VwGH 2003/07/0155

VwGH2003/07/015526.2.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde der A - Ges.m.b.H & Co KG in M, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, Am Hof 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 20. Oktober 2003, Zl. 61 3542/682-VI/1/03-Ga, betreffend Abfallverbringung, zu Recht erkannt:

Normen

31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Art2 litc idF 31998D0368;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Art7 Abs2 idF 31998D0368;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Titel2 AbschnittA;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Titel2 AbschnittB;
61996CJ0203 Chemische Afvalstoffen Dusseldorp VORAB;
62000CJ0006 ASA Abfall Service VORAB;
AVG §13 Abs1;
AVG §16 Abs1;
AVG §16 Abs2 idF 2001/I/137;
AVG §16 Abs2;
AVG §16 idF 2001/I/137;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §47;
AWG 2002 §66 Abs1;
EURallg;
VwRallg;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Art2 litc idF 31998D0368;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Art7 Abs2 idF 31998D0368;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Titel2 AbschnittA;
31993R0259 Abfälle-VerbringungsV Titel2 AbschnittB;
61996CJ0203 Chemische Afvalstoffen Dusseldorp VORAB;
62000CJ0006 ASA Abfall Service VORAB;
AVG §13 Abs1;
AVG §16 Abs1;
AVG §16 Abs2 idF 2001/I/137;
AVG §16 Abs2;
AVG §16 idF 2001/I/137;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §47;
AWG 2002 §66 Abs1;
EURallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 7. August 2003 übermittelte die beschwerdeführende Partei der belangten Behörde Notifizierungsunterlagen für die Verbringung von 3.500 t Filterstaub aus der Müllverbrennungsanlage in D zur Verwertung im Kalibergwerk B in Deutschland.

Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme eines Amtssachverständigen ein.

Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die geplante Abfallbehandlung (Einsatz der Abfälle zur Verfüllung versatzpflichtiger Hohlräume in der stillgelegten Carnallititgrube

B) keine Abfallverwertung, sondern eine Abfallbeseitigung sei.

Dies wurde der beschwerdeführenden Partei von der belangten Behörde mit Schreiben vom 10. September 2003 mitgeteilt und ihr eröffnet, dass bei Beibehaltung der Einstufung als Verwertung von der belangten Behörde der Einwand der Scheinverwertung nach Art. 7 Abs. 4 5. Spiegelstrich EG-VerbringungsV erhoben werden müsse.

Die beschwerdeführende Partei antwortete mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2003. Dieser ist überschrieben mit " I. Stellungnahme" und "II. Antragsänderung".

In diesem Schriftsatz legte sie zunächst dar, dass und aus welchen Gründen sie der Auffassung sei, es handle sich bei der von ihr beabsichtigten Verbringung von Abfällen um eine Verbringung zur Verwertung, weshalb die gegenteilige Auffassung des Amtssachverständigen und der belangten Behörde unzutreffend sei.

Im Anschluss an dieses Vorbringen folgen dann unter der Überschrift "Antragsänderung" folgende Ausführungen:

"Wie die Antragstellerin bereits mit ihrem Antrag vom 7.8.2003 dargelegt hat, ist der gegenständliche Notifizierungsantrag vor dem Hintergrund der einschlägigen EuGH-Judikatur eindeutig als 'Verbringung zur Verwertung' zu qualifizieren.

Wichtiger als die Entscheidung eines etwaigen Rechtsstreits zur Beurteilung des Bergversatzes als 'Verbringung zur Verwertung' oder 'Beseitigung' ist für die Antragstellerin die aus logistischen und wirtschaftlichen Gründen kurzfristig erforderliche Genehmigung der beabsichtigten grenzüberschreitenden Verbringung.

Für den Fall, dass die Behörde der Beurteilung der Antragstellerin als 'Verbringung zur Verwertung' nicht folgt, wird der gegenständliche Notifizierungsantrag somit wie folgt modifiziert:

Die Antragstellerin stellt den Antrag, der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft möge

a) den gegenständlichen Notifizierungsantrag für die grenzüberschreitende Verbringung von 3.500 t Filterstaub als 'Verbringung zur Verwertung' nach dem Verfahren R5 'Verwertung/Rückgewinnung von anderen anorganischen Stoffen',

b) in eventu als 'Verbringung zur Beseitigung' nach dem Verfahren D12 'Dauerlagerung (z.B. Lagerung von Behältern in einem Bergwerk usw.)' genehmigen."

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. Oktober 2003 erteilte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei gemäß Art. 3 ff der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (EG-VerbringungsV) in Verbindung mit den §§ 66 ff des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 102 (AWG 2002), die Genehmigung zur Verbringung von 3,500.000 kg gefährlichen Abfällen der Schlüsselnummer 31309 (Flugaschen und - stäube aus Abfallverbrennungsanlagen) der ÖNORM S 2.100 per Bahn nach Deutschland zur NDH Entsorgungsbetreiber GmbH, Bergwerk B "im Rahmen der Notifizierung AT 005143" unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß Art. 28 Abs. 3 EG-VerbringungsV und unter Einhaltung von Bedingungen und Auflagen.

In der Begründung wird zunächst der Verfahrensablauf bis zur Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom 3. Oktober 2003 wiedergegeben.

Im Anschluss daran heißt es, anlässlich der auf Ersuchen der beschwerdeführenden Partei am 15. Oktober 2003 anberaumten Besprechung bei der belangten Behörde habe der Amtssachverständige seine Stellungnahme vom 4. September 2003 bestätigt. Die gegenständlichen Abfälle sollten daher dem Verfahren D12:

Dauerlagerung (z.B. Lagerung von Behältern in einem Bergwerk usw.) gemäß Anhang II A der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle unterzogen werden.

Der Notifizierungsbogen sei daher folgendermaßen abzuändern

gewesen:

Pos. 3: Beseitigung

Pos. 9: D12

Pos: 16: streichen, da keine Verwertung.

Im Erwägungsteil führt die belangte Behörde nach Anführung der angewendeten Normen aus, gemäß Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2001 - Teilband "Leitlinien zur Abfallverbringung und Behandlungsgrundsätze" sei die Ausfuhr von Abfällen zur Beseitigung (Behandlung gemäß Verfahren des Anhanges II A der Richtlinie über Abfälle) nur dann im Einklang mit den Grundsätzen der österreichischen Abfallwirtschaft, wenn in Österreich keine gleichwertige Entsorgungsmöglichkeit bestehe oder durch den Abfallexport die Belastungen und Risiken für die Umwelt auf Grund kürzerer Transportwege verringert würden. In Österreich bestehe keine gleichwertige Entsorgungsmöglichkeit für derartige Rückstände.

Die bei der belangten Behörde hinterlegte Sicherheitsleistung sei unter Berücksichtigung einer Transportstrecke von ca. 750 km, alternativen Transportkosten von EUR 0,10/t und km sowie Behandlungskosten von EUR 276,-- (inkl. MwSt) pro Tonne als ausreichend anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die beschwerdeführende Partei vertritt die Auffassung, der angefochtene Bescheid stelle eine Abweisung ihres Hauptantrages auf Genehmigung der Verbringung der Abfälle zur Verwertung dar, auch wenn im Spruch nur über eine Verbringung zur Beseitigung abgesprochen werde. Die Abweisung des Antrages auf Verbringung zur Verwertung sei entweder zwingende Folge der Genehmigung der Verbringung zur Beseitigung oder ergebe sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides.

Die von der belangten Behörde genehmigte Notifikation der Verbringung zur Beseitigung unterliege auch der Genehmigung der Behörde am Bestimmungsort. Diese Behörde habe ebenso zu prüfen, ob die von der notifizierenden Person vorgenommene Zuordnung zu einem Beseitigungs- oder Verwertungsverfahren der EG-VerbringungsV entspreche. Die Einordnung als Verbringung zur Beseitigung sei rechtswidrig. Komme nun das Thüringer Landesverwaltungsamt zur rechtsrichtigen Auffassung, dass eine Verwertung vorliege, müsse sie den Einwand des falschen Verfahrens erheben und die entsprechende Genehmigung zur Verbringung zur Beseitigung von Abfällen nach dem Verfahren D12 verweigern.

Für den Fall, dass der Hauptantrag auf Genehmigung der Verbringung zur Verwertung als nicht erledigt erachtet werden sollte, werde gerügt, dass der Abspruch über den Eventualantrag trotz fehlender Voraussetzungen dafür als rechtswidrige Verweigerung der Sachentscheidung über den Hauptantrag anzusehen sei. Werde ein Eventualantrag vor dem Hauptantrag erledigt, belaste dies den Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

Die Auffassung der belangten Behörde, es liege eine Verbringung zur Beseitigung und nicht eine solche zur Verwertung vor, sei unzutreffend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

In der Gegenschrift wird die Auffassung vertreten, die beschwerdeführende Partei habe ihren ursprünglichen Antrag in ihrer Stellungnahme vom 3. Oktober 2003 dahin abgeändert, dass nur mehr ein Antrag auf Genehmigung der Verbringung zur Beseitigung, nicht mehr aber ein solcher zur Verwertung vorliege. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei sei daher nicht von einem Haupt- und einem Eventualantrag, sondern von einem einheitlichen Antrag auszugehen. Auch in der Bürobesprechung vom 15. Oktober 2003 habe die beschwerdeführende Partei der entsprechenden Abänderung des Notifizierungsantrages zugestimmt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des AWG 2002

lauten auszugsweise:

"7. Abschnitt

Grenzüberschreitende Verbringung

Anwendungsbereich und Verfahrensbestimmungen

§ 66. (1) Für Verbringungen von Abfällen sind die gemeinschaftsrechtlichen Abfallvorschriften, insbesondere die EG-VerbringungsV, anzuwenden.

(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ist für die Anwendung der EG-VerbringungsV zuständige Behörde am Versandort, zuständige Behörde am Bestimmungsort, für die Durchfuhr zuständige Behörde und Anlaufstelle gemäß Art. 37 EG-VerbringungsV."

"Notifizierung bei der Ausfuhr

§ 67. (1) Wer eine gemäß EG-VerbringungsV oder gemäß einer Verordnung nach § 72 Z. 1 notifizierungspflichtige Verbringung von Abfällen aus Österreich durchzuführen beabsichtigt, hat dies dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu notifizieren.

(2) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft übermittelt die Notifizierung an die zuständige Behörde am Bestimmungsort und eine Abschrift an den Empfänger und an die für die Durchfuhr zuständigen Behörden. Die Weiterleitung der Notifizierung hat zu unterbleiben, wenn unmittelbar Einwände gegen die Verbringung von Abfällen zur Beseitigung in Übereinstimmung mit Art. 4 Abs. 3 EG-VerbringungsV erhoben werden."

"Bewilligungspflicht der Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr

§ 69. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat über jede von der EG-VerbringungsV erfasste notifizierungspflichtige Verbringung von Abfällen nach, aus oder durch Österreich bescheidmäßig abzusprechen.

...

(5) die Verbringung ist zu untersagen, wenn die notifizierende Person oder der Empfänger mindestens zweimal wegen einer illegalen Verbringung von Abfällen im Sinne der EG-VerbringungsV bestraft worden ist und die Bestrafungen noch nicht getilgt sind."

