Normen
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §11;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §11;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 3. April 1973 (in Schwaz/Tirol) geborene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der früheren BR Jugoslawien, beantragte mit Eingabe vom 19. April 2001 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und die Erstreckung der Verleihung auf die minderjährigen Kinder A (geboren 1996 in I) und A (geboren 1999 in B).
Mit Bescheid vom 7. Februar 2003 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers "gemäß § 10 und § 11 sowie § 17 Abs. 1 Z. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG)" ab.
Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer lebe seit März 1991 in Österreich, er sei bei einem näher bezeichneten Unternehmen beschäftigt und er bestreite aus den durch diese Beschäftigung erzielten Einkünften seinen Lebensunterhalt.
Am 3. Oktober 1995 sei er "wegen des Vergehens der versuchten Begünstigung nach den §§ 15 und 299 Abs. 1 des österreichischen Strafgesetzbuches rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu S 90,-- somit zu einer Geldstrafe von S 16.200,-
- rechtskräftig verurteilt worden". Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer "am 18. April 1995 in Innsbruck dadurch, dass er als Halter des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen IL- 6WNC (A) im Wachzimmer P gegenüber dem Erhebungsbeamten, der mit der Ausforschung des Lenkers dieses PKW's nachts zum 17. April 1995 und in weiterer Folge mit der Ausforschung des M M als jenem Fahrzeuginsassen beschäftigt war, der dem F K durch Versetzen eines Schlages ins Gesicht eine Blutung im Mundbereich zufügte, sohin eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hatte, (zusammengefasst und sinngemäß) angab, er habe seinen PKW in der fraglichen Nacht seinem in V wohnhaften Schwager, dessen nähere Adresse ihm nicht bekannt sei, geliehen und er könne nicht sagen, mit wem er unterwegs gewesen sei und er wisse nichts von einer Körperverletzung, da er nicht mit ihm unterwegs gewesen sei, den M M der Verfolgung absichtlich ganz zu entziehen versucht hat". Laut einem Ausdruck aus der Verwaltungsvorstrafenkartei der Bezirkshauptmannschaft Braunau über den Zeitraum 17. November 1997 bis 16. November 2000 sei der Beschwerdeführer "in zumindest 19 Fällen wegen Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden; bei diesen Verwaltungsvorstrafen handelt es sich zum größten Teil um Übertretungen des Kraftfahrgesetzes und der Straßenverkehrsordnung".
Die belangte Behörde gehe davon aus, dass die allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG vorlägen. Der Antrag sei dennoch (gemeint: nach § 11 StbG) abzuweisen, weil das öffentliche Interesse an einer Abweisung des Ansuchens bei der Begehung "gewisser Straftaten" das Einzelinteresse des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft eindeutig überwiege. Im Hinblick auf das allgemeine Wohl komme unter Anlegung eines "objektiven Maßstabes" eine Verleihung an den Beschwerdeführer nicht in Betracht. Bei Bewerbern um die Staatsbürgerschaft würden "in der überwiegenden Anzahl von Fällen Vorstrafen wie sie der Antragsteller aufweist" nicht vorkommen. Besonders gravierend sei, dass der Beschwerdeführer 1995 von einem Gericht wegen versuchter Begünstigung rechtskräftig verurteilt worden sei. Diese Verurteilung "ist zugegebenermaßen acht Jahre aus". Der Beschwerdeführer habe auch im Zeitraum 1997 bis 2000 "erhebliche Verwaltungsstrafen erlitten". Somit ergebe sich über einen Zeitraum von acht Jahren ein Verhalten des Beschwerdeführers, das "auf eine ausgeprägte Missachtung gewisser wesentlicher Vorschriften der österreichischen Rechtsordnung und auf ein diesbezüglich negatives Charakterbild schließen lässt". Dass der Beschwerdeführer seit 1991 in Österreich lebe und hier seinen Lebensunterhalt verdiene sei "als Selbstverständlichkeit" zu bezeichnen. Das strafrechtlich relevante Verhalten des Beschwerdeführers von 1995 bis 2000 sei als "beträchtliches Integrationsdefizit" zu betrachten. Das aufgezeigte strafrechtlich relevante Verhalten sei keineswegs ein Indikator für eine gelungene Integration in Österreich.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer nach § 10 Abs. 1 StbG kein Verleihungshindernis entgegenstehe, dass sie jedoch das ihr bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen eingeräumte Ermessen im Hinblick auf § 11 StbG wegen seines "strafrechtlich relevanten Verhaltens" nicht zu seinen Gunsten üben könne.
Richtig ist, dass die Staatsbürgerschaftsbehörde die Begehung strafbarer Handlungen (auch solche, die nur verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden sind) im Rahmen der Ermessensübung nach § 11 StbG berücksichtigen und als Grund für die Ablehnung des Antrages heranziehen kann. Sie darf sich dabei allerdings nicht damit begnügen, die Bestrafung als solche darzustellen, sondern hat vielmehr die den Bestrafungen (Verwaltungsstrafen) zu Grunde liegenden Tathandlungen zu ermitteln und hierüber Feststellungen zu treffen, die eine Beurteilung vor dem Hintergrund der Gesichtspunkte des § 11 StbG erlauben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 8. März 2005, Zl. 2004/01/0166, und vom 28. Juni 2005, Zl. 2004/01/0263). Solche Feststellungen hat die belangte Behörde im gegenständlichen Fall hinsichtlich der "im Zeitraum 17. November 1997 bis 16. November 2000 erlittenen 19 Verwaltungsvorstrafen" nicht getroffen, weshalb sich ihr Bescheid (und die Ermessensübung) schon von daher als mangelhaft erweist.
Bei der Beurteilung nach § 11 StbG kommt es auf den Stand des Integrationsprozesses im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (das war vorliegend am 11. Februar 2003) an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2005, Zl. 2002/01/0464, und die darin angegebene Judikatur).
Da (durch Neufassung des § 11 StbG) die Integration des Fremden als das für die Verleihung der Staatsbürgerschaft maßgebliche Kriterium verankert ist, hat die Staatsbürgerschaftsbehörde bei ihrer Entscheidung nach § 11 StbG vor allem die Integration des Fremden und deren Ausmaß zu beachten (vgl. die genannten Erkenntnisse Zl. 2004/01/0166 und Zl. 2004/01/0263).
Die belangte Behörde hat sich jedoch mit der Integration des Beschwerdeführers (und dessen Ausmaß) nicht hinreichend auseinandergesetzt. Sie hat etwa den für die Integration des Beschwerdeführers maßgeblichen Sachverhalt, er lebe seit 1991 in Österreich und verdiene hier seinen Lebensunterhalt, als eine "Selbstverständlichkeit" bezeichnet bzw. abgetan. Weitere Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers und deren Ausmaß wurden im angefochtenen Bescheid nicht getroffen.
Insoweit die belangte Behörde das "strafrechtliche Verhalten im Zeitraum 1995 bis 2000" als Integrationsdefizit bewertete, ist dem entgegenzuhalten, dass die Begehung strafbarer Handlungen bezüglich der Frage der Integration eines Einbürgerungswerbers - in der Regel - keine Aussagekraft besitzt (vgl. das genannte Erkenntnis Zl. 2004/01/0166). Die belangte Behörde hat in dieser Hinsicht die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 30. August 2005
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