VwGH 2002/13/0005

VwGH2002/13/000524.10.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerden der T GmbH, zuletzt in W, vertreten durch Dr. Thomas Würzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Sonnenfelsgasse 3/2b, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Oktober 2000, 1) Zl. RV/109-11/13/99, betreffend Feststellung, dass Berufungen als zurückgenommen gelten (2002/13/0005), und 2) Zl. RV/211-11/13/99 (Berufungssenat XI), betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1993 (2002/13/0006), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §250 Abs1 litc;
BAO §250 Abs1 litd;
BAO §275;
BAO §276 Abs1;
BAO §279 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
BAO §250 Abs1 litc;
BAO §250 Abs1 litd;
BAO §275;
BAO §276 Abs1;
BAO §279 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der mit der zur Zahl 2002/13/0006 protokollierten Beschwerde angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Die zur Zahl 2002/13/0005 protokollierte Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach zunächst jeweils antragsgemäß erfolgter Veranlagung der beschwerdeführenden Gesellschaft m.b.H. zur Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1991 und 1992 unterblieb die Erstattung von Abgabenerklärungen durch die Gesellschaft für das Jahr 1993, worauf das Finanzamt gegenüber der beschwerdeführenden Partei mit Bescheiden vom 10. November 1995 Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1993 im Schätzungswege festsetzte und ihr hinsichtlich Umsatzsteuer für dieses Jahr zusätzlich einen Verspätungszuschlag auferlegte.

Gegen die Bescheide über Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1993 wurde für die beschwerdeführende Partei von ihrem steuerlichen Vertreter am 14. Dezember 1995 Berufung mit dem Vorbringen erhoben, der Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft habe den ihm vorgelegten Jahresabschluss zum 31. Dezember 1993 und die ihm vorgelegten Steuererklärungen noch nicht genehmigt.

Mit Bescheid vom 27. Dezember 1995 trug das Finanzamt der beschwerdeführenden Partei unter Hinweis auf die Rechtsfolge des § 275 BAO auf, die der Berufung durch das Fehlen der in § 250 Abs. 1 lit. b, c und d BAO geforderten Angaben anhaftenden Mängel bis zum 31. Jänner 1996 zu beheben. Einem am 29. Jänner 1996 beim Finanzamt eingelangten - mit der Unerreichbarkeit "des Klienten" begründeten - Ansuchen der Beschwerdeführerin auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist bis zum 29. Februar 1996 entsprach das Finanzamt mit Bescheid vom 2. Februar 1996.

Im Rahmen einer noch im Februar 1996 begonnenen abgabenbehördlichen Prüfung des Unternehmens der beschwerdeführenden Gesellschaft langten beim Finanzamt Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen der Beschwerdeführerin für das Jahr 1993 sowohl am 1. März 1996 als auch am 25. April 1996 ein. Der Prüfer traf in seinem Prüfungsbericht vom 23. Jänner 1997 Feststellungen, deren rechtliche Würdigung durch ihn das Finanzamt dazu veranlasste, entsprechend den Auffassungen des Prüfers mit Bescheiden jeweils vom 24. März 1997 die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerverfahren der Jahre 1991 und 1992 von Amts wegen wiederaufzunehmen, neue Abgabenbescheide in den wieder aufgenommenen Verfahren und Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1994 und 1995 sowie den Berufungen der Beschwerdeführerin gegen die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für das Jahr 1993 teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidungen zu erlassen und mit einer als "gem. § 295 (3) BAO geänderter Bescheid" überschriebenen Erledigung gleichfalls vom 24. März 1997 den Bescheid "über die Festsetzung des Verspätungszuschlages betreffend die Umsatzsteuer für das Jahr 1993" aufzuheben.

Einem vom steuerlichen Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft am 25. April 1997 gestellten und mit der Unerreichbarkeit "des Mandanten" begründeten Antrag, die Frist zur Einbringung "des Rechtsmittels der Berufung" gegen die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1991 und 1992, gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1994 und 1995, gegen den die "Festsetzung des Verspätungszuschlages Umsatzsteuer 1993" betreffenden Bescheid vom 24. März 1997, gegen einen "Vorauszahlung Körperschaftsteuer 1997" betreffenden Bescheid vom 24. März 1997 und gegen "die Berufungsvorentscheidung gem. § 276 BAO 1993" betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1993 bis "Ende Mai 1997" zu erstrecken, gab das Finanzamt statt. Mit einem beim Finanzamt am 28. Mai 1997 eingelangten Schreiben des steuerlichen Vertreters der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 26. Mai 1997 wurde gegen die genannten Bescheide (einschließlich der Berufungsvorentscheidung) "Berufung" mit der Ankündigung erhoben, dass die "Begründung zur Berufung" nachgereicht werden werde, wofür um Einräumung einer Frist bis "vorerst Ende Juli 1997" gebeten wurde.

Mit Bescheid vom 23. Juni 1997 trug das Finanzamt der beschwerdeführenden Partei unter Hinweis auf die Rechtsfolge des § 275 BAO auf, die "der Berufung vom 26.05.1997" durch das Fehlen der in § 250 Abs. 1 lit. c und d BAO geforderten Angaben anhaftenden Mängel bis zum 31. Juli 1997 zu beheben.

Mit Schreiben vom 31. Juli 1997 ersuchte der steuerliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft um Verlängerung der "Frist zur Begründung meiner Berufung" bis "Ende Oktober 1997" mit dem Vorbringen, dass beim Geschäftsführer der Beschwerdeführerin "in den Vormonaten" eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden sei, aus deren Anlass Unterlagen beschlagnahmt worden seien, die für die Begründung der Berufung unerlässlich seien und die der Berufung zum Teil auch angeschlossen werden sollten. Das zuständige Gericht werde diese Unterlagen erst in den kommenden Wochen freigeben. Unter Wiederholung dieses Vorbringens mit der Ergänzung einer aktuellen Unerreichbarkeit des Geschäftsführers wurde am 31. Oktober 1997 die Verlängerung der Frist bis "Ende November 1997" begehrt.

Mit Bescheid vom 12. November 1997 verlängerte das Finanzamt die Mängelbehebungsfrist bis zum 1. Dezember 1997. Nachdem ein am 1. Dezember 1997 gestellter Antrag auf Fristverlängerung bis "Ende Dezember 1997" und ein am 30. Dezember 1997 gestellter Antrag auf Fristverlängerung bis "Ende Jänner 1998" jeweils damit begründet worden waren, dass der Beschwerdeführerin vom Gericht die zur Begründung der Berufung benötigten Belege nicht ausgehändigt worden seien, wurden am 30. Jänner 1998 und am 2. März 1998 gestellte Anträge auf Fristverlängerung bis "Ende Februar 1998" und bis "Ende März 1998" jeweils mit Unerreichbarkeit des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Gesellschaft begründet.

Mit Bescheid vom 18. März 1998 entschied das Finanzamt über die Fristverlängerungsanträge der Beschwerdeführerin durch den Abspruch, dass "die Frist zur Beantwortung des Mängelbehebungsbescheides mit 31.3.1998 abgewiesen" werde und "weiteren Fristverlängerungsanträgen über den 31.3.1998 hinaus keine Wirkung" zukomme.

In einer beim Finanzamt am 27. März 1998 eingelangten Eingabe der Beschwerdeführerin gleichen Datums erklärte sie sich außerstande, die für die Mängelbehebung gesetzte Frist einzuhalten. Begründend wurde vom Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft neben verschiedenen Vorwürfen gegen Justizorgane dazu ausgeführt, dass das Gericht sich weigere, eine Auflistung der auszufolgenden Unterlagen zu erstellen, dem Geschäftsführer aber weder die eigene Ordnung der auszufolgenden Unterlagen noch deren Übernahme ohne Auflistung durch das Gericht zumutbar sei. Es werde eine Fristerstreckung für die Mängelbehebung beantragt, "bis von der Behörde die nötigen Voraussetzungen geschaffen werden, die eine dem Gesetz entsprechende Übernahme der vom Finanzamt geforderten Unterlagen - durch das Gericht - ermöglichen wird". Am 31. März 1998 langte beim Finanzamt ein weiterer Ausdruck der Eingabe vom 27. März 1998 ein, der um eine "Sachverhaltsdarstellung, soweit diese ohne Unterlagen abgegeben werden kann", ergänzt wurde, in welcher Vorwürfe gegen Organe der Abgabenverwaltung des Bundes erhoben und Aussagen zu einzelnen Punkten des Betriebsprüfungsberichtes getroffen wurden.

Mit Bescheid vom 9. November 1998 sprach das Finanzamt aus, dass die Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 26. Mai 1997 gegen "USt Bescheid 1991 und 1992, Köst Bescheid 1991 und 1992, GwSt Bescheid 1991 und 1992, USt Bescheid 1994 und 1995, Verspätungszuschlagsbescheid betr Ust 1993 und Köst Vorauszahlungsbescheid 1997 (alle Bescheide vom 24.3.1997)" gemäß § 275 BAO als zurückgenommen gelte, weil die Beschwerdeführerin dem Auftrag, die Mängel ihrer Berufung bis zum 31. März 1998 zu beheben, nicht entsprochen habe.

Gegen diesen Bescheid wurde für die Beschwerdeführerin durch ihren Geschäftsführer Berufung erhoben und gleichzeitig ein "Antrag auf Fristerstreckung" gestellt, "bis die Behörde oder die Gerichte festgestellt haben, wo sie die verschwundenen Steuerbelege haben u. wer dafür verantwortlich ist". In der Begründung dieser Eingabe heißt es, dass die bei einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung beschlagnahmten Unterlagen "nicht ordentlich aufgelistet" worden seien; 27 Belegordner seien "beim Gericht verschwunden". Die beschwerdeführende Gesellschaft versuche seit nunmehr eineinhalb Jahren, eine Auflistung der Unterlagen zu erhalten, welche ihr das Gericht ausfolgen wolle. Eine Übernahme der Unterlagen vom Gericht ohne eine solche Feststellung dürfe von der Beschwerdeführerin nicht verlangt werden. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe kein Rechtsmittel zurückgenommen und einer solchen Rechtsmittelrücknahme auch nicht zugestimmt. Das Verschwinden von Steuerbelegen beim Gericht habe die Beschwerdeführerin nicht zu verantworten und "die Fristen bei Gericht" auch nicht.

Nachdem vom Sachbearbeiter der belangten Behörde im Rechtshilfewege Einsicht in den das gegen den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin geführte Strafverfahren betreffenden Gerichtsakt genommen worden war, wurden die daraus getroffenen Sachverhaltsfeststellungen (über die dem Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft gebotenen und von ihm teilweise ausgeschlagenen, teilweise genützten Gelegenheiten zur Einsicht in den strafgerichtlichen Akt) der Beschwerdeführerin in einem Vorhalt der belangten Behörde vom 5. September 2000 mit der Aufforderung bekannt gemacht, binnen gesetzter Frist eine Liste jener Aktenstücke zu übermitteln, in welche zu Zwecken der im Abgabenverfahren zu verfassenden Berufung Akteneinsicht hätte genommen werden sollen. Die Zustellung dieses Vorhaltes wurde, weil der steuerliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft zwischenzeitig die Vollmacht zurückgelegt hatte, mangels Möglichkeit einer Zustellung an dem - nicht mehr benützten - Firmenstandort und zufolge negativer Auskünfte der in Betracht kommenden Meldeämter über die Bekanntheit einer Wohnadresse des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin im Grunde der Bestimmung des § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustellG durch Hinterlegung bei der belangten Behörde ohne vorausgehenden Zustellversuch vorgenommen. Eine Beantwortung dieses Vorhaltes erfolgte nicht.

