VwGH 2002/05/0746

VwGH2002/05/074619.6.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde 1) des Mag. Manfred Rosenauer, 2) der Mag. Margot Rosenauer, 3) des Emmerich Menesi und 4) der Gabriella Menesi, alle in Linz, alle vertreten durch Dr. Manfred Traxlmayr, Rechtsanwalt in Linz, Promenade 16/II, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 18. April 2002, Zl. BauR-012972/1-2002-Ka/Vi, betreffend die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde und des vorgelegten, angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2001 erhoben die Beschwerdeführer als Nachbarn (vertreten durch den Beschwerdevertreter) Berufung gegen einen erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom 30. November 2001, der ihrem Vertreter am 6. Dezember 2001 zugestellt worden war. Im Rahmen des Parteiengehörs setzte die Berufungsbehörde die Rechtsmittelwerber davon in Kenntnis, dass die Berufung verspätet sei und deren Zurückweisung in Aussicht genommen werde.

Mit Eingabe vom 10. Jänner 2001 beantragten die Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, mit der Begründung, dass diese Frist in der Kanzlei ihres Rechtsvertreters "um einen Tag verspätet" eingetragen worden sei. Die Berechnung der Rechtsmittelfrist sei wie auch in sämtlichen sonstigen Kanzleifällen durch die erfahrene Kanzleileiterin erfolgt. Ein solcher Fehler, nämlich die unrichtige Eintragung einer Rechtsmittelfrist auf Grund eines Rechenfehlers, sei ihr noch nie unterlaufen, es sei offensichtlich, dass sich die Kanzleileiterin bei der Errechnung der 14-tägigen Rechtsmittelfrist um einen Tag verrechnet habe. Dies stelle ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Beigelegt war eine eidesstattliche Erklärung der Kanzleileiterin, in welcