VwGH 2002/12/0232

VwGH2002/12/023223.10.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerden 1.) der K in T, und 2.) des W in L, beide vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen die Bescheide der Steiermärkischen Landesregierung 1.) vom 14. Juni 2002, Zl. FA6B-05.01-4589/2-2002 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) und 2.) vom 24. Juni 2002, Zl. FA6B-05.03-2919/3-2002 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), jeweils betreffend Mehrdienstleistungsvergütung (§ 50 Abs. 4 LDG 1984), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
LDG 1984 §50 Abs4;
AVG §66 Abs4;
LDG 1984 §50 Abs4;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden insoweit, als dem Antrag auf Vergütung der am 30. November 2001 bzw. am 10. Jänner 2002 erbrachten Vertretungsstunde keine Folge gegeben wurde, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer stehen als Hauptschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark. Ihre Dienststellen sind Hauptschulen in L bzw. T.

Die Beschwerdeführer beantragten am 4. Februar bzw. 7. Februar 2002 (jeweils Datum des Einlangens beim Landesschulrat für Steiermark) die Zuerkennung der Vergütung jeweils näher bezeichneter Mehrdienstleistungsstunden und brachten im Wesentlichen vor, sie hätten jeweils vorhersehbare Vertretungen übernommen. Diese seien nicht von § 43 Abs. 3 Z. 3 LDG 1984 erfasst, sodass sie Anspruch auf Vergütung der Mehrdienstleistungsstunden hätten. Sie ersuchten jeweils "um bescheidmäßige Erledigung" ihrer Anträge.

Mit gleich lautenden Bescheiden vom 18. April 2002 wies der Landesschulrat für Steiermark den "Antrag auf bescheidmäßige Feststellung eines behaupteten Anspruches auf Vergütung von Mehrdienstleistungen, die vom § 43 Abs. 3 Z. 3 LDG 1984 nicht erfasst sind, als unzulässig zurück". Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, über ein meritorisches Begehren, das nur auf Auszahlung von Bezügen gerichtet sei, könne niemals mit Bescheid erkannt werden. Die Flüssigmachung von Bezügen öffentlichrechtlicher Bediensteter sei ein technischer Vorgang, der der Verwirklichung eines unmittelbar auf einer gesetzlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfügung beruhenden Bezugsanspruches diene. Das Begehren der Beschwerdeführer konzentriere sich aber auf die Feststellung, ob die in Rede stehenden Vertretungen vorhersehbar im Sinne des § 43 Abs. 3 Z. 3 LDG 1984 gewesen seien oder nicht. Sofern eine bescheidmäßige Erledigung rechtlich überhaupt möglich bzw. zulässig wäre, müsste diese in Form eines Feststellungsbescheides ergehen. Feststellungsbescheide enthielten eine normative Regelung etwa über das Vorliegen oder über den Umfang und/oder über den Inhalt eines Rechtsverhältnisses. Die bescheidmäßige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen hingegen sei nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes nur auf Grund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung zulässig. Dass es sich bei dem Begriff "unvorhersehbare Vertretung" im § 43 Abs. 3 Z. 3 LDG 1984 um eine solche rechtserhebliche Tatsache handle, bedürfe wohl keiner weiteren Erörterung. Demnach hätten die Anträge auf Zuerkennung der Vergütung von Mehrdienstleistungsstunden bzw. auf bescheidmäßige Erledigung der Anträge nur als unzulässig zurückgewiesen werden können.

In ihren Berufungen brachten die (gewerkschaftlich vertretenen) Beschwerdeführer vor, dass ihre Anträge ein Leistungsbegehren, nämlich auf Vergütung der konkret erbrachten Mehrdienstleistungsstunden, enthielten. Die erstinstanzliche Behörde hätte daher die Anträge nicht zurückweisen dürfen, diese vielmehr inhaltlich prüfen und ihnen (letztlich) stattgeben müssen.

