VwGH 2002/10/0031

VwGH2002/10/003127.6.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. Wolfgang V in W, gegen den Bescheid des Rektors der Universität Wien vom 11. Februar 2002, Zl. 82/33-1999/2000, betreffend Abweisung des Antrages auf Verleihung der Lehrbefugnis, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §7 Abs1 Z4;
B-VG Art7 Abs1;
UOG 1993 §28;
AVG §7 Abs1 Z4;
B-VG Art7 Abs1;
UOG 1993 §28;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit Bescheid des Rektors der Universität Wien vom 11. Februar 2002 der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Lehrbefugnis für das Fach "Rechtsmethodologie = Juristische Methodenlehre = Methodenlehre der Rechtswissenschaften" wegen Nichterfüllung der wissenschaftlichen Qualifikation gemäß § 28 Abs. 9 i.V.m. § 28 Abs. 5 und 6a UOG 1993 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vom Rektor eingesetzte Habilitationskommission habe sich am 7. März 2001 konstituiert und nach Prüfung der Frage, ob es sich bei dem vom Beschwerdeführer bezeichneten Fach um ein wissenschaftliches Fach in seinem ganzen Umfang im Sinn des § 28 Abs. 1 UOG 1993 handle, zwei - namentlich genannte - Gutachter bestellt. Beide Gutachter seien übereinstimmend zum Ergebnis gelangt, dass die Arbeiten des Beschwerdeführers keine relevanten neuen Ergebnisse enthielten. Sie hätten ferner darin übereingestimmt, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Arbeiten - schon im Hinblick auf ihren schmalen Gegenstandsbereich - nicht belegen könnten, dass der Beschwerdeführer das Habilitationsfach wissenschaftlich beherrsche und die Fähigkeit zu seiner Förderung besitze. Wiederholten Einladungen zum Habilitationskolloquium habe der Beschwerdeführer nicht entsprochen; vielmehr habe er am 7. Jänner 2002 die Mehrzahl der Mitglieder der Habilitationskommission wegen Befangenheit abgelehnt (die betroffenen Kommissionsmitglieder hätten allerdings keinen Grund gesehen, sich von Amts wegen der Ausübung ihres Amtes zu enthalten). Da der Beschwerdeführer auch zu dem letztmals für den 7. Jänner 2002 anberaumten Termin für das Habilitationskolloquium nicht erschienen sei, habe die Kommission die Bewertung der wissenschaftlichen Qualifikation auf der Grundlage der vorgelegten wissenschaftlichen Arbeiten, den dazu eingeholten Gutachten sowie der schriftlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers zu diesen Gutachten vornehmen müssen. Auf dieser Grundlage sei die Kommission einstimmig zur Auffassung gelangt, dass die vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriften die Kriterien des § 28 Abs. 5 UOG 1993 nicht erfüllten. So lege der Beschwerdeführer in mehreren sich jedoch weitgehend wiederholenden Aufsätzen seinen Ansatz einer juristischen Experimentiertechnologie dar, der jedoch - nach Auffassung der Kommission - nur sehr begrenzt einsetzbar sei, weil sich behördliche Entscheidungen nicht beliebig provozieren ließen. Gerade grundlegende rechtswissenschaftliche Fragen ließen sich auf diese Weise überhaupt nicht klären. Darüber hinaus laufe es dem Wesen des Normkonkretisierungsprozesses zuwider, als bloßes Experiment - ohne Rechtsschutzinteresse - provoziert zu werden; insofern verfälsche das Experiment geradezu die rechtlichen Bedingungen behördlicher Entscheidungen. Selbst im Rahmen ihrer begrenzten Einsatzfähigkeit könne diese Methode die normative Qualität des Rechts nicht erfassen: Wenn eine Behörde eine konkrete rechtliche Frage in einer bestimmten Weise "beantworte", besage dies nichts über die normative Richtigkeit dieser Entscheidung. Dies lasse - innerhalb einer kontinentaleuropäischen Rechtsordnung - nicht einmal sichere Schlüsse auf künftige Entscheidungen in ähnlichen Fällen zu. Die Vorstellung, der Gegenstand der Rechtswissenschaften lasse sich methodisch auf naturgesetzliche Kausalitätsbezeichnungen reduzieren, die sich empirisch vollständig beschreiben ließen, gehe an der Qualität des Rechts völlig vorbei. Soweit behördliche Entscheidungen für die Rechtsentwicklung relevant seien, würden sie auch von der bisherigen Rechtswissenschaft selbstverständlich berücksichtigt und in die rechtswissenschaftliche Beschreibung und Analyse des geltenden Rechts einbezogen. Der Beschwerdeführer verabsolutiere jedoch diesen Ansatz in einer Weise, die dem Gegenstand der Rechtswissenschaften nicht gerecht werde. Der Beschwerdeführer habe sich auch weder mit den bisherigen Versuchen, einen ähnlichen methodischen Ansatz zu begründen (z.B. dem amerikanischen Rechtsrealismus), noch mit den dagegen vorgebrachten Einwänden näher auseinander gesetzt. In seiner Stellungnahme zu einem der eingeholten Gutachten bekenne er selbst, dass er vom Fach "Rechtsmethodologie" "nur so viel weiß, wie jeder absolvierte Jurist, der das juristische Handwerk bzw. die Juristenkunst an einer juristischen Fachschule ... erlernt hat". Die Kommission sei sohin einhellig zur Auffassung gelangt, dass die gesetzlich geforderten Kriterien einer Habilitationsschrift, nämlich methodisch einwandfrei durchgeführt zu sein und neue wissenschaftliche Ergebnisse zu enthalten, nicht vorliegen und der Beschwerdeführer damit die wissenschaftliche Beherrschung des Habilitationsfaches und die Fähigkeit zu seiner Förderung nicht belegt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 28 Abs. 1 UOG 1993 hat der Habilitationswerber den Antrag auf Verleihung der Lehrbefugnis als Universitätsdozent (Habilitation) für ein wissenschaftliches Fach in seinem ganzen Umfang an den Dekan jener Fakultät zu stellen, in deren Wirkungsbereich das betreffende Habilitationsfach fällt.

Der Dekan hat gemäß § 28 Abs. 2 UOG 1993 eine Habilitationskommission einzusetzen, die gemäß § 28 Abs. 4 UOG 1993 das Habilitationsverfahren durchzuführen hat, das sich in zwei Abschnitte gliedert. Im ersten Abschnitt ist neben den allgemeinen Voraussetzungen (Doktorat des Habilitationswerbers, das für das Habilitationsfach in Frage kommt und Bezeichnung des wissenschaftlichen Faches, für das die Lehrbefugnis angestrebt wird) die wissenschaftliche Qualifikation des Habilitationswerbers, im zweiten Abschnitt dessen didaktische Qualifikation und pädagogische Eignung zu prüfen.

Die Prüfung der wissenschaftlichen Qualifikation erfolgt gemäß § 28 Abs. 5 UOG 1993 auf der Grundlage der Habilitationsschrift und der sonstigen wissenschaftlichen Arbeiten. Die vorgelegten schriftlichen Arbeiten einschließlich der Habilitationsschrift müssen

  1. 1) methodisch einwandfrei durchgeführt sein,
  2. 2) neue wissenschaftliche Ergebnisse enthalten und
  3. 3) die wissenschaftliche Beherrschung des Habilitationsfaches und die Fähigkeit zu seiner Förderung beweisen.

    Gemäß § 28 Abs. 6 UOG 1993 sind im Rahmen des ersten Verfahrensabschnittes zwei voneinander unabhängige Gutachten von Mitgliedern der Habilitationskommission einzuholen. Darüber hinaus können weitere Gutachten eingeholt oder vom Habilitationswerber vorgelegt werden. Im ersten Abschnitt hat die Habilitationskommission mit dem Habilitationswerber auch eine öffentlich zugängliche Aussprache (Habilitationskolloquium) abzuhalten, in der insbesondere auf die Gutachten einzugehen ist.

    Bei negativer Beurteilung einer der im ersten Abschnitt zu prüfenden Voraussetzungen ist gemäß § 28 Abs. 6a UOG 1993 mit Bescheid des Dekans der Antrag auf Verleihung der Lehrbefugnis abzuweisen. Im Falle der Berufung des Habilitationswerbers gegen den Bescheid des Dekans hat der Rektor gemäß § 28 Abs. 9 UOG 1993 eine besondere Habilitationskommission einzusetzen. Das Verfahren der besonderen Habilitationskommission ist in sinngemäßer Anwendung der Abs. 5 bis 7a durchzuführen.

    Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die vom Beschwerdeführer vorgelegten Arbeiten einschließlich der Habilitationsschrift seien weder methodisch einwandfrei durchgeführt, noch enthielten sie neue wissenschaftliche Ergebnisse. Der Beschwerdeführer habe damit nicht zu belegen vermocht, dass er das Habilitationsfach wissenschaftlich beherrsche und fähig sei, es zu fördern.

    Dem hält der Beschwerdeführer zunächst entgegen, im Einzelnen genannte Mitglieder der eingesetzten Habilitationskommission seien ihm gegenüber befangen, weil "sie Gutachten erstellt haben bzw. erstellen haben lassen, welche nicht die Habilitationsschrift und sonstigen Arbeiten des Beschwerdeführers beurteilen, sondern irgendwelche Phantasieschriften, da sämtliche Ausführungen in den Gutachten auf die Habilitationsschrift und wissenschaftlichen Arbeiten des Beschwerdeführers nicht zutreffen". Dem Beschwerdeführer solle durch die Verweigerung der Habilitation zugegebenermaßen die Möglichkeit genommen werden, an der Universität einen Streit über die Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft zu entfachen.