Mit dem zur Zahl 2002/13/0005 angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 9. November 1998 betreffend Feststellung, dass die Berufung gegen die dort genannten Bescheide gemäß § 275 BAO als zurückgenommen gelte, als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der aus dem strafgerichtlichen Akt getroffenen Wahrnehmungen über die dem Geschäftsführer der beschwerdeführenden Gesellschaft offen gestandenen Möglichkeiten zu der von ihm als erforderlich vermeinten Einsicht in den Gerichtsakt wird in der Begründung dieses Berufungsbescheides auf die Bestimmungen des § 250 BAO und des § 275 BAO verwiesen und ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei Kenntnis vom "Ergebnis der Betriebsprüfung" schon zum Zeitpunkt der Schlussbesprechung über die Prüfung gehabt habe, wenn auch zu diesem Zeitpunk die später bekämpften Abgabenbescheide noch nicht ausgefertigt gewesen seien. Nach Ergehen der bekämpften Abgabenbescheide sei ein Bemühen des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin um Akteneinsicht nicht mehr festzustellen gewesen. Der in der Berufung gestellte Fristerstreckungsantrag habe dem Rechtsmittel offenbar als Begründung dienen sollen. Angesichts des Umstandes, dass es der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin an ernstlichen Anstrengungen zur Erlangung von Akteneinsicht bei Gericht habe fehlen lassen, seien alle gestellten Fristverlängerungsanträge als nur zum Zwecke des Zeitgewinnes und der Verfahrensverzögerung eingebracht anzusehen. Die Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 26. Mai 1997 aber habe weder einen Antrag noch eine Begründung aufgewiesen, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Mit dem zur Zahl 2002/13/0006 angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde (als Berufungssenat) der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide des Finanzamtes für das Jahr 1993 vom 10. November 1995 im Umfang der Berufungsvorentscheidung vom 24. März 1997 teilweise Folge. In der Begründung dieses Berufungsbescheides gab die belangte Behörde den diesbezüglichen Verfahrensgang einschließlich des Mängelbehebungsauftrages des Finanzamtes vom 27. Dezember 1995 und der letztendlichen Erstreckung der für die Mängelbehebung gesetzten Frist bis zum 29. Februar 1996 wieder und referierte sodann Gang und Ergebnis der im Februar 1996 begonnenen abgabenbehördlichen Prüfung. Nach Wiedergabe der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom 24. März 1997 wird in der Bescheidbegründung sodann ausgeführt, dass es "der am 26. Mai 1997 eingebrachten Berufung neuerlich an einer Berufungsbegründung gemangelt" habe, worauf ebenfalls die aus dem strafgerichtlichen Akt getroffenen Wahrnehmungen über die Möglichkeiten des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin zur Einsicht in den Gerichtsakt wiedergegeben werden. Im Erwägungsteil der Begründung dieses Berufungsbescheides wird dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin die Absicht der Verfahrensverschleppung vorgeworfen und dargelegt, dass die zu entrichtende Umsatzsteuer im Sinne der erstatteten Erklärung angesetzt worden sei, während die geltend gemachten Vorsteuern nur im belegten Umfang zu berücksichtigen gewesen seien. Ertragsteuerlich seien die Erlöse der beschwerdeführenden Gesellschaft für das Jahr 1993 mit S 0,-- zu schätzen gewesen, weil sich aus der nachträglich vorgelegten Bilanz keine wirtschaftliche Tätigkeit habe entnehmen lassen, die zu Erlösen hätte führen können.

Die Zustellung beider angefochtenen Bescheide wurde aus den zur Zustellung des Vorhalts der belangten Behörde vom 5. September 2000 angestellten Erwägungen im Grunde der Bestimmung des § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustellG durch Hinterlegung bei der belangten Behörde ohne vorausgehenden Zustellversuch vorgenommen. Als Tag der Zustellung im Sinne des § 23 Abs. 4 ZustellG wurde von der belangten Behörde für beide angefochtenen Bescheide der 24. Oktober 2000 beurkundet.

Über die gegen die angefochtenen Bescheide erhobenen - ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges wegen zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen - Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung von Gegenschriften und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde und weiteren Schriftsätzen beider Parteien erwogen:

Die in den Gegenschriften der belangten Behörde geäußerten Zweifel an der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung sind unbegründet. Ausgehend von der Zustellung der angefochtenen Bescheide auf dem von der belangten Behörde eingeschlagenen Weg der Hinterlegung ohne Zustellversuch bei der Behörde am 24. Oktober 2000 wurde mit den der beschwerdeführenden Partei zuzurechnenden Verfahrenshilfeanträgen, die am 4. Dezember 2000 zur Post gegeben worden sind, die Beschwerdefrist nach Maßgabe der Bestimmung des § 26 Abs. 3 VwGG gewahrt.

In der Sache selbst sind für den Ausgang der beiden Beschwerdeverfahren allein die Bestimmungen des § 250 Abs. 1 BAO und des § 275 BAO maßgebend:

Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muss eine Berufung nämlich enthalten:

  1. a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
  2. b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
  3. c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
  4. d) eine Begründung.

    Das im § 250 Abs. 1 lit. c BAO statuierte Erfordernis soll die Berufungsbehörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, welche Unrichtigkeit der Berufungswerber dem Bescheid zuschreiben will, und die im § 250 Abs. 1 lit. d BAO geforderte Angabe soll der Berufungsbehörde Klarheit darüber verschaffen, aus welchen Gründen der Berufungswerber die Berufung für gerechtfertigt hält (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. Mai 2004, 2004/14/0035, vom 21. Jänner 2004, 99/13/0120, und vom 23. April 2001, 99/14/0104, je mit weiteren Nachweisen).

    Beiden der im vorliegenden Fall von der Beschwerdeführerin gegen Abgabenbescheide erhobenen Berufungen (sowohl der dem Verfahren zu 2002/13/0005 zu Grunde liegenden Berufung vom 26. Mai 1997 als auch der zu 2002/13/0006 verfahrensgegenständlichen Berufung vom 14. Dezember 1995) fehlte die im § 250 Abs. 1 lit. c BAO geforderte Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, ebenso wie die im § 250 Abs. 1 lit. d BAO geforderte Begründung der von ihr unternommenen Anfechtung der erstinstanzlichen Abgabenbescheide. Dies hatte jeweils die Pflicht der Abgabenbehörde ausgelöst, nach der angesprochenen Vorschrift des § 275 BAO vorzugehen.

    Nach dieser Bestimmung hat die Abgabenbehörde erster Instanz, wenn eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen entspricht, dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.

    Das Finanzamt hat im vorliegenden Fall die verfahrensrechtlich erforderlichen Mängelbehebungsaufträge auch erlassen, und zwar mit Bescheid vom 27. Dezember 1995 hinsichtlich der Berufung der Beschwerdeführerin vom 14. Dezember 1995 gegen die Bescheide über Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1993 (Beschwerdefall zu 2002/13/0006) und mit Bescheid vom 23. Juni 1997 hinsichtlich der am 26. Mai 1997 erhobenen Berufung gegen die am 24. März 1997 erstinstanzlich erlassenen Bescheide (Beschwerdefall zu 2002/13/0005).

    Unterschiedlich war allerdings das weitere Schicksal der von den ergangenen Mängelbehebungsaufträgen betroffenen Berufungen:

    Während die am 26. Mai 1997 erhobenen Berufungen gegen die am 24. März 1997 erstinstanzlich erlassenen Bescheide mit jenem Bescheid des Finanzamtes vom 9. November 1998 als gemäß § 275 BAO zurückgenommen geltend erklärt wurden, der von der belangten Behörde mit dem zu 2002/13/0005 angefochtenen Bescheid bestätigt wurde, erledigte die belangte Behörde mit dem zu 2002/13/0006 angefochtenen Bescheid die Berufung der Beschwerdeführerin vom 14. Dezember 1995 gegen die Bescheide über Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1993 meritorisch, nachdem diese Berufung zufolge des nach der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom 24. März 1997 von der beschwerdeführenden Partei gestellten Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 276 Abs. 1 BAO wieder als unerledigt galt.

    Das der zur Zahl 2002/13/0006 protokollierten Beschwerde entnehmbare Vorbringen, die belangte Behörde hätte eine meritorische Erledigung der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für das Jahr 1993 nicht vornehmen dürfen, erweist sich im Ergebnis als begründet. Zwar trifft es nicht zu, dass die Gestaltung des Anbringens der Beschwerdeführerin vom 26. Mai 1997 hinsichtlich der Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für das Jahr 1993 die Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages nach § 275 BAO erfordert hätte, weil dieses Anbringen in jenem Umfang, in dem es sich gegen diese Bescheide gerichtet hatte, verfahrensrechtlich nicht als Berufung, sondern als Antrag auf Entscheidung über die (schon am 14. November 1995 erhobene) Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz nach § 276 Abs. 1 BAO zu beurteilen war, für den die Inhaltsanforderungen des § 250 BAO nicht galten und auf den die Bestimmung des § 275 BAO damit auch nicht anzuwenden war.

    Die belangte Behörde hat allerdings aus dem von ihr in der Begründung des zu 2002/13/0006 angefochtenen Bescheides ohnehin referierten Verfahrensgang bis zum Ergehen der Berufungsvorentscheidung über Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1993 vom 24. März 1997 nicht die rechtlich gebotene Konsequenz gezogen: Diese hatte einzig in der Erlassung eines auf § 275 BAO gestützten Bescheides zu bestehen, dass auch die gegen die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für das Jahr 1993 erhobene Berufung vom 14. November 1995 als zurückgenommen zu gelten habe. Die beschwerdeführende Partei war dem ihr hinsichtlich dieser Berufung mit Bescheid vom 27. Dezember 1995 - rechtlich zutreffend - erteilten Mängelbehebungsauftrag, zu dessen Befolgung die der Beschwerdeführerin (nach antragsgemäßer Verlängerung letztmalig) gesetzte Frist am 29. Februar 1996 abgelaufen war, unbestritten nämlich nicht nachgekommen, was verfahrensrechtlich schon der Erlassung jener Berufungsvorentscheidung vom 24. März 1997 entgegengestanden wäre, auf welche die beschwerdeführende Partei mit ihrem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 26. Mai 1997 reagiert hatte (siehe hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, 91/13/0142).

