Normen
AVG §37;
BetriebsO 1994 §13 Abs1;
BetriebsO 1994 §4 Abs1;
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3;
GelVerkG 1996 §13;
StGB §83 Abs1;
StPO §90g;
VwRallg;
AVG §37;
BetriebsO 1994 §13 Abs1;
BetriebsO 1994 §4 Abs1;
BetriebsO 1994 §6 Abs1 Z3;
GelVerkG 1996 §13;
StGB §83 Abs1;
StPO §90g;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 29. Oktober 2002 wurde der "Taxiausweis" des Beschwerdeführers gemäß § 13 Abs 1 in Verbindung mit § 6 Abs 1 Z 3 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr, BGBl Nr 951/1993 idF BGBl Nr 1028/1994 (BO 1994), auf die Dauer von drei Monaten gerechnet ab Zustellung des Bescheides zurückgenommen.
Der Beschwerdeführer sei am 28. Februar 2002 wegen der Vergehen nach § 107 Abs 1 und § 83 Abs 1 StGB angezeigt worden. Das Verfahren wegen § 107 Abs 1 StGB sei von der Staatsanwaltschaft Wien, das wegen § 83 Abs 1 StGB von der Bezirksanwaltschaft Wien gemäß § 90 StPO eingestellt worden. Angesichts dieses Sachverhaltes könne "derzeit die für den Besitz eines Taxiausweises erforderliche Vertrauenswürdigkeit nicht angenommen werden".
2. Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde der erstinstanzliche Bescheid mit dem nun angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs 4 AVG bestätigt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, gemäß § 13 Abs 1 BO 1994 sei der Ausweis von Amts wegen für einen der Schwere des Einzelfalles angemessenen Zeitraum zurückzunehmen, wenn eine der in § 6 BO 1994 bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr gegeben sei. Nach § 6 Abs 1 Z 3 BO 1994 müsse der Bewerber um einen Taxiausweis vertrauenswürdig sein. Die Vertrauenswürdigkeit sei auf Grund eines im Ermittlungsverfahren festzustellenden Gesamtverhaltens zu beurteilen, wobei entscheidend sei, ob das bisherige Verhalten auf ein Persönlichkeitsbild schließen lasse, das mit jenen Interessen im Einklang stehe, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf § 13 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes obliege. Dazu führte die belangte Behörde Folgendes aus:
"Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde festgestellt, dass der Berufungswerber angezeigt wurde, am 2.2.2002 um ca. 17.05 Uhr in Wien 1, Nibelungengasse Kreuzung Eschenbachgasse, den M.H. durch die Äußerung 'Ich bringe dich um, ich werde in ganz Wien nach dir suchen.' gefährlich bedroht zu haben, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen und M.H. vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, indem er ihn mit der rechten Faust ins Gesicht und mit seinem Kopf gegen seine Nase schlug, und dadurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und das Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB begangen zu haben. Diese Anzeige wurde der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt, wobei das Verfahren wegen des Vorwurfes der gefährlichen Drohung unter der Zahl 2 St 102/02h gemäß § 90 StPO eingestellt wurde. Das Verfahren wegen des Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung endete gemäß § 90g StPO mit einem Rücktritt von der Verfolgung nach außergerichtlichem Tatausgleich. Ein Rücktritt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung ist nur möglich, wenn der Verdächtige bereit ist, für die Tat einzustehen und sich mit deren Ursachen auseinanderzusetzen, wenn er allfällige Folgen der Tat auf eine den Umständen nach geeignete Weise ausgleicht, insbesondere dadurch, dass er aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt, und wenn er erforderlichenfalls Verpflichtungen eingeht, die seine Bereitschaft bekunden, Verhaltensweisen, die zur Tat geführt haben, künftig zu unterlassen."
Bei Begehung einer Straftat sei diese selbst und nicht eine deswegen erfolgte strafgerichtliche Verurteilung entscheidend, weshalb das Fehlen einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen des konkreten Sachverhalts es noch nicht ausschließe, bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit darauf Bedacht zu nehmen. Die Durchführung eines außergerichtlichen Tatausgleiches sei nur dann möglich, wenn eine strafbare Handlung vorliege, weshalb das vom Beschwerdeführer am 2. Februar 2002 gesetzte Verhalten, das Gegenstand des außergerichtlichen Tatausgleiches gewesen sei, bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit berücksichtigt werden dürfe. Die Begehung einer Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB sei geeignet, die Vertrauenswürdigkeit zu erschüttern, weil eine solche Handlung auf einen erheblichen Mangel an Selbstbeherrschung und Respekt vor der Integrität der Mitmenschen hindeute. Daraus ergebe sich für die Berufungsbehörde, dass die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers "beeinträchtigt und ein Vorgehen nach § 13 BO 1994 angezeigt" sei. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer vor dem 2. Februar 2002 keine auf erhöhte Aggressionsneigung und Gewaltbereitschaft zurückzuführenden strafbaren Handlungen gesetzt habe, könne mit der Wiedererlangung der Vertrauenswürdigkeit nach einem Wohlverhalten von einem Jahr gerechnet werden, weshalb die von der erstinstanzlichen Behörde verhängte Zurücknahmedauer von drei Monaten angemessen sei.
