Normen
AVG §13 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §13 idF 1998/I/158;
AVG §15;
AVG §16 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §13 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §13 idF 1998/I/158;
AVG §15;
AVG §16 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, insoweit damit die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Im Übrigen jedoch wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Vermessungsamtes Bregenz vom 30. März 1999 wurde die Umwandlung des Grundstückes Nr. 4878 der Katastralgemeinde H vom Grundsteuerkataster in den rechtsverbindlichen Grenzkataster mit den im Plan des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 14. Oktober 1998 dargestellten Grenzen gemäß § 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 17 Z. 1 Vermessungsgesetz verfügt. Dieser Bescheid wurde (auch) der Beschwerdeführerin zugestellt, die Eigentümerin des angrenzenden Grundstückes Nr. 4879 ist.
Nach einem auf dem Originalbescheid angebrachten Aktenvermerk vom 7. April 1999 erschien die Beschwerdeführerin an diesem Tage um 10.20 h im Vermessungsamt Bregenz und erhob "Einspruch" gegen die Umwandlung des Grundstückes Nr. 4878. Dieser Aktenvermerk wurde sowohl vom Sachbearbeiter des Vermessungsamtes Bregenz als auch von der Beschwerdeführerin unterfertigt.
Mit Bescheid vom 27. September 2001 wies das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen die "mündliche Berufung vom 7.4.1999 gegen den Bescheid des Vermessungsamtes Bregenz vom 30.3.1999" gemäß § 66 Abs. 4 im Zusammenhalt mit § 13 Abs. 2 und § 63 Abs. 3 AVG zurück. Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen ging dabei offenkundig davon aus, der am 7. April 1999 erhobene "Einspruch" sei als "mündliche Berufung" zu behandeln. Dementsprechend begründete das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen seinen Bescheid nach Darstellung der Rechtslage damit, die mündliche Erhebung einer Berufung sei im administrativrechtlichen Verfahren unzulässig. Schon deshalb habe die zu Protokoll gegebene Erklärung nicht als Berufung gewertet werden können. Ferner fehle es an einem begründeten Berufungsantrag. Unzulässige Berufungen seien ebenso wie verspätete Berufungen von einer meritorischen Erledigung ausgeschlossen, sie seien vielmehr als unzulässig zurückzuweisen. Damit sei der Umwandlungsbescheid (gemeint offenbar vom 30. März 1999) nach Ablauf der Berufungsfrist in Rechtskraft erwachsen. Eine materielle Prüfung sei nicht mehr möglich.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Mit dieser Berufung war gleichzeitig auch ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie eine Berufung in der Sache selbst (das heißt gegen den Bescheid vom 30. März 1999) verbunden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde im Wesentlichen damit begründet, anlässlich ihrer Vorsprache beim Vermessungsamt Bregenz sei der Beschwerdeführerin eine "völlig unrichtige Rechtsmittelbelehrung" insofern erteilt worden, als ihr "Einspruch" samt Unterfertigung als Berufung entgegengenommen worden sei, womit sie im Glauben gelassen worden sei, ein rechtswirksames Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 30. März 1999 erhoben zu haben. Dass dies nicht so sei, sei ihr erst mit dem bekämpften Bescheid klar geworden.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 26. Februar 2002 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen (Spruchpunkt 1) und der Berufung (gegen die die Zurückweisung ihres Einspruchs bestätigende Berufungsentscheidung) keine Folge gegeben (Spruchpunkt 2).
Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes und der Rechtslage führte die belangte Behörde aus, Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung sei das Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses. Ein Ereignis sei dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden könne, unvorhergesehen sei ein Ereignis dann, wenn es eine Partei tatsächlich nicht einberechnet habe, und mit zumutbarer Aufmerksamkeit auch nicht habe erwarten können. Immer handle es sich aber dabei - wie schon das Wort "Ereignis" zeige - um objektive, von außen kommende Umstände. In einer fehlenden oder fehlerhaften Manuduktion könne ein solches von außen kommendes Ereignis nicht erblickt werden. Auch Rechtsunkenntnis, möge sie auch zur Unterlassung der zweckentsprechenden Verfahrenshandlung geführt haben, sei ebenfalls nicht ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das Voraussetzung für die Wiedereinsetzung bilde. Weder die Unkenntnis nach §§ 13 und 63 AVG noch die Unterlassung entsprechender Belehrungen durch das Vermessungsamt hätten eine Erstreckung der Berufungsfrist bewirkt oder seien als Ereignis im Sinn des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG zu werten. Auch eine allfällige Verletzung des § 13a AVG habe ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung weder die Verlängerung einer gesetzlichen Frist noch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Folge. Bezüglich des Wiedereinsetzungsgrundes der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung sei auf den Bescheid des Vermessungsamtes Bregenz zu verweisen, der die zutreffende Rechtsmittelbelehrung enthalte, dass gegen diesen "schriftlich oder mittels Telefax Berufung erhoben werden" könne. Die Berufung habe den Bescheid zu bezeichnen und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Im Aktenvermerk über die Vorsprache der Beschwerdeführerin könne keinesfalls eine zur Wiedereinsetzung führende unrichtige Rechtsmittelbelehrung gesehen werden. Selbst wenn der Behörde wegen des Unterbleibens einer Rechtsbelehrung oder Erteilung einer unrichtigen bzw. unvollständigen Rechtsbelehrung ein Vorwurf unter dem Gesichtspunkt der Manuduktionspflicht des § 13a AVG zu machen gewesen wäre, käme dem für die Berufungsfrist oder die Wiedereinsetzung keine Bedeutung zu. Falsche Rechtsauskünfte über die Anfechtbarkeit würden auch von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes nicht als Wiedereinsetzungsgrund angesehen. Die Folgen einer unrichtigen Beurteilung der in der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides richtig wiedergegebenen gesetzlichen Erfordernisse für eine wirksame Berufung träfen daher allein die Beschwerdeführerin. Es sei auch nicht weiter zu prüfen gewesen, ob sie tatsächlich "unvertreten" im Sinn des § 13a AVG gewesen sei, sei doch anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem Vermessungsamt Bregenz noch mit ihr ein Rechtsvertreter erschienen. Damit liege weder ein Wiedereinsetzungsgrund vor, noch ein gegen die Zurückweisung geltend gemachte Berufungsgrund.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf meritorische Entscheidung durch die Berufungsbehörde, auf Manuduktion durch die Behörde, in ihrem Recht auf rechtliches Gehör, auf Begründung des Bescheides, auf Entscheidung über sämtliche geltend gemachte Berufungsgründe sowie in ihrem Recht auf Wahrung der Grenzen des sich in ihrem Eigentum befindlichen Grundstückes Nr. 4879 Grundbuch H, verletzt.
Die Beschwerdeführerin geht in Ausführung der Beschwerde offenbar davon aus, dass der Sachbearbeiter des Vermessungsamtes Bregenz, der anlässlich ihrer Vorsprache am 7. April 1999 anwesend gewesen war und mit ihr auch den Aktenvermerk vom selben Tag aufgenommen hatte, die im Bescheid vom 30. März 1999 enthaltene Rechtsmittelbelehrung dadurch "abgeändert" habe, indem er ihr den Eindruck "vermittelt" habe, durch Abgabe des "Einspruches" und Unterfertigung des darüber aufgenommenen Aktenvermerks habe sie eine den Formerfordernissen entsprechende Berufung erhoben. Jedenfalls habe er es aber unterlassen, ihr im Sinne des § 13a AVG dahingehend eine Rechtsbelehrung zu erteilen, dass dieser mündlich erklärte Einspruch eine schriftlich einzubringende Berufung nicht ersetzen könne. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid berechtige aber eine völlig unrichtige Rechtsmittelbelehrung sehr wohl zur Wiedereinsetzung. Auch habe die belangte Behörde ihrer Begründungspflicht nicht genügt, da sie mit keinem Wort begründet habe, warum sie der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid keine Folge gegeben habe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I. Zu Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides (betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung):
Gemäß § 71 Abs. 1 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, ist der Partei, die durch die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung einen Rechtsnachteil erleidet, gegen die Versäumung auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.
Gemäß § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung diejenige Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war.
Versäumte Handlung war im vorliegenden Fall die Einbringung der (schriftlichen und mit einem begründeten Berufungsantrag versehenen) Berufung, die gemäß § 63 Abs. 5 erster Satz leg. cit. bei der Behörde einzubringen ist, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Zuständig zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers war daher ausschließlich das Vermessungsamt Bregenz. Indem die belangte Behörde über den Wiedereinsetzungsantrag abgesprochen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.
II. Zu Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides:
Der § 13 AVG in der bereits genannten Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, lautet auszugsweise:
"(1) Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen können, sofern in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder, soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint, mündlich oder telephonisch eingebracht werden. Schriftliche Anbringen können nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auch telegraphisch, fernschriftlich, mit Telefax, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden.
(2) Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen.
(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
(4) ...."
Gemäß § 13a AVG hat die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Nach Abs. 5 dieser Bestimmung ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten.
Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin binnen der in § 63 Abs. 5 genannten Frist keine schriftliche und mit einem begründeten Berufungsantrag ausgestattete Berufung erhoben hat. Im Beschwerdefall wurde der mündlich vor der Behörde erster Instanz erhobene "Einspruch" der Beschwerdeführerin lediglich durch einen Aktenvermerk beurkundet, den nicht nur sein Verfasser, sondern auch die Beschwerdeführerin unterfertigt hat.
Ein Aktenvermerk ist gemäß § 16 Abs. 1 AVG grundsätzlich ein behördeninterner, keine Rechtswirkungen nach außen zeitigender Vorgang ("Amtliche Wahrnehmungen und Mitteilungen, die der Behörde telephonisch zugehen, ferner mündliche Belehrungen, Aufforderungen und Anordnungen, über die keine schriftliche Ausfertigung erlassen wird, schließlich Umstände, die nur für den inneren Dienst der Behörde in Betracht kommen, sind, wenn nicht anderes bestimmt und kein Anlaß zur Aufnahme einer Niederschrift gegeben ist, erforderlichenfalls in einem Aktenvermerk kurz festzuhalten."). Ohne die Frage eindeutig beantworten zu müssen, ob es sich bei diesem Vermerk um eine (allerdings den Erfordernissen des § 15 AVG nicht entsprechende) "Niederschrift" im Sinne dieser Bestimmung oder einen "Aktenvermerk" im Sinne des § 16 AVG handelt, macht diese Beurkundung den mündlich erklärten "Einspruch" der Beschwerdeführerin nicht zu einer schriftlichen Eingabe an die Behörde. Damit lag aber kein schriftliches Rechtsmittel vor, das die Behörde zu einem Handeln im Sinne der Verfahrensgesetze hätte veranlassen müssen. Auch eine Verbesserung im Sinne des § 13 AVG wäre unzulässig gewesen, weil sich diese Bestimmung nur auf schriftliche Eingaben der Parteien bezieht.
Damit erweist sich aber bereits die Zurückweisung dieses "Einspruchs" als nicht rechtswidrig. Auf die Frage der mit einer unrichtigen Rechtsauskunft allenfalls verbundenen Rechtsfolgen ist im Verfahren über die Berufung gegen die erfolgte Zurückweisung des mündlich erhobenen Rechtsmittels nicht einzugehen; dies wird jedoch Gegenstand des von der Behörde erster Instanz durchzuführenden Wiedereinsetzungsverfahrens sein. Aus diesem Grunde war die Beschwerde, insoweit sie die Zurückweisung des "Einspruchs" der Beschwerdeführerin betraf, als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 27. November 2003
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)