VwGH 2002/18/0261

VwGH2002/18/026127.2.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des F, geboren 1977, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. Juni 2002, Zl. SD 494/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §179a;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §47 Abs3 Z2;
FrG 1997 §49 Abs1;
ABGB §179a;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrG 1997 §47 Abs3 Z2;
FrG 1997 §49 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Juni 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 des Fremdensgesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer habe am 16. August 2000 in der Türkei eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Auf Grund seines wenig später bei der Österreichischen Botschaft in Ankara gestellten Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden, mit dem er am 30. Dezember 2000 in das Bundesgebiet eingereist sei.

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 8. November 2001 sei die Ehe des Beschwerdeführers für nichtig erklärt worden. Bereits vor der erstinstanzlichen Behörde habe die Scheinehegattin des Beschwerdeführers angegeben, bei einem Urlaub in der Türkei unter Wegnahme ihrer Reisedokumente von der Familie des Beschwerdeführers genötigt worden zu sein, diesen zu heiraten, wofür ihr auch S 50.000,-- angeboten worden seien. Sie habe schließlich eingewilligt, weil sie zu ihren Kindern habe zurückkehren wollen und auch das Geld habe brauchen können. Die Ehe sei jedoch nie vollzogen worden. Es habe nie die Absicht bestanden, ein gemeinsames Eheleben zu führen. Nach ihrer Rückkehr nach Österreich seien ihr von einem Cousin des Beschwerdeführers S 5.000,-- für die Eheschließung übergeben worden. Den Rest habe sie nie bekommen. Als der Beschwerdeführer nach Österreich gekommen sei, habe er sie gedrängt, ihn bei sich mitversichern zu lassen. Sie habe auch einen Meldezettel für ihn unterschrieben, obwohl er nie bei ihr gewohnt habe.

Daher sei der in § 36 Abs. 2 Z 9 FrG normierte Sachverhalt verwirklicht. Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - seien im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gegeben.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen in Österreich bestünden zu Onkeln und Tanten sowie einer Schwester, mit der der Beschwerdeführer jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe.

Derzeit sei ein Verfahren zur Bewilligung der Annahme an Kindes statt durch einen Onkel anhängig.

Zweifelsfrei sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig. Die vom Beschwerdeführer durch seine Scheinehe bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung sei von solchem Gewicht, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG erweise. Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei auf die aus dem inländischen Aufenthalt und seinen familiären Bindungen ableitbare, keinesfalls gewichtige Integration Bedacht zu nehmen. Dem stehe ein zumindest gleich schwer wiegendes öffentliches Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch iS des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Das anhängige Adoptionsverfahren gebe keinen Anlass, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Sonstige, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende Umstände seien nicht erkennbar. Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so könne in Anbetracht des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und seiner keinesfalls ausgeprägten familiären Bindungen vor Ablauf der festgesetzten Frist nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom 23. September 2002, B 1176/02, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, ihm sei "nicht erkennbar, daß eine für nichtig erklärte Ehe rechtlich gleichzusetzen ist mit dem Tatbestandsmerkmal '... mit dem Ehegatten nie ein gemeinsames Eheleben geführt hat'." Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung vom 6. Juni 2002 die erstinstanzlichen Feststellungen nicht bestritten hat, wonach er sich in einem Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, obwohl eine eheliche Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft, sohin ein gemeinsames Familienleben iS des Art. 8 EMRK, nie geführt worden sei. Er wies lediglich darauf hin, dass er am 14. Mai 2002 einen schriftlichen Adoptionsvertrag abgeschlossen habe und dass sein Antrag auf Bewilligung der Annahme an Kindes statt beim Bezirksgericht Leopoldstadt anhängig sei. Dieser Umstand, so führte er aus, ziehe die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes nach sich. Die nunmehrige Bestreitung der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden oben angeführten Feststellungen der Behörde erster Instanz über das Bestehen einer "Scheinehe" verstößt daher gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG).

1.2. Der Beschwerdeführer hat eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, aber mit seiner (früheren) Ehegattin nie ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt. Für die Eheschließung wurden seiner Ehegattin nach den Feststellungen S 50.000,-- geboten und von einem Cousin des Beschwerdeführers S 5.000,-- tatsächlich bezahlt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes macht es keinen Unterschied, ob der Fremde den für die Eheschließung geleisteten Vermögensvorteil aus seinem eigenen Vermögen aufbringt oder ihm dafür Mittel von einer dritten Person zur Verfügung gestellt werden. Ebenso macht es keinen Unterschied, ob der Vermögensvorteil, der die Gegenleistung für die Eheschließung darstellt, vom Fremden selbst oder mit dessen Wissen von einer dritten Person geleistet wird. In allen diesen Fällen schreckt der Fremde nicht davor zurück, eine gegen Bezahlung zu Stande gekommene Ehe ohne Führung eines gemeinsamen Familienlebens einzugehen und sich unter Berufung auf diese Ehe fremdenrechtlich relevante Vorteil zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0227). Das Verhalten des Beschwerdeführers erfüllt daher den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 9 FrG.

1.3. Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die Behörde die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt erachtet hat, zumal im Beschwerdefall die rechtsmissbräuchliche Eheschließung erst knapp zwei Jahre zurück liegt.

2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 FrG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt, dass in Österreich zu Onkeln, Tanten und einer Schwester familiäre Bindungen bestehen. Ferner hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes seit dem 30. Dezember 2000 berücksichtigt. Die daraus ableitbaren persönlichen Interessen werden in ihrem Gewicht dadurch erheblich gemindert, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nur auf Grund der nach der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung erteilten Niederlassungsbewilligung rechtmäßig war.

Den insgesamt somit nur gering ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht die von ihm ausgehende erhebliche Gefährdung des vorgenannten (oben 1.3.) maßgeblichen öffentlichen Interesses gegenüber. Von daher begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), keinen Bedenken.

3. Schließlich bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, von ihrem Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen und von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes abzusehen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit dem übrigen Akteninhalt besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den Bescheid schließlich mit dem Vorbringen, der Antrag auf Bewilligung der Adoption sei gerichtsanhängig. Für die Durchführung des Gerichtsverfahrens sei die persönliche Anwesenheit des Beschwerdeführers im Bundesgebiet notwendig. Bei positiver Erledigung des Adoptionsverfahrens habe der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Die belangte Behörde wäre verpflichtet, das Aufenthaltsverbotsverfahren bis zur abschließenden Erledigung des Verfahrens über die "Vorfrage der Adoption" auszusetzen.

4.2. Auch mit diesen Überlegungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, setzt doch die Wirksamkeit einer Annahme an Kindes statt nach § 179a zweiter Satz AGBG die gerichtliche Bewilligung des Vertrages zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind voraus. Eine solche Bewilligung ist - was die Beschwerde einräumt - im vorliegenden Fall (noch) nicht gegeben. Der Beschwerdeführer konnte daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht als Angehöriger eines Österreichers im Sinn des § 49 Abs. 1 FrG, dem Niederlassungsfreiheit zukäme, eingestuft werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2002, Zl. 2002/18/0265). Auf den Einwand des Beschwerdeführers, für die Durchführung des Adoptionsverfahrens sei seine persönliche "Anwesenheit im Bundesgebiet" notwendig, war in Ermangelung näherer Ausführungen, warum dies so wäre, im vorliegenden Zusammenhang nicht einzugehen, zumal sich aus den §§ 257ff AußStrG und den §§ 179ff ABGB die zwingende Notwendigkeit einer Anwesenheit im Bundesgebiet nicht ergibt.

5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Februar 2003

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