Titel II der im § 66 Abs. 1 AWG 2002 erwähnten EG-VerbringungsV, der mit "Verbringung von Abfällen zwischen Mitgliedstaaten" überschrieben ist, enthält zwei gesonderte Abschnitte, von denen der eine (Abschnitt A) das Verfahren bei der Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen und der andere (Abschnitt B) das Verfahren bei der Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen behandelt. Das für die zweite Kategorie von Abfällen vorgesehene Verfahren ist weniger streng als das für die erste Kategorie geltende (vgl. das Urteil des EuGH vom 25. Juni 1998, Sammlung der Rechtsprechung 1998, S I-4075). Sowohl für den Fall der Verbringung zur Beseitigung als auch für jenen der Verbringung zur Verwertung ist vorgesehen, dass die zuständigen Behörden am Versand- und am Bestimmungsort begründete Einwände gegen die Verbringung erheben können.

Nach dem Urteil des EuGH vom 27. Februar 2002, Rechtsache C- 6/00 (ASA) darf nach dem durch die EG-VerbringungsV eingeführten System die zuständige Behörde am Versandort prüfen, ob eine geplante Verbringung, die in der Notifizierung als Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen eingestuft ist, dieser Zuordnung tatsächlich entspricht, und muss dieser Verbringung durch Erhebung eines auf diese unzutreffende Zuordnung gestützten Einwandes innerhalb der Frist des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung entgegentreten.

Einwendungen gegen die Verbringung von Abfällen im Sinne der EG-VerbringungsV sind neben den im § 69 Abs. 5 AWG 2002 genannten Gründen Gründe für die Versagung der Genehmigung zur Verbringung.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides enthält keine ausdrückliche Aussage darüber, ob die erteilte Genehmigung sich auf eine Verbringung zur Verwertung oder zur Beseitigung bezieht. Dass aber eine Genehmigung für eine Verbringung zur Beseitigung erteilt wurde, ergibt sich aus der Anknüpfung an die "Notifizierung AT 005143" im Spruch des angefochtenen Bescheides im Zusammenhang mit seiner Begründung. In dieser heißt es nämlich, der Notifizierungsbogen sei dahin abzuändern gewesen, dass in der Pos. 3 statt Verwertung Beseitigung und in der Pos. 9 statt des Verfahrens R5 das Verfahren D12 einzusetzen und dass weiters die Pos. 16 zu streichen gewesen sei, da keine Verwertung vorliege.

Eine Entscheidung über eine Verbringung zur Verwertung enthält der angefochtene Bescheid entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei nicht. In der Genehmigung der Verbringung zur Beseitigung liegt nicht gleichzeitig eine Abweisung des Antrages auf Genehmigung der Verbringung zur Verwertung.

Zwischen den Partein des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist strittig, ob der belangten Behörde zwei Anträge in Form eines Haupt- und eines Eventualantrages vorlagen, oder ob die beschwerdeführende Partei durch ihren Schriftsatz vom 3. Oktober 2003 ihren ursprünglichen Antrag so abänderte, dass nur mehr ein einheitlicher, ausschließlich auf die Genehmigung der Verbringung zur Beseitigung gerichteter Antrag vorlag.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein sogenannter Eventualantrag im Verwaltungsverfahren durchaus zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Zunächst ist über den Primärantrag und erst nach dessen Abweisung über den Eventualantrag abzusprechen. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. das Erkenntnis vom 13. März 2002, 2001/12/0041, u.v.a.).

Der von der belangten Behörde in der Gegenschrift geäußerten Auffassung, auf Grund des Schriftsatzes der beschwerdeführenden Partei vom 3. Oktober 2003 sei nur mehr ein einheitlicher, auf die Genehmigung der Verbringung zur Beseitigung gerichteter Notifizierungsantrag vorgelegen, steht der eindeutige Wortlaut des "Änderungsantrages" entgegen. Die beschwerdeführende Partei hat für den Fall, dass die Behörde der Beurteilung der Verbringung als Verbringung zur Verwertung nicht folgen sollte, beantragt, die belangte Behörde möge "den gegenständlichen Notifizierungsantrag ....als 'Verbringung zur Verwertung'...., in eventu als 'Verbringung zur Beseitigung' ...." genehmigen. Von einem einheitlichen, nur mehr auf eine Genehmigung der Verbringung zur Beseitigung gerichteten Antrag kann daher keine Rede sein.

Die im Schriftsatz vom 3. Oktober 2003 enthaltene Erklärung der beschwerdeführenden Partei, ihr ursprünglicher Antrag - der auf Genehmigung der Verbringung zur Verwertung gerichtet war - werde für den Fall, dass die Behörde der Beurteilung der beschwerdeführenden Partei, es handle sich um eine Verbringung zur Verwertung, nicht folge, modifiziert, ändert nichts daran, dass der Behörde ein Hauptantrag und ein Eventualantrag vorlagen. Es macht ja gerade das Wesen eines Eventualantrages aus, dass er für den Fall gestellt wird, dass die Behörde die Auffassung der Partei über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Genehmigung des Hauptantrages nicht teilt.

Auch der Passus, dass für die beschwerdeführende Partei die aus logistischen und wirtschaftlichen Gründen kurzfristig erforderliche Genehmigung der beabsichtigten Verbringung wichtiger sei als die Entscheidung eines etwaigen Rechtsstreits zur Beurteilung des Bergversatzes als "Verbringung zur Verwertung" oder " Verbringung zur Beseitigung" ändert nichts am Vorliegen eines Haupt- und eines Eventualantrages. Insbesondere kann darin kein Verzicht auf eine Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung der Verbringung zur Beseitigung erblickt werden.

Bei der Annahme eines Verzichtes der Partei auf eine in den Verfahrensvorschriften oder im materiellen Recht begründete Rechtsposition ist besondere Vorsicht geboten; diese Annahme ist nur zulässig, wenn die entsprechenden Erklärungen der Partei keinen Zweifel offen lassen. Gegebenenfalls hat die Behörde eine Klarstellung durch die Partei herbeizuführen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Oktober 1997, 96/10/0255, und die dort angeführte Vorjudikatur). Parteienerklärungen sind im Zweifel so auszulegen, dass die diese abgebende Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1994, 92/07/0070).

Bei einer Deutung als Verzicht wäre unverständlich, warum die beschwerdeführende Partei im Anschluss an den zitierten Passus ausdrücklich einen Antrag auf Genehmigung der Verbringung zur Verwertung gestellt hat. Der Passus über die Wichtigkeit einer Genehmigung zur Abfallverbringung legt vielmehr eine Deutung in der Richtung nahe, die beschwerdeführende Partei habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sie sich nicht darauf beschränken wollte, zuerst ein Verfahren allein über den Antrag auf Genehmigung der Verbringung zur Verwertung mit den zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen durchzuziehen und erst dann einen Antrag auf Genehmigung der Verbringung zur Beseitigung zu stellen, sondern dass sie beide Anträge gleichzeitig in Form eines Haupt- und eines Eventualantrages stellen wollte.

Keinesfalls konnte die belangte Behörde mit Sicherheit davon ausgehen , dass die beschwerdeführende Partei nur eine Entscheidung über den Antrag auf Genehmigung der Verbringung zur Verwertung begehre. Die belangte Behörde hätte zumindest Zweifel darüber haben, was die beschwerdeführende Partei wollte, und eine Klarstellung durch diese herbeiführen müssen.

Die belangte Behörde beruft sich in der Gegenschrift auch auf eine Besprechung der beschwerdeführenden Partei und der belangten Behörde; auch dabei habe der Vertreter der beschwerdeführenden Partei der Änderung des Notifizierungsantrages (in einen Antrag auf Genehmigung der Verbringung zur Verwertung) zugestimmt. Die belangte Behörde weist auf einen diesbezüglichen Aktenvermerk hin.

Im Akt findet sich ein handschriftlicher Aktenvermerk, in welchem es heißt, bei der Bürobesprechung am 15. Oktober 2003 habe der Vertreter der beschwerdeführenden Partei "der Antragsänderung auf Beseitigung" wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit zugestimmt. Er habe aber angekündigt, demnächst einen "neuen Antrag auf Verwertung einzureichen, um diese Angelegenheit vom VwGH (bzw. EuGH) ausjudizieren zu lassen".

Mit diesem Vorbringen vermag die belangte Behörde nicht darzutun, dass ihr nur mehr ein einheitlicher, auf Genehmigung der Verbringung zur Beseitigung gerichteter Antrag vorgelegen sei.

Der Aktenvermerk eignet sich nämlich aus mehreren Gründen nicht als Beweis für diese Annahme der belangten Behörde.

Nach § 16 Abs. 2 AVG ist der Inhalt des Aktenvermerks vom Amtsorgan durch Beisetzung von Datum und Unterschrift zu bestätigen. Vom Erfordernis der Unterschrift kann jedoch abgesehen werden, wenn sichergestellt ist, dass das Amtsorgan auf andere Weise festgestellt werden kann.

Voraussetzung dafür, dass eine schriftliche Festhaltung als beweiskräftiger Aktenvermerk im Sinne des § 16 AVG angesprochen werden kann, ist, dass dieser der Name des Organwalters entnommen werden kann. Ein unleserliches Handzeichen erfüllt diese Voraussetzung nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1993, 92/09/0070).

Daran hat auch die Anfügung des zweiten Satzes im § 16 Abs. 2 AVG durch die Novelle BGBl. I 137/2001 nichts geändert. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (zitiert bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Aufl.,

308) führen dazu aus:

"Das Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung eines Aktenvermerkes durch das Amtsorgan soll entfallen, wenn das Amtsorgan auf Grund der Eingabe von Passwörtern oder anderen Identifizierungsmethoden eindeutig bestimmt werden kann und die Unveränderbarkeit des Dokumentes sichergestellt ist".

Aus diesen Ausführungen in den Erläuterungen folgt, dass der Gesetzgeber mit § 16 Abs. 2 zweiter Satz AVG den Erfordernissen einer mit EDV oder sonstigen technischen Hilfsmitteln arbeitenden Verwaltung Rechnung tragen wollte. Hingegen hat sich durch diese Bestimmung nichts daran geändert, dass dort, wo die Identifizierung des Amtsorgans nicht durch technische Hilfsmittel erfolgt, dem Aktenvermerk das Amtsorgan zu entnehmen sein muss, von dem der Aktenvermerk stammt.

Der Aktenvermerk, auf den sich die belangte Behörde beruft, weist lediglich ein unleserliches Handzeichen auf. Dieser Aktenvermerk stellt daher keinen beweiskräftigen Aktenvermerk im Sinne des § 16 AVG dar.

Davon abgesehen wird der Aktenvermerk erstmals in der Gegenschrift ins Treffen geführt. Die beschwerdeführende Partei hatte von seinem Inhalt keine Kenntnis und daher auch nicht die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, ob der Inhalt dieses Aktenvermerkes das Ergebnis der Bürobesprechung aus der Sicht der beschwerdeführenden Partei richtig wiedergibt. Auch aus diesem Grund eignet sich der Aktenvermerk nicht als Beweis für die Einschränkung des Antrages der beschwerdeführenden Partei.

Es ist daher davon auszugehen, dass der belangten Behörde eine Haupt- und ein Eventualantrag vorlagen. Der Hauptantrag war gerichtet auf die Genehmigung der Verbringung der Abfälle zur Verwertung, der Eventualantrag begehrte die Genehmigung der Verbringung zur Beseitigung, wobei aus den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei eindeutig hervorging, dass sie die Auffassung vertrat, es liege eine Verbringung zur Verwertung vor.

Die belangte Behörde hat über den Eventualantrag entschieden, ohne vorher den Hauptantrag zu erledigen. Sie hat damit ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 26. Februar 2004

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte