Normen
FSG 1997 §25 Abs1 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §25 Abs3 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §7 Abs1 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §7 Abs2 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §7 Abs4 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §7 Abs5 idF 2002/I/065;
KFG 1967 §66 Abs2;
StGB §145 Abs1;
VwRallg;
FSG 1997 §25 Abs1 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §25 Abs3 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §7 Abs1 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §7 Abs2 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §7 Abs4 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §7 Abs5 idF 2002/I/065;
KFG 1967 §66 Abs2;
StGB §145 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Dezember 1997 (bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 19. August 1998) wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 12, 15, 144 Abs. 1 und 145 Abs. 1 Z. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Diesem Urteil lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im gemeinschaftlichen Zusammenwirken mit zwei weiteren Personen im Oktober 1997 in Wien und an anderen Orten in Österreich versucht hat, Angestellte der M. AG durch gefährliche Drohung zu einer Handlung zu nötigen, die diese Gesellschaft am Vermögen schädigen sollte, wobei der Beschwerdeführer und seine Mittäter mit dem Vorsatz handelten, sich durch das Verhalten der Geschädigten unrechtmäßig zu bereichern, indem sie in Briefen die Zahlung von S 10 Mio forderten, widrigenfalls sie die Lebensmittel der M. AG mit Knollenblätterpilzextrakten, Zyaniden oder Säuren vergiften und die Medien drüber informieren würden. Sie hätten damit mit dem Tod und der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz gedroht.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Festnahme am 22. Oktober 1997 in Haft, und zwar zunächst in Verwahrungs- und Untersuchungshaft und ab 19. August 1998 in Strafhaft.
Die Erstbehörde wurde mit Schreiben des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Oktober 1998 von der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers informiert.
Mit Bescheid vom 5. März 2002 entzog die Erstbehörde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 3 FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Bescheidzustellung, wobei jedoch Zeiten der Haft in die Entziehungsdauer nicht eingerechnet würden. In der Begründung verwies die Erstbehörde auf die vom Beschwerdeführer begangene Straftat und vertrat die Auffassung, der Beschwerdeführer sei auf Grund dieses Sachverhaltes und dessen Wertung nicht mehr verkehrszuverlässig. Die Umstände wögen in ihrer Gesamtheit so schwer, dass es der festgesetzten Entziehungszeit bedürfe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und erhöhte - unter Beibehaltung des Ausspruches über die Nichteinrechnung von Haftzeiten - die Entziehungsdauer auf drei Jahre ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Verbrechen der schweren Erpressung nach § 145 Abs. 1 StGB sei zwar in § 7 Abs. 4 FSG nicht genannt, doch schließe dies nicht aus, auch solche strafbare Handlungen als bestimmte Tatsachen heranzuziehen. Die Aufzählung in § 7 Abs. 4 FSG sei bloß demonstrativ. Das Wohlverhalten des Beschwerdeführers während der Haftzeit falle bei der Wertung nicht entscheidend zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht. Der Beschwerdeführer habe bei der Begehung der strafbaren Handlung einen Pkw verwendet, wie dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Dezember 1997 zu entnehmen sei. Er habe unter Verwendung des Pkws bestimmte Orte im Zusammenhang mit der Geldübergabe ausgekundschaftet und einen Tag vor der vereinbarten Geldübergabe einen Fluchtwagen in der Nähe des Übergabeortes abgestellt. Die Verwerflichkeit des vom Beschwerdeführer begangenen Verbrechens ergebe sich schon auf Grund der Dauer der vom Gericht verhängten Freiheitsstrafe. Auf Grund der Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlung sei eine Entziehungsdauer von drei Jahren erforderlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG (in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 65/2002) maßgebend:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. ...
...
(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.
..."
Der Beschwerdeführer meint, das von ihm begangene Verbrechen der schweren Erpressung könne die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG nicht begründen, weil dieses Verbrechen in der demonstrativen Aufzählung jener strafbaren Handlungen, die als bestimmte Tatsachen nach § 7 Abs. 2 FSG gelten, nicht enthalten sei. Dies lasse den Schluss zu, dass solche Verbrechen nicht als bestimmte Tatsachen gelten.
Dieser Auffassung des Beschwerdeführers ist die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, wonach es der bloß demonstrative Charakter der Aufzählung strafbarer Handlungen in § 7 Abs. 4 FSG zulässt, auch solche strafbaren Handlungen als bestimmte Tatsachen heranzuziehen, die in der Aufzählung des § 7 Abs. 4 FSG nicht genannt sind. Auch nicht in dieser Aufzählung enthaltene strafbare Handlungen können demnach als bestimmte Tatsachen zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 2 FSG führen, wenn sie den aufgezählten an Unrechtsgehalt und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen gleichkommen (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0355, mwN). Diese Gleichwertigkeit hat die belangte Behörde im Beschwerdefall mit Recht bejaht. Die Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat wird durch die abstrakte gesetzliche Strafdrohung des § 145 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren) im Zusammenhalt mit der konkreten Tatbegehung (wiederholte Tatversuche, denen ein ausgeklügelter Plan zu Grunde gelegen war) gekennzeichnet. Im Zusammenhang mit der Tat wurde auch wiederholt ein Kraftfahrzeug verwendet, sodass auch der in § 7 Abs. 2 letzter Halbsatz FSG geforderte Zusammenhang von der belangten Behörde mit Recht angenommen wurde.
Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner jüngeren Rechtsprechung zum FSG bereits mehrmals die Auffassung vertreten, dass es zwar auch im Geltungsbereich des FSG zulässig sei, Entziehungszeiten unter Nichteinrechnung von Haftzeiten festzusetzen, jedoch nur dann, wenn es aus bestimmten Gründen über das Wohlverhalten während der Haft hinaus noch eines weiteren in Freiheit unter Beweis gestellten Wohlverhaltens bedarf, um auf die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit schließen zu können. Die Haftzeiten sind in diesem Zusammenhang in die Prognose miteinzubeziehen, insbesondere weil die Verhängung der Strafe (neben anderen Strafzwecken) auch spezialpräventiven Zwecken dient (siehe dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2001/11/0195). Dazu kommt die Überlegung, dass gemäß § 20 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz der Vollzug der Freiheitsstrafe den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen und sie abhalten soll, schädlichen Neigungen nachzugehen. Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient somit nach dieser Gesetzesstelle primär spezialpräventiven Zwecken. Es bedürfte demnach besonderer Gründe, um die Annahme im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG zu rechtfertigen, der Betreffende werde sich - trotz Verhängung und Vollzug der Freiheitsstrafe - weiterhin schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es sich bei der Entziehung der Lenkberechtigung um eine Administrativmaßnahme zum Schutz der Öffentlichkeit vor verkehrsunzuverlässigen Personen handelt, nicht aber um eine Nebenstrafe mit dem Zweck, vom Besitzer der Lenkberechtigung begangene Straftaten zu sühnen oder durch die abschreckende Wirkung der Entziehungsmaßnahme der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegen zu wirken (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2002/11/0062).
Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen erweist sich - ungeachtet der Schwere und Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat - die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Auffassung, beim Beschwerdeführer müsse bis Oktober 2006, also für die Dauer von neun Jahren ab Begehung der Straftat, mit weiteren schweren strafbaren Handlungen gerechnet werden, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden, als verfehlt. Es ist kein Grund erkennbar, der diese Auffassung rechtfertigen könnte, insbesondere wenn man die Ausführungen im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Dezember 1997 berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bisher einen untadeligen Lebenswandel geführt hat und für die Höhe der Freiheitsstrafe in erster Linie generalpräventive Gründe - also Gründe, die für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit und die Prognose betreffend den Zeitpunkt der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit nicht maßgebend sind - ausschlaggebend waren.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 29. April 2003
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