VwGH 2003/08/0158

VwGH2003/08/015820.4.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des E in H, vertreten durch Dr. Christoph Koller, Rechtsanwalt in 5201 Seekirchen, Wallerseestraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 18. Juni 2003, Zl. 3/05- V/13.578/4-2003, betreffend Haftung für Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse in 5020 Salzburg, Faberstraße 19-23), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §67 Abs10;
ASVG §67 Abs10;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 24. April 2001 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als Geschäftsführer der R GmbH verpflichtet, den Beitragsrückstand dieser Gesellschaft in der Höhe von S 210.075,05 (EUR 15.266,75) zu bezahlen. Zur Zusammensetzung des Rückstandes wurde auf den dem Bescheid angeschlossenen Rückstandsausweis vom 24. April 2001 verwiesen. Nach diesem Rückstandsausweis setzte sich der Beitragsrückstand der R GmbH zum 24. April 2001 aus Beiträgen in der Höhe von S 137.467,38 (EUR 9.990,14), von diesem Betrag berechneten Verzugszinsen bis 24. April 2001 in der Höhe von S 29.497,97, Beitragszuschlägen gemäß § 113 Abs. 1 ASVG in der Höhe von S 40.343,-- sowie Kosten von S 2.766,70 zusammen. Diese Beiträge samt Nebengebühren hätten bei der Primärschuldnerin trotz geführter Zwangsmaßnahmen nicht eingebracht werden können.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ab. Dabei stellte sie fest, dass die "im erstinstanzlichen Haftungsbescheid ausgewiesene Beitragsschuld zur Gänze eine Beitragsnachverrechnung aus Beitragsprüfung für den Beitragszeitraum 01.03.1994 bis 31.12.1998" darstelle. Grundlage des erstinstanzlichen Bescheides sei eine Betriebsprüfung gewesen, in der festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer die Aufzeichnungen über die Abrechnung der Reisekosten unvollständig und mangelhaft ausgefüllt habe, wobei die Einsatzorte der Mitarbeiter größtenteils nicht angegeben gewesen seien. Anlass dieser Beitragsprüfung sei eine vorangegangene Betriebsprüfung durch das Finanzamt gewesen, bei welcher ebenfalls die Reisekostenersätze bemängelt worden seien. In der Folge sei am 17. Mai 1999 eine Beitragsnachverrechnung in der Höhe von EUR 15.642,82 und am 18. Mai 1999 ein Bescheid hinsichtlich eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG über EUR 2.931,84, somit mit einem Gesamtbetrag von EUR 18.574,66, gegen die Primärschuldnerin R GmbH ergangen, welcher mangels Einspruchs in Rechtskraft erwachsen sei. In der Folge sei bei der Primärschuldnerin vergeblich versucht worden, die Forderung aus der Beitragsnachverrechnung einbringlich zu machen. Der von der mitbeteiligten GKK gestellte Konkursantrag betreffend das Vermögen der Primärschuldnerin sei vom Landesgericht Salzburg mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Somit stehe die Uneinbringlichkeit der Forderung bei der Primärschuldnerin zweifelsfrei fest. Zu den vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Meldepflichtverletzungen verwies die belangte Behörde auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Unkenntnis in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten keine Befreiung von der Abgabenhaftung bewirke.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat Verwaltungsakten vorgelegt, sich zur Beschwerde aber nicht geäußert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften (u.a.) die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192, Slg. Nr. 15528/A, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG in Ermangelung weiterer, in den gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich normierter Pflichten des Geschäftsführers im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese in § 111 ASVG i.V.m. § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen sind. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher, sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Beitragsforderung kausal ist, zu einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG führen. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

2. Im Beschwerdefall steht schon auf Grund der gegenüber der

R GmbH erfolgten unbestritten gebliebenen Beitragsnachverrechnung sowie des auf Grund dieser Beitragsnachverrechnung ergangenen rechtskräftigen Bescheides über einen Beitragszuschlag fest, dass es hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Beiträge zu Meldepflichtverletzungen gekommen ist. Der Beschwerdeführer kann sich daher auch nicht darauf berufen, dass es sich bei den "beitragsfrei" ausbezahlten Bezügen um beitragsfreie Reisespesen im Sinne des § 49 Abs. 3 ASVG gehandelt hätte.

Der Beschwerdeführer vermeint jedoch, dass ein "schuldhaftes Verhalten oder die Verletzung einer Sorgfaltswidrigkeit" nicht vorliege. Die R GmbH habe ordnungsgemäß laufend die Beiträge an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse abgeführt. Seitens des Finanzamtes sei schließlich eine Steuerprüfung und darauf aufbauend eine Beitragsprüfung durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erfolgt. Dabei sei zu Grunde gelegt worden, dass die R GmbH nach Ansicht des Finanzamtes und darauf aufbauend auch nach Ansicht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu Unrecht Reisespesen an Beschäftigte beitragsfrei ausbezahlt habe. Der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer der R GmbH laufend dafür Sorge getragen, dass "die nach seinem Informationsstand abzuführenden Beiträge" bezahlt worden seien.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass - wie sich aus der auch vom Beschwerdeführer unbestrittenen Beitragsnachverrechnung gegenüber der Primärschuldnerin ergibt - von einer ordnungsgemäßen Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Primärschuldnerin tatsächlich keine Rede sein kann. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht für die Verwirklichung der Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit bei der Verletzung der den Geschäftsführer treffenden Verpflichtungen aus. Ein Meldepflichtiger hat sich alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse zu verschaffen und den Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten. Der Dienstgeber - bzw. der Geschäftsführer einer GmbH - ist daher nur dann entschuldigt, wenn er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der Frage der Meldepflicht sachkundig zu machen. Vor diesem Hintergrund wäre es daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, bereits im Verwaltungsverfahren, aber auch in seiner Beschwerde im Einzelnen darzulegen, aus welchen besonderen Gründen, ungeachtet allfälliger, von ihm eingeholter zweckdienlicher Erkundigungen, die Meldungen unterblieben sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. September 1996, Zl. 96/08/0205). Ein derartiges Vorbringen hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde erstattet.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers bezieht sich auch in der Beschwerde ausschließlich darauf, dass für die Jahre 1994 bis 1996 - in denen es zu den Beanstandungen, die zur Nachverrechnung geführt haben, gekommen sei - die Lohnsteuerrichtlinien 1992 maßgebend gewesen seien. Wörtlich führt der Beschwerdeführer aus:

"In diesen Ausführungen sind über die Begründung eines weiteren Mittelpunktes der Tätigkeit des Steuerschuldners nicht in der Form enthalten, wie sie schließlich zugrundegelegt worden sind. Es galten steuerrechtlich und damit auch SV-rechtlich die Bestimmungen des § 16 EStG 1994."

Soweit dieses Vorbringen dahingehend zu verstehen ist, dass in den Lohnsteuerrichtlinien 1992 in den Jahren 1994 bis 1996 noch nicht jene Erläuterungen zu § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG enthalten gewesen sind, die schließlich der Steuerprüfung bei der R GmbH zu Grunde gelegt worden seien, ist für den Beschwerdeführer daraus nichts zu gewinnen. Abgesehen davon, dass nach den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens wie auch nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers die Steuerprüfung auch eine unrichtige steuerliche Behandlung der Reisekosten ergeben hat, kann der nicht näher substanziierte Verweis auf die Stammfassung der Lohnsteuerrichtlinien 1992 nicht die konkrete Darlegung ersetzen, dass und wie er seiner Verpflichtung nachgekommen ist, sich über die Meldepflichten gegenüber der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse kundig zu machen. Der Beschwerdeführer vermag damit nicht nachzuweisen, dass ein Verschulden an den Meldepflichtverstößen nicht vorliegt.

3. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass die Verletzung der Meldepflichten für die Nichteinbringung der Beiträge nicht ursächlich war, da "bei Fälligkeit der Nachforderungsbeträge" die

R GmbH über diese Beiträge nicht mehr verfügt habe und in diesem Zeitpunkt auch keine laufenden Sozialversicherungsbeiträge mehr zu leisten gewesen seien, weil die R GmbH ihre Tätigkeit eingestellt habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass es zur Beurteilung der Kausalität der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden nicht auf den Zeitpunkt der Nachverrechnung auf Grund einer Beitragsprüfung ankommt, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die Meldepflicht verletzt wurde. Dass aber die Primärschuldnerin in den Jahren 1994 bis 1996 nicht in der Lage gewesen wäre, im Falle einer ordnungsgemäßen Meldung die sich daraus ergebenden Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, sondern vielmehr hervorgehoben, dass die Primärschuldnerin stets ihren laufenden Beitragsverpflichtungen nachgekommen sei.

4. Die Beschwerde erweist sich jedoch insofern als begründet, als die belangte Behörde eine Haftung auch für jene Rückstände der Primärschuldnerin angenommen hat, die sich aus Zinsen, Beitragszuschlägen und Kosten ergeben haben. Für die Entrichtung dieser Nebengebühren fehlt es an einer spezifischen sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtung des Geschäftsführers im Sinne des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zl. 98/08/0191, 0192 (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juli 2001, Zl. 2001/08/0061, und vom 4. August 2004, Zl. 2002/08/0145).

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das auf den Ersatz der Beschwerdegebühr gerichtete Begehren war im Hinblick auf die auch vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen. Der zugesprochene Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand in Höhe von EUR 991,20 beinhaltet bereits die Umsatzsteuer.

Wien, am 20. April 2005

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