    Der Beschwerdeführer bezieht sich mit diesem Vorbringen auf die (gemäß § 9 Abs. 1 UOG 1993 anzuwendende) Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG, wonach sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten haben, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dieser Befangenheitsgrund liegt vor, wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung des Organwalters gefolgert werden kann.

    Mit seinem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keinen konkreten Umstand auf, der darauf schließen ließe, dass die von ihm behauptete, unzutreffende Beurteilung seiner Arbeiten auf einen Mangel an objektiver Einstellung der Gutachter bzw. der Kommissionsmitglieder zurückzuführen wäre. Einem wissenschaftlich nicht qualifizierten Habilitationswerber die Lehrbefugnis als Universitätsdozent zu verweigern, ist - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - kein unsachliches Motiv, sondern vielmehr (auch) Sinn und Zweck des Habilitationsverfahrens. Mit seiner Behauptung, einzelne Kommissionsmitglieder seien befangen gewesen, zeigt der Beschwerdeführer also keinen Verfahrensmangel auf.

    Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die Beurteilung seiner Arbeiten im angefochtenen Bescheid sei aktenwidrig. Er habe nämlich dargelegt, dass sich durch seine Forschungsmethode alle grundlegenden rechtswissenschaftlichen Fragen klären ließen. Auch habe er jene Voraussetzungen aufgezeigt, unter denen das Recht so wie Naturereignisse bzw. Naturphänomene experimentell erforscht, erfasst und beschrieben werden könnten. Schließlich sei auch das ihm zugeschriebene Zitat aktenwidrig. Es laute richtig: "Die Frage ist zu verneinen, wenn man unter dem Fach 'Rechtsmethodologie' die Methodenlehre ausschließlich der traditionellen (hermeneutischgeisteswissenschaftlichen) Rechtswissenschaft versteht, weil sich meine Forschungsarbeiten überhaupt nicht mit den Methoden dieser Rechtswissenschaft befassen und ich darüber nur so viel weiß, wie jeder absolvierte Jurist, der das juristische Handwerk bzw. die Juristenkunst ... erlernt hat."

    Bei diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer zunächst den Begriff der Aktenwidrigkeit im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG. Aktenwidrigkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn im angefochtenen Bescheid Feststellungen getroffen wurden, die mit den in den Verwaltungsakten festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch stehen, nicht hingegen dann, wenn aus dem Inhalt der Verwaltungsakten nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige Schlüsse gezogen wurden. Mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe aus seinen Arbeiten unzutreffende Schlüsse betreffend die Funktionsfähigkeit der von ihm entwickelten Forschungsmethode gezogen, zeigt der Beschwerdeführer daher keine Aktenwidrigkeit im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG auf. Soweit er jedoch in der verkürzten Wiedergabe des erwähnten Zitats durch die belangte Behörde eine - diesfalls zumindest mögliche - Aktenwidrigkeit erblickt, hat er es unterlassen, die Wesentlichkeit dieses behaupteten Verfahrensmangels im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuzeigen.

    Schließlich rügt der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 25. März 1998, Zlen. 96/12/0251, 0348, 0380, 0382 und 0383, der angefochtene Bescheid sei nicht hinreichend begründet. Es sei nicht dargelegt worden, was die belangte Behörde unter dem Fach "Rechtsmethodologie" verstehe: Die Methodenlehre der traditionellen Rechtswissenschaft oder der analytischen Rechtswissenschaft. Die vom Beschwerdeführer entwickelte Forschungsmethode komme nämlich nur für eine analytische Rechtswissenschaft in Betracht. Die belangte Behörde habe es weiters unterlassen darzulegen, was sie für den wesentlichen Inhalt seiner Arbeiten halte. Der Inhalt, der nach den eingeholten Gutachten den Arbeiten des Beschwerdeführers beigemessen werde, komme ihnen jedenfalls nicht zu.

    Auch mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Ausgehend vom zitierten Erkenntnis vom 25. März 1998 und dem darin dargelegten Ausmaß der Begründungspflicht von Bescheiden ist die - oben wiedergegebene - Begründung nicht als unzureichend zu beanstanden; werden doch die Erwägungen, aus denen die vom Beschwerdeführer vorgelegten Arbeiten einschließlich der Habilitationsschrift als unzureichend erachtet werden, um seine wissenschaftliche Qualifikation zu belegen, eingehend dargestellt. Soweit der Beschwerdeführer aber rügt, die Beschreibung des Habilitationsfaches als Grundlage seiner Beurteilung sei ebenso mangelhaft geblieben wie eine Auseinandersetzung mit den von ihm vorgelegten Arbeiten, hat er nicht auch dargelegt, dass er ein entsprechendes Vorbringen im Verfahren auf gleicher fachlicher Ebene, d.h. im Sinn des § 28 Abs. 6 UOG 1993 durch Vorlage eines Gutachtens, erstattet hat.

    Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

    Wien, am 27. Juni 2002

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