlichen Bereich geprägt

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 59 Abs. 3 des am 1. Jänner 2002 in Kraft getretenen Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001, LGBl. Nr. 129/2001 (Oö. NSchG 2001) sind die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Landesgesetzes anhängigen individuellen Verwaltungsverfahren - mit Ausnahme des § 39 - nach den Bestimmungen dieses Landesgesetzes weiter zu führen.

Gemäß § 9 Abs. 1 Oö. NSchG 2001 ist jeder Eingriff in das Landschaftsbild und im Grünland (§ 3 Z. 6) in den Naturhaushalt an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts verboten, solange die Behörde nicht bescheidmäßig festgestellt hat, dass solche öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden.

Gemäß § 3 Z. 2 Oö. NSchG 2001 ist unter einem Eingriff in das Landschaftsbild eine Maßnahme von nicht nur vorübergehender Dauer, die zufolge ihres optischen Eindruckes das Landschaftsbild maßgeblich verändert, zu verstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlass, der Anregung der Beschwerde zu folgen, die Aufhebung dieser Vorschriften beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Die Annahme der Beschwerde, dass die Vorschriften inhaltlich nicht ausreichend bestimmt wären, weil es im "willkürlichen Ermessen" der Behörde liege, ob eine "maßgebliche Veränderung des Landschaftsbildes vorliege", trifft nicht zu (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum erwähnten Begriff, z. B. die Erkenntnisse vom 14. September 2004, Zl. 2001/10/0178, vom 23. Februar 2004, Zl. 2000/10/0173, und vom 16. Dezember 2002, Zl. 2000/10/0202, sowie die jeweils angeführte Vorjudikatur).

Die Beschwerde ist allerdings mit ihrer Auffassung im Recht, die dem angefochtenen Bescheid beigegebene Begründung könne die Annahme der Behörde, der beantragte Steg bewirke eine maßgebliche Veränderung des optischen Eindruckes der Landschaft, nicht tragen. Entgegen der in der Gegenschrift von der belangten Behörde vertretenen Auffassung kann der Beschwerde insgesamt auch entnommen werden, dass sich der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines Antrages auf naturschutzbehördliche Feststellung verletzt erachtet. Im Rahmen dieses Beschwerdepunktes hat der Verwaltungsgerichtshof auch die dem angefochtenen Bescheid anhaftenden Begründungsmängel wahrzunehmen.

Die Annahme eines Eingriffes in das Landschaftsbild setzt voraus, dass durch die betreffende Maßnahme der optische Eindruck des Bildes der Landschaft maßgebend verändert wird. Entscheidend ist dabei, inwieweit das aktuelle, durch eine Vielzahl von (der Entfernung nicht oder nicht mehr unterliegenden) Merkmalen geprägte Bild der Landschaft infolge Hinzutretens der beantragten Maßnahme optisch verändert wird. Um hier von einer maßgebenden Veränderung sprechen zu können, ist es notwendig, dass die Maßnahme im "neuen" Bild der Landschaft prägend in Erscheinung tritt. Fällt ihr Einfluss auf das Bild der Landschaft jedoch wegen seiner untergeordneten Bedeutung nicht ins Gewicht, so vermag die Maßnahme das Landschaftsbild auch nicht maßgebend zu verändern (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 24. November 2003, Zl. 2002/10/0077).

Den sachverständigen Darlegungen ist - wie in dem dem soeben erwähnten Erkenntnis zugrunde liegenden Fall - zu entnehmen, dass die vom Beschwerdeführer beantragte Steganlage in einer "relativ klein parzellierten, intensiv gestalteten und dadurch stark anthropogen überformten Freizeitkulturlandschaft" ausgeführt werden soll, deren Bild durch Boots- und Badehütten, einem Wohnhaus, Ufersicherungen in Form von Ufermauern und Holzkonstruktionen, vorgelagerten Steganlagen, Grundstückseinfriedungen in Form von Hecken und Zäunen und in geringerem Ausmaß auch durch die seeseitig vorgelagerten Bojen geprägt sei. Auch die vorgelagerte Wasserfläche des Sees mit einer Vielzahl von Stegen und Bojen entspreche dem Erscheinungsbild eines intensiv genutzten Erholungs-, Bade- und Wassersportgebietes.

Auf der Grundlage dieser Darlegungen ist aber die Annahme verfehlt, die beantragte Steganlage werde zwar optisch sicherlich nicht besonders hervorstechen, aber dennoch zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führen, weil durch ihre Errichtung in diesem Bereich die Gewichtung weiter zugunsten künstlicher bzw. zuungunsten natürlicher und naturnaher Faktoren verschoben werde. Es wird nämlich übersehen, dass es vorwiegend "künstliche Faktoren" sind, die im Bild der betroffenen Landschaft bestimmend in Erscheinung treten. Eine "zusätzliche Verdichtung" künstlicher Faktoren könnte zwar Bedeutung erlangen, wenn dadurch eine neue Prägung des Landschaftsbildes bewirkt würde; dies ist im vorliegenden Fall aber nicht ersichtlich. Das Vorhaben liegt nach den Feststellungen innerhalb eines stark anthropogen veränderten Bereiches, der durch seine Ausführung keine räumliche Ausdehnung erführe. Auch angesichts der Feststellung, dass die beantragte Steganlage in einem etwa 120 m langen Uferabschnitt läge, der sich "aufgrund der relativ geringen Stegdichte deutlich von den anschließenden Uferabschnitten mit einer durchschnittlich doppelten bis dreifachen Stegdichte unterscheidet", und des Hinweises auf eine in ihrer Bedeutung für das Landschaftsbild (abgesehen vom soeben Erwähnten) nicht näher beschriebenen "Puffer - bzw. Fensterfunktion" ist nicht zu erkennen, dass die Errichtung der geplanten Steganlage zu einer maßgeblichen Verstärkung der Wirkung anderer Eingriffe - im Sinne einer maßgeblichen "Verdichtung" der Abfolge "künstlicher" Elemente - führen würde. Es ist nämlich nicht ersichtlich, inwieweit das Fehlen einer Steganlage vor dem Grundstück des Beschwerdeführers ein das Bild der Landschaft derart prägender Faktor wäre, dass dessen Verlust entscheidende, weil das neue Bild maßgeblich bestimmende Bedeutung besäße.

Die Beurteilung der vom Beschwerdeführer beantragten Steganlage als Eingriff in das Landschaftsbild im Sinne des § 9 Abs. 1 Oö. NSchG 2001 beruht somit nicht auf einer mängelfreien Grundlage. Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem im Ergebnis anderen Bescheid gelangt wäre, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG. Er war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 12. September 2005

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