VwGH 2002/08/0216

VwGH2002/08/021614.9.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 22. Juli 2002, Zl. 220.792/1-6/2002, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. P GmbH & Co KG in W,

2. Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30,

3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 4. Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55-57, 5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Die im Bezug einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer stehende Beschwerdeführerin schloss am 21. Jänner 1998 mit der erstmitbeteiligten Partei einen Rahmendienstvertrag.

Im Anhang zum Rahmendienstvertrag wurde - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - Folgendes festgehalten:

"Anhang zum Rahmendienstvertrag

...

3. Sollten Sie in der Höhe Ihres Verdienstes oder in der Bemessung der Arbeitszeit irgendwelchen gesetzlichen Einschränkungen unterliegen, so teilen Sie das Ihren Vorgesetzten bitte unbedingt mit. Achten Sie bitte auf jeden Fall selbst darauf, dass diese Begrenzungen eingehalten werden.

..."

Die erstmitbeteiligte Partei meldete die Beschwerdeführerin bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als geringfügig Beschäftigte ab 27. Jänner 1998 an; mit 13. Februar 1998 wurde die Abmeldung vorgenommen.

Die erstmitbeteiligte Partei bestätigte der Beschwerdeführerin, dass sie auf Grund des erwähnten Rahmendienstvertrages vom 27. Jänner bis 13. Februar 1998 beschäftigt war und in diesem Zeitraum folgende monatliche Einkommen bezogen habe: Vom 27. bis 31. Jänner 1998 brutto S 910,--

und vom 1. bis 13. Februar 1998 brutto S 754,--, UZ/WR S 165,68. Sie habe nach dieser Bestätigung im Jänner 5,75 und im Februar 5,80 Stunden gearbeitet.

2. Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 9. Mai 2000 wurde ausgesprochen, dass die vorzeitige Alterspension der Beschwerdeführerin bei langer Versicherungsdauer mit 27. Jänner 1998 wegfällt und mit 1. Februar 1998 wieder auflebt. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung bzw. das Einkommen aus der Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin habe zum Wegfall ihrer Pension geführt.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien. Sie machte geltend, sie habe am 27. Jänner 1998 ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit mit einem Einkommen unter der Geringfügigkeitsgrenze bei der erstmitbeteiligten Partei begonnen. Es liege daher kein vollversichertes Dienstverhältnis vor. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien hat das Verfahren zur Klärung der Vollversicherungspflicht der Beschwerdeführerin unterbrochen.

3. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Tätigkeit als Handelsangestellte bei der erstmitbeteiligten Partei im Zeitraum vom 27. bis 31. Jänner 1998 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei. In der Begründung führte die belangte Behörde nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Gesetzeszitaten aus, die Beschwerdeführerin habe mit der erstmitbeteiligten Partei ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. In der Zeit vom 27. bis 31. Jänner 1998 habe sie ein Entgelt von S 910,--, in der Zeit vom 1. bis 13. Februar 1998 ein Entgelt von S 752,-- zuzüglich aliquote Sonderzahlungen in Höhe von S 165,86 erhalten. Das zeitliche Ausmaß der tatsächlichen Beschäftigung sei im Einzelfall einvernehmlich festgelegt worden. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, § 5 Abs. 2 ASVG lege fest, dass die tägliche Höchstbeitragsgrundlage zur Anwendung komme, wenn das Beschäftigungsverhältnis für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart sei und das durchschnittliche Entgelt für einen Arbeitstag S 294,-- nicht übersteige. Sei ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, komme die monatliche Höchstbeitragsgrundlage von

S 3.730,-- zur Anwendung. Keine geringfügige Beschäftigung liege allerdings vor, wenn das im Kalendermonat gebührende Entgelt den Betrag von S 3.830,-- nur deswegen nicht übersteige, weil die Beschäftigung im betreffenden Kalendermonat begonnen, beendet oder unterbrochen worden sei. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Dienstgeber ein unbefristetes Dienstverhältnis vereinbart. Somit seien die erhaltenen S 910,-- auf den ganzen Monat hochzurechnen. Dies ergebe einen Betrag von S 5.460,--. Dieser liege über der Geringfügigkeitsgrenze, sodass die Beschwerdeführerin im betreffenden Monat pflichtversichert sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichteinbeziehung in die Vollversicherung im Sinne des ASVG auf Grund eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses verletzt. Sie macht geltend, sie habe mit der erstmitbeteiligten Partei mit Wirkung ab 27. Jänner 1998 ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Das zeitliche Ausmaß der tatsächlichen Beschäftigung sei im Einzelfall einvernehmlich festgelegt worden. Mit der Erstmitbeteiligten sei ausdrücklich ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis auf unbestimmte Zeit vereinbart worden. Ein solches sei auch zur Anmeldung gelangt. Ein Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze hätte zu einem Wegfall des Anspruches auf ihre Pensionsleistung aus dem Versicherungsfall der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer geführt. Im gegenständlichen Zeitraum Jänner 1998 habe sie an zwei Tagen Arbeitsleistungen erbracht. Die Bestimmung im § 5 Abs. 2 ASVG, wonach keine geringfügige Beschäftigung vorliege, wenn das im Kalendermonat gebührende Entgelt den Betrag von S 3.830,-- nur deshalb nicht übersteige, weil die Beschäftigung im Laufe des betreffenden Kalendermonates begonnen habe, bedeute "sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinne nach", dass es sich um eine Schutzbestimmung für Arbeitnehmer, die ein Beschäftigungsverhältnis mit einem Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze eingehen, handle. Diese Bestimmung könne aber nicht dahingehend gedeutet werden, dass ein Arbeitnehmer, der ein Beschäftigungsverhältnis mit einem Entgelt unter der Geringfügigkeitsgrenze eingehe, im ersten Monat der Beschäftigung, und nur in diesem, der Vollversicherungspflicht unterliege. Die Vollversicherung für Jänner 1998 sei daher zu Unrecht festgestellt worden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die mitbeteiligte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt und Pensionsversicherungsanstalt haben mitgeteilt, dass sie von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nehmen.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit der 54. ASVG-Novelle, die Teil des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 139/1997, ist, wurde die sozialversicherungsrechtliche Stellung der geringfügig Beschäftigten ab 1. Jänner 1998 (§ 572 Abs. 1 Z. 1 ASVG) grundlegend neu geregelt. § 5 Abs. 1 Z. 2 ASVG in der Fassung dieser Novelle lautet:

"Von der Vollversicherung ... ausgenommen sind Dienstnehmer und ihnen gemäß § 4 Abs. 4 gleichgestellte Personen, ferner Heimarbeiter und ihnen gleichgestellte Personen sowie die in § 4 Abs. 1 Z. 6 und 11 genannten Personen, wenn das ihnen aus einem oder mehreren Beschäftigungsverhältnissen im Kalendermonat gebührende Entgelt den Betrag gemäß Abs. 2 nicht übersteigt (geringfügig beschäftigte Personen);"

Der verwiesene Abs. 2 dieser Bestimmung lautet in der Fassung dieser Novelle:

"Ein Beschäftigungsverhältnis gilt als geringfügig, wenn es

1. für eine kürzere Zeit als einen Kalendermonat vereinbart ist und für einen Arbeitstag im Durchschnitt ein Entgelt von höchstens S 287,--, insgesamt jedoch von höchstens S 3.740,-- gebührt oder

2. für mindestens einen Kalendermonat oder auf unbestimmte Zeit vereinbart ist und im Kalendermonat kein höheres Entgelt als

S 3.740,-- gebührt.

Keine geringfügige Beschäftigung liegt hingegen vor, wenn das im Kalendermonat gebührende Entgelt den Betrag von S 3.740,-- nur deshalb nicht übersteigt, weil

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