Mit den angefochtenen gleich lautenden Bescheiden vom 14. Juni (Erstbeschwerdeführerin) bzw. 24. Juni 2002 (Zweitbeschwerdeführer) gab die belangte Behörde den Berufungen teilweise Folge und hob die erstinstanzlichen Bescheide hinsichtlich ihres Ausspruches über die Unzulässigkeit des Antrages auf bescheidmäßige Feststellung eines behaupteten Anspruches auf Vergütung von Mehrdienstleistungen auf und gab dem Antrag auf Vergütung der am 3. November 2001 (Erstbeschwerdeführerin) bzw. 10. Jänner 2002 (Zweitbeschwerdeführer) erbrachten Vertretungsstunde jeweils keine Folge. Als gesetzliche Grundlage für diese Entscheidung führte sie jeweils § 66 Abs. 4 AVG iVm § 1 DVG sowie § 43 Abs. 3 Z. 3 iVm § 50 Abs. 4 LDG 1984 idgF an. Nach Auffassung der belangten Behörde lasse der Antrag der Beschwerdeführer seinem Inhalt nach hinreichend erkennen, dass sie damit jedenfalls auch die bescheidförmige Absprache über den von ihnen geltend gemachten "besoldungsrechtlichen Zulagenanspruch" herbeiführen wollten, weil der Antrag auch rechtliche Ausführungen enthalte, die erkennen ließen, dass der "Zulageanspruch" offenbar strittig sei. Bei Gesamtwürdigung dieser Umstände sei daher davon auszugehen, dass jeder Antrag sowohl als solcher auf Auszahlung der geltend gemachten Mehrdienstleistungszulage nach § 50 Abs. 5 LDG 1984 durch die bezugsauszahlende Stelle als auch auf bescheidförmige Absprache darüber durch die Dienstbehörde aufzufassen sei. Daher sei jeweils eine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen (wird näher ausgeführt).

Gegen diese Bescheide, und zwar insoweit den Anträgen auf Vergütung der Vertretungsstunden nicht Folge gegeben wurde, richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete jeweils eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen des sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Mit den erstinstanzlichen Bescheiden vom 18. April 2002 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf bescheidmäßige Feststellung ihrer behaupteten Ansprüche auf Verfügung von Mehrdienstleistungen als unzulässig zurückgewiesen. Das ergibt sich jeweils aus dem Wortlaut des Spruches und der beigegebenen eindeutigen Begründung zur Frage der Zulässigkeit der Erlassung von Feststellungsbescheiden. Die Erstbehörde hat daher über die Anträge der Beschwerdeführer nicht meritorisch entschieden, sondern eine formale Entscheidung getroffen. Damit war die Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde insofern eingeschränkt, als ihr ein meritorischer Abspruch über die Anträge der Beschwerdeführer verwehrt war. Gegenstand des Berufungsverfahrens (= "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG) konnte lediglich die Rechtmäßigkeit des verfahrensrechtlichen Ausspruchs der Erstbehörde sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1994, Zl. 94/11/0227, mwH).

Auf dem Boden dieser Rechtslage erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig. Statt selbst inhaltlich über den Antrag der Beschwerdeführer auf Vergütung der jeweils erbrachten Vertretungsstunde zu entscheiden, hätte die belangte Behörde angesichts der offensichtlichen Unhaltbarkeit der erstinstanzlichen Zurückweisung wegen Unzulässigkeit die ersatzlose Aufhebung dieser formalen Entscheidung aussprechen müssen, um so den Weg zur meritorischen Behandlung der Anträge durch die dafür zuständige Dienstbehörde erster Instanz frei zu machen. Durch ihre meritorische Entscheidung über diese Anträge hat die belangte Behörde die Beschwerdeführer auch in Rechten verletzt, da ihnen damit eine Instanz genommen wurde.

Aus diesen Erwägungen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

Wien, am 23. Oktober 2002

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