VwGH 2002/18/0231

VwGH2002/18/023128.1.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Z, geboren 1966, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. September 2002, Zl. SD 741/02, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
SDÜ 1990 Art21 Abs1;
SDÜ 1990 Art25 Abs2;
SDÜ 1990 Art5 Abs1 litc;
SDÜ 1990 Art5 Abs1 lite;
SDÜ 1990 Art5 Abs1 lita;
VwGG §34 Abs1 impl;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
SDÜ 1990 Art21 Abs1;
SDÜ 1990 Art25 Abs2;
SDÜ 1990 Art5 Abs1 litc;
SDÜ 1990 Art5 Abs1 lite;
SDÜ 1990 Art5 Abs1 lita;
VwGG §34 Abs1 impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. September 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend. Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. April 2002 wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges als Beteiligter nach den §§ 12 (2. Alternative), 146, 147 Abs. 3, 148 (zweiter Fall) StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt worden. Dem in Rechtskraft erwachsenen Strafurteil sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bereits seit 13 Jahren in Holland lebe und dort im Jahr 1997 wegen gewohnheitsmäßiger Begehung vorsätzlicher Hehlerei zu einer Gefängnisstrafe in der Dauer von 24 Monaten (davon sechs Monate bedingt) verurteilt worden sei.

Der Beschwerdeführer habe Ende Juli Anfang August 1998 in Holland einen Mann kennen gelernt und diesen dazu verleitet, in gewerbsmäßiger betrügerischer Absicht drei Lkws von Wiener Autoverleihfirmen in eigenem Namen anzumieten und mit diesen Lkws schließlich die österreichische Grenze über Ungarn nach Serbien zu passieren. Als Gegenleistung für diese betrügerische Handlung seien dieser Person vom Beschwerdeführer nicht nur Geldbeträge, sondern auch ein Haus in Serbien versprochen worden. Der Beschwerdeführer habe sich auch um die weiteren Lenker, die für die Überstellung der Fahrzeuge nach Serbien erforderlich gewesen seien, gekümmert. Der Lkw-Konvoi sei jedoch beim Grenzübergang Tomba (Ungarn/Serbien) angehalten und die Fahrzeuge an die Verleihfirmen zurückgestellt worden.

Auf Grund der unbestrittenen Verurteilung könne kein Zweifel bestehen, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei. Das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in höchstem Maß, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen des §§ 37 und 38 FrG - auch im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet und für ein Kind sorgepflichtig. Seine gesamte Familie lebe (seit 13 Jahren) in Holland.

Auf Grund des überaus kurzen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und im Hinblick auf das Fehlen familiärer oder sonstiger Bindungen liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers nicht vor. Eine Interessenabwägung gemäß § 37 FrG sei daher nicht durchzuführen. Weil auch sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben seien, habe von dem Aufenthaltsverbot auch nicht im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können. Im Übrigen läge eine solche Ermessensübung in Anbetracht der verhängten unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr auch nicht im Sinn des Gesetzes. Die Maßnahme sei auf unbestimmte Zeit auszusprechen, weil auf Grund der gewerbsmäßigen Tatbegehung und der vom Beschwerdeführer augenscheinlich dargelegten Wiederholungsgefahr derzeit nicht vorausgesehen werden könne, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund weggefallen sein werde.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) ihn daran hindere, in den Niederlanden mit seiner Frau und seinem Kind (mit einem ihm dort erteilten unbefristeten Aufenthaltstitel) zu wohnen und einer Arbeitszusage nachzukommen, werde entgegnet, dass § 37 FrG nur das im Inland geführte Privat- und Familienleben schütze.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer macht indes im Grund des § 36 Abs. 1 FrG geltend, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass seine Verurteilung auf einem Sachverhalt beruhe, der bereits vor mehr als vier Jahren, nämlich im Sommer 1998 gesetzt worden sei. Seither habe sich der Beschwerdeführer wohl verhalten und somit nachhaltig unter Beweis gestellt, dass er das Unrecht der von ihm gesetzten Handlungen in der Zwischenzeit eingesehen habe.

2.2. Aus dem in den Verwaltungsakten erliegenden Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. April 2002 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1997 vom Gerichtshof Amsterdam wegen gewohnheitsmäßiger, vorsätzlicher Hehlerei zu einer Gefängnisstrafe in der Dauer von 24 Monaten (davon sechs Monate bedingt) verurteilt worden ist. Ende Juli/Anfang August 1998 - sohin in relativ kurzem zeitlichen Abstand von der genannten Verurteilung - habe der Beschwerdeführer in Holland den Rene Sch. und zwei weitere Lenker gegen Entlohnung dazu bestimmt, durch Täuschung über Tatsachen, und zwar zahlungsfähige und zahlungswillige Kunden zu sein, verschiedene Autoverleihfirmen zur Herausgabe von Lkws zu verleiten, wodurch diese in einem jedenfalls EUR 40.000,-- übersteigenden Gesamtwert geschädigt worden seien. Der Beschwerdeführer habe mit der Absicht gehandelt, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (vgl. das hg Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 99/18/0343) ist die Auffassung der belangten Behörde, es sei im Hinblick auf das der Verurteilung aus dem Jahr 2002 zu Grunde liegende Fehlverhalten die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, unbedenklich. Der Beschwerdeführer hat bereits kurze Zeit nach seiner Verurteilung wegen gewohnheitsmäßiger Begehung vorsätzlicher Hehlerei durch den Gerichtshof Amsterdam die zuvor geschilderten weiteren strafbaren Handlungen gegen fremdes Eigentum gesetzt und dadurch die von ihm ausgehende Gefahr nachhaltig bestätigt. Der seit diesem strafbaren Verhalten verstrichene Zeitraum ist in Anbetracht der Schwere und der Gewerbsmäßigkeit der Straftaten zu kurz, um daraus den Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr ableiten zu können.

3. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass seine Ehegattin niederländische Staatsangehörige und erst selbst begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 47 FrG sei, sodass die Frage der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht gemäß § 36 FrG, sondern gemäß § 48 FrG zu beurteilen gewesen wäre, so ist ihm hierin zwar zuzustimmen, eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit wird damit aber nicht aufgezeigt.

Wenngleich die belangte Behörde die Rechtslage insoweit verkannt hat, als sie das Aufenthaltsverbot im Spruch ihres Bescheides auf § 36 FrG und nicht auf § 48 Abs. 1 leg. cit. gestützt hat, resultiert allein daraus keine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers, zumal § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG auch bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, insofern von Bedeutung ist, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. August 2001, Zl. 2001/18/0032).

4.1. Der Beschwerdeführer gesteht ausdrücklich zu, keinen privaten oder familiären Bezug zu Österreich zu haben. Er macht jedoch geltend, dass eine Abwägung der betroffenen persönlichen mit den öffentlichen Interessen gemäß § 37 FrG erforderlich gewesen wäre, und bringt dazu vor, das vorliegende Aufenthaltsverbot hätte die Ausschreibung nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen zur Folge. Sämtliche Angehörige des Beschwerdeführers, insbesondere dessen Ehegattin und das gemeinsame Kind, lebten in Holland. Das Aufenthaltsverbot habe daher Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie. Ihm würde gemäß Art. 5 Abs. 2 Schengener Durchführungsübereinkommen die Einreise in das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates verweigert werden. Nach Art. 25 Schengener Durchführungsübereinkommen werde ein Aufenthaltstitel bei einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung nur bei Vorliegen von gewichtigen Gründen (humanitären Erwägungen oder infolge internationaler Verpflichtungen) erteilt. Der Beschwerdeführer verfüge bei Durchführung eines Konsultationsverfahrens über keinen Rechtsanspruch auf Erteilung eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels. Die Erteilung eines Sichtvermerks sei in das Ermessen der Behörde (des Vertragsstaats) gestellt. Daher sei die von der belangten Behörde vorgenommene Einschränkung, dass § 37 FrG nur das im Inland geführte Privat- und Familienleben schütze, nicht nachvollziehbar.

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen (vgl. zum Folgenden das Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0058), dass das Recht eines Drittausländers, sich bis zu drei Monate im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsstaaten frei zu bewegen, gemäß Art. 21 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens, BGBl. III Nr. 90/1997 (SDÜ), zwar das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a, c und e SDÜ, nicht jedoch jener gemäß lit. d dieser Bestimmung (Nichtvorliegen einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung) erfordere. Ein von einem Vertragsstaat ausgestellter Aufenthaltstitel behält somit seine Wirksamkeit, auch wenn der betreffende Drittausländer - auf Grund der Entscheidung eines anderen Vertragsstaates - im Schengener Informationssystem zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben wird.

Das SDÜ sieht für diesen Fall in seinem Art. 25 Abs. 2 zwar die Möglichkeit der "Einziehung" eines Aufenthaltstitels durch die ausstellende Vertragspartei vor. Unter welchen Voraussetzungen eine solche "Einziehung" erfolgen kann, ist in diesem Übereinkommen jedoch nicht geregelt. Insbesondere findet sich darin keine Bestimmung, wonach die Ausschreibung eines Drittausländers zur Einreiseverweigerung per se einen Grund für die "Einziehung" eines Aufenthaltstitels darstellt. Unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel entzogen werden kann, richtet sich vielmehr weiterhin - ebenso wie vor der Ausschreibung des Drittausländers zur Einreiseverweigerung - ausschließlich nach der jeweiligen nationalen Rechtsordnung.

Die Gültigkeit des (unbestritten vorliegenden) niederländischen Aufenthaltstitels des Beschwerdeführers wird somit von einer allfälligen Ausschreibung des Beschwerdeführers zur Einreiseverweigerung auf Grund des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes nicht berührt. Schon aus diesem Grund ist mit dieser Maßnahme kein Eingriff in das außerhalb Österreichs geführte Privat- und Familienleben verbunden.

Da der Beschwerdeführer zu Beginn des Jahres 2002 in Österreich festgenommen wurde, sich bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides in Untersuchungs- bzw. Strafhaft befand, keine Beziehungen privater oder familiärer Natur im österreichischen Bundesgebiet hat und das Aufenthaltsverbot in das nach dem Beschwerdevorbringen in den Niederlanden geführte Privat- und Familienleben nicht eingreift, erübrigte sich eine Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG (vgl. nochmals das genannte Erkenntnis vom 26. November 2002).

5. Zutreffend hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass eine auf der Handhabung des gemäß § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen würde, weil der Beschwerdeführer in einer dem § 35 Abs. 3 leg. cit. entsprechenden Weise verurteilt worden ist (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0225, mwN).

6. Auch die für das Aufenthaltsverbot festgesetzte Gültigkeitsdauer begegnet keinem Einwand, lässt doch das besagte Fehlverhalten des Beschwerdeführers in Anbetracht des raschen Rückfalls nach seiner ersten Verurteilung durch ein niederländisches Strafgericht sowie in Anbetracht der Gewerbsmäßigkeit seiner betrügerischen Verhaltensweisen keine zuverlässige Prognose darüber zu, wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein werden.

7. Die unbegründete Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

8. Der Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Jänner 2003

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte