Normen
ÄrzteG 1998 §45 Abs2;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs3;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 2000 idF doktorinwien 9/2001 §7a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ÄrzteG 1998 §45 Abs2;
AVG §69 Abs1;
AVG §69 Abs3;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 2000 idF doktorinwien 9/2001 §7a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
Begründung
In den vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich ein an den Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien gerichtetes Schreiben der Beschwerdeführerin, das mit 30. Juni 1986 datiert ist. In diesem Schreiben meldet die Beschwerdeführerin ihre Privatpraxis mit diesem Tag ab und beantragt gemäß § 7 der Satzung des Wohlfahrtsfonds die Befreiung von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds, weil sie auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses (zur Stadt Wien) einen gleichwertigen Anspruch auf Ruhe-(Versorgungs-)Genuss habe.
In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich weiters ein nicht unterfertigtes Schreiben der Beschwerdeführerin an die Ärztekammer für Wien, das mit 30. Juli 1986 datiert ist und in dem die Privatpraxis mit diesem Tag wieder angemeldet wird. Auf welche Weise diese Schriftstücke der Ärztekammer übersendet wurden und wann sie dort eingelangt sind, ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.
Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 21. August 1986 (Beschlussdatum 1. Juli 1986) wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien von der "Mitgliedschaft" zum Wohlfahrtsfonds, mit Ausnahme des Beitrages für die Todesfallbeihilfe, befreit. In der Begründung wird § 7 Abs. 1 der Satzung wiedergegeben und ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe nachgewiesen, dass sie beim Magistrat der Stadt Wien in einem unkündbaren Dienstverhältnis stehe.
Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 12. August 2002 wurde der Fondsbeitrag der Beschwerdeführerin für das Jahr 2001 mit EUR 4.782,90 festgesetzt. In der Begründung wird dargelegt, wie die Bemessungsgrundlage berechnet wurde, und darauf hingewiesen, dass der Beitragssatz 15,8 v.H. der Bemessungsgrundlage betrage und der Fondsbeitrag für sechs Monate berechnet werde.
In der dagegen erhobenen Beschwerde an die belangte Behörde führte die Beschwerdeführerin aus, sie stehe seit 1. Oktober 1985 in einem pragmatisierten Dienstverhältnis. Ihre "Nebenbeschäftigung" in der Psychotherapeutischen Ordination umfasse seither etwa sechs Stunden pro Woche. Sie sei im Alter von 53 Jahren nicht mehr in der Lage, ihre Tätigkeit in der Ordination so auszuweiten, dass sie zusätzliche Zahlungsverpflichtungen von EUR 4.782,90 übernehmen könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde ab und bestätigte den Bescheid der Erstbehörde vom 12. August 2002. In der Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeausführungen seien nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der erfolgten Beitragsvorschreibung in Zweifel zu ziehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien beschloss in ihrer Sitzung vom 12. Dezember 2000 folgende Änderung der Satzung:
"ARTIKEL I 1. § 7a hat zu lauten wie folgt:
Eine Befreiung nach § 7 Abs. 1, die vor dem 1. Juli 1990 ausgesprochen wurde, wird mit Juli 2001 unwirksam, wenn eine Voraussetzung, unter der die Befreiung erfolgen konnte, nachträglich weggefallen ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Fondsmitglied zum Stichtag 1. Juli 2001 das 60. Lebensjahr bereits vollendet hat."
Diese Bestimmung trat nach Art. II dieser Satzungsänderung mit 1. Juli 2001 in Kraft. Die in der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien vom 12. Dezember 2000 beschlossene Satzungsänderung wurde von der Wiener Landesregierung als Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 15. Juni 2001 genehmigt und in der Zeitschrift "doktorinwien" 9/2001 ordnungsgemäß kundgemacht.
Die Festsetzung des Fondsbeitrages gegenüber der Beschwerdeführerin für das Jahr 2001 (und zwar für ein halbes Jahr) basiert offenbar auf dieser Satzungsänderung, ohne dass dies allerdings im Bescheid der belangten Behörde oder der Erstbehörde auch nur erwähnt wird. In der Gegenschrift wird dies ausdrücklich zugestanden und ausgeführt, es sei unbestritten, dass die Beschwerdeführerin eine ärztliche Tätigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 ÄrzteG 1998 ausübe. Es sei somit eine Voraussetzung, unter der die Befreiung nach § 7 Abs. 1 der Satzung erfolgen konnte, nachträglich weggefallen.
Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass die (im Wesentlichen mit § 78 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 übereinstimmende) Bestimmung des § 7 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, auf die der Bescheid des Verwaltungsausschusses vom 21. August 1986 gestützt worden war, für die Befreiung von der Beitragspflicht unter anderem voraussetzte, dass das Fondsmitglied keine (freiberufliche) ärztliche Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 2 Ärztegesetz 1984 (dieser Bestimmung entspricht nunmehr § 45 Abs. 2 ÄrzteG 1998) ausübt. Diese Voraussetzung fällt nachträglich weg, wenn der Arzt nach der Befreiung von der Beitragspflicht gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung eine solche ärztliche Tätigkeit aufnimmt. Ob dies im Beschwerdefall zutrifft, ist auf Grund der Unterlassung jeglicher Ermittlungen und des Fehlens diesbezüglicher Sachverhaltsfeststellungen nicht überprüfbar. Die Anwendung des § 7a der Satzung (in der oben wörtlich wiedergegebenen Fassung) setzt nämlich voraus, dass eine Voraussetzung, unter der die Befreiung erfolgen konnte, nachträglich weggefallen ist, d. h. dass § 7a der Satzung dann nicht herangezogen werden kann, wenn der Wegfall der Voraussetzung bereits vor der Erlassung des die Befreiung aussprechenden Bescheides eingetreten ist (dies wäre hier der Fall, wenn die Beschwerdeführerin bereits vor der Erlassung des Befreiungsbescheides ihre freiberufliche Tätigkeit wieder aufgenommen hat) oder die Voraussetzung für die Befreiung in Wahrheit nie bestanden hat (z.B. weil die freiberufliche Tätigkeit gar nicht aufgegeben wurde). In diesen Fällen wäre der Befreiungsbescheid rechtswidrig gewesen und hätte unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 und 3 AVG nach Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens, mit dem die Befreiung ausgesprochen wurde, beseitigt werden können. Für die Beurteilung des Beschwerdefalles kommt es somit entscheidend darauf an, ob und allenfalls wann die Beschwerdeführerin ihre freiberufliche Tätigkeit beendet hatte - in der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde vom 28. August 2002 behauptet sie, seit ihrer Pragmatisierung im Oktober 1985 in ihrer Ordination tätig gewesen zu sein - und wann sie allenfalls eine bereits beendete freiberufliche Tätigkeit wieder aufgenommen hat. Dazu wird die belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren Ermittlungen durchzuführen und Feststellungen zu treffen haben.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Ein Zuspruch von Aufwandersatz an die Beschwerdeführerin hatte mangels eines darauf gerichteten Antrages im Sinne des § 59 VwGG nicht zu erfolgen.
Wien, am 29. April 2003
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