    Nachdem die Berufung der beschwerdeführenden Partei vom 14. November 1995 gegen die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuerbescheide für das Jahr 1993 durch ihren Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 26. Mai 1997 gemäß § 276 Abs. 1 BAO wieder als unerledigt galt, hatte die belangte Behörde angesichts des Unterbleibens einer fristgerechten Befolgung des Mängelbehebungsauftrages des Finanzamtes vom 27. Dezember 1995 durch die Beschwerdeführerin nach der sie zufolge § 279 Abs. 1 BAO treffenden Obliegenheit den Eintritt der in § 275 BAO statuierten Rechtsfolge der Rücknahmefiktion (auch) dieser Berufung auszusprechen. Zur inhaltlichen Erledigung dieser Berufung kam der belangten Behörde keine Zuständigkeit mehr zu (siehe das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2004, 99/13/0120, mit den auch hiezu dort angeführten weiteren Nachweisen), was den zu 2002/13/0006 angefochtenen Bescheid mit - von Amts wegen wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet.

    Soweit die beschwerdeführende Partei auch den zu 2002/13/0005 angefochtenen Bescheid deswegen mit einem vergleichbaren Mangel behaftet sieht, weil auch ihre gegen den die Fiktion der Rücknahme der Berufungen aussprechenden Bescheid des Finanzamtes vom 9. November 1998 erhobene Berufung den Erfordernissen des § 250 Abs. 1 BAO nicht entsprochen habe und deshalb zum Gegenstand eines Mängelbehebungsauftrages nach § 275 BAO hätte gemacht werden müssen, ist ihr nicht beizupflichten. Der Berufung der Beschwerdeführerin, mit welcher sie den die Fiktion der Rücknahme der Berufungen aussprechenden Bescheid des Finanzamtes vom 9. November 1998 bekämpft hatte, konnte nach dem Inhalt des angefochtenen Abspruches von vornherein kein anderes Begehren im Sinne des § 250 Abs. 1 lit. c BAO als das nach ersatzloser Behebung des bekämpften Bescheides zugesonnen werden, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend bemerkt. Auch an einer Begründung dieser Berufung hatte es die Beschwerdeführerin nicht fehlen lassen, sodass einer inhaltlichen Erledigung dieser Berufung nichts im Wege stand. Dass die von der beschwerdeführenden Partei für diese ihre Berufung gegebene Begründung ihrem Inhalt nach nicht geeignet war, eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides vom 9. November 1998 aufzuzeigen, ändert am Vorliegen einer wirksamen Berufung nichts, weil die inhaltliche Untauglichkeit der für eine Berufung gegebenen Begründung, ihr zu einem Erfolg zu verhelfen, dem - einer Mängelbehebung nach § 275 BAO erst zugänglichen und bedürftigen - Fehlen einer Begründung nicht gleichzuhalten ist (siehe neben dem bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 23. April 2001, 99/14/0104, auch die hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 1999, 98/13/0063, und vom 17. Dezember 1998, 97/15/0130, mit weiteren Nachweisen).

    Dass der vom Finanzamt mit seinem Bescheid vom 9. November 1998 getätigte Abspruch, dass die Berufungen der beschwerdeführenden Partei vom 26. Mai 1997 gegen die näher genannten Bescheide vom 24. März 1997 im Grunde des § 275 BAO als zurückgenommen gälten, mit dem Gesetz nicht im Einklang gestanden wäre, ist nicht zu erkennen, sodass auch dem zu 2002/13/0005 angefochtenen Bescheid der belangten Behörde, mit dem sie diesen Abspruch des Finanzamtes bestätigt hat, keine Rechtswidrigkeit anhaftet:

    Eine Befolgung des schon mit Bescheid des Finanzamtes vom 23. Juni 1997 - rechtlich zutreffend - erteilten Mängelbehebungsauftrages ist bis zum Ablauf der wiederholt verlängerten Frist am 31. März 1998 jedenfalls im Umfang des zur Behebung aufgetragenen Mangels der im § 250 Abs. 1 lit. c BAO geforderten Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, unterblieben, sodass es entbehrlich ist, die Eignung der am 31. März 1998 im Anhang zum neuerlich vorgelegten Ausdruck der Eingabe vom 27. März 1998 überreichten "Sachverhaltsdarstellung, soweit diese ohne Unterlagen abgegeben werden kann", zur Erfüllung einer Behebung des Mangels einer Berufungsbegründung im Sinne des § 250 Abs. 1 lit. d BAO zu untersuchen.

    Das auf die Bestimmung des § 245 BAO bezogene Beschwerdevorbringen geht deswegen an der Sache des vorliegenden Falles vorbei, weil die genannte Vorschrift von der Berufungsfrist und ihrer Verlängerung handelt, um welches es im Beschwerdefall aber nicht geht. Dass ein Antrag, die zur Behebung von Mängeln der Berufung im Sinne des § 275 BAO gesetzte Frist zu verlängern, auf den Ablauf der Frist keinen Einfluss hat, entspricht ständiger Rechtsprechung (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. Oktober 1999, 97/15/0094, vom 30. September 1999, 99/15/0102, vom 29. Juni 1999, 99/14/0123, und vom 20. Jänner 1993, 92/13/0215). Einen Auftrag zur Beibringung von Beweismitteln hatte der Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes vom 23. Juni 1997, dessen Missachtung allein die Fiktion der Zurücknahme der Berufungen vom 26. Mai 1997 auslöste, nicht enthalten. Der Beschwerdeführerin dürfte diesbezüglich eine Verwechslung des in Rede stehenden erstinstanzlichen Mängelbehebungsauftrages mit dem zweitinstanzlich erlassenen Vorhalt vom 5. September 2000 unterlaufen sein. Ein Eingehen auf die Kritik der Beschwerdeführerin an der Zustellung dieses Vorhaltes an sie erübrigt sich schon deshalb, weil die beschwerdeführende Partei darzustellen unterlässt, welches Vorbringen sie im Falle ihrer Kenntnis vom Inhalt dieses Vorhaltes im Verwaltungsverfahren erstattet hätte.

    Dass sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 9. November 1998 nicht ausreichend auseinander gesetzt hätte, wie die Beschwerdeführerin vorträgt, ist nicht zu erkennen, und wieso die Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen ein anderes Bescheidergebnis hätte mit sich bringen können, wird in der Beschwerde nicht plausibel gemacht. Dem Beschwerdevorbringen, ein eingehendes Studium der von der belangten Behörde eingesehenen Gerichtsakten hätte ihr eine meritorische Erledigung der gegen die Abgabenbescheide erhobenen Berufungen ermöglicht, ist zu erwidern, dass die belangte Behörde eine Entscheidung über die mit Mängeln behafteten Berufungen verfahrensrechtlich gar nicht hätte treffen dürfen, in welchem Zusammenhang - dem diesbezüglichen Einwand der Beschwerdeführerin erwidernd - auf die Erledigung der zu 2002/13/0006 protokollierten Beschwerde zu verweisen ist. Darüber hinaus ist diesem Beschwerdevorbringen auch entgegenzuhalten, dass ein solches von der Beschwerdeführerin der belangten Behörde zugemutetes Studium dann erst recht der Beschwerdeführerin selbst die fristgerechte Behebung der Mängel ihrer gegen die Abgabenbescheide erhobenen Berufungen hätte ermöglichen müssen, für welche ihr das Finanzamt eine Frist von ohnehin neun Monaten eingeräumt hatte. Die von der beschwerdeführenden Partei im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Meinungsverschiedenheiten ihres Geschäftsführers mit dem Gericht über die Modalitäten der Übernahme beschlagnahmt gewesener Unterlagen rechtfertigten angesichts der nicht in Abrede gestellten Möglichkeit der beschwerdeführenden Partei zur Einsicht in die Gerichtsakten nicht die Unterlassung der aufgetragenen Mängelbehebung. Dass die vom Finanzamt dafür im Ergebnis eingeräumte Frist nicht angemessen im Sinne des § 275 BAO gewesen wäre, kann gewiss nicht gesagt werden.

    Aus den dargelegten Erwägungen war der mit der zu 2002/13/0006 protokollierten Beschwerde angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben, während die zu 2002/13/0005 protokollierte Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

    Die Entscheidungen über den Aufwandersatz gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 24. Oktober 2005

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