3. In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 13 Abs 1 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr, BGBl Nr 951/1993 idF BGBl Nr 1028/1994 (BO 1994), ist der Ausweis (nach § 4 Abs 1 BO 1994) von Amts wegen für einen der Schwere des Einzelfalles angemessenen, im Falle der zeitlichen Beschränkung gemäß § 10 Abs 2 die Geltungsdauer des Ausweises jedoch nicht überschreitenden Zeitraum zurückzunehmen, wenn eine der in § 6 bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist.
§ 6 Abs 1 Z 3 BO 1994 fordert als eine der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Taxilenkerausweises die Vertrauenswürdigkeit des Bewerbers.
Die BO 1994 enthält keine nähere Begriffsbestimmung der Vertrauenswürdigkeit. Unter Zugrundelegung des allgemeinen Sprachgebrauchs ist davon auszugehen, dass dem Begriff der Vertrauenswürdigkeit inhaltlich die Bedeutung von "sich verlassen können" zukommt. Durch das Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit soll das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften bei den im Fahrdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, insbesondere in Ansehung der Sicherheit der im Rahmen des Taxigewerbes zu befördernden Personen, gewährleistet werden. Entscheidend ist, ob das bisherige Verhalten - wobei das Gesamtverhalten zu würdigen ist - auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf die Bestimmungen des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes obliegt. Die Frage, ob eine Person vertrauenswürdig ist, ist auf Grund eines im Ermittlungsverfahren festzustellenden Gesamtverhaltens dieser Person zu beurteilen. Bei dieser Beurteilung ist die Behörde an rechtskräftige Bestrafungen insofern gebunden, als damit die Tatsache der Handlungen oder Unterlassungen, derentwegen die Bestrafung erfolgte, feststeht. Im Falle der Begehung einer Straftat oder einer Verwaltungsübertretung ist maßgeblich für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs 1 Z 3 BO 1994 das dem Urteil bzw dem Bescheid, mit dem über Schuld und Strafe abgesprochen wurde, zugrunde liegende Verhalten (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 28. Februar 2005, Zl 2001/03/0104, mwN).
2. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, Feststellungen zum Vorfall vom 2. Februar 2002 zu treffen und das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers zu würdigen. Mangels rechtskräftiger Verurteilung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde diese Vorfrage selbst beurteilen müssen, eine "Bindung" an den im Rahmen der Diversion erfolgten Rücktritt von der Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 90g StPO komme nicht in Betracht.
3. Dieses Vorbringen ist zielführend:
Ausgehend von der oben aufgezeigten Notwendigkeit, bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit das Gesamtverhalten zu prüfen, durfte die belangte Behörde sich nicht mit dem Hinweis auf den Inhalt der Anzeige gegen den Beschwerdeführer und die Einstellung des Verfahrens wegen § 83 Abs 1 StGB gemäß § 90g StPO begnügen. Wohl schließt die fehlende strafgerichtliche Verurteilung nicht notwendigerweise die Annahme fehlender Vertrauenswürdigkeit aus, und ist für deren Beurteilung das Verhalten selbst und nicht eine deswegen erfolgte Verurteilung entscheidend. Mangels rechtskräftiger Verurteilung kann aber keine Bindung an eine - nicht erfolgte - rechtskräftige Bestrafung bestehen. Dass die Einstellung eines Strafverfahrens gemäß § 90g StPO keiner - Bindung entfaltenden -rechtskräftigen Verurteilung gleichzuhalten ist, wurde vom Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl 2001/12/0094, ausgeführt.
Da die belangte Behörde nur den Inhalt der Anzeige, nicht aber das der Anzeige zugrunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers festgestellt und in der Folge nicht begründet hat, warum diese Verhaltensweisen auf die Vertrauenswürdigkeit ausschließende charakterliche Eigenschaften des Beschwerdeführers schließen ließen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.
Wien, am 31. März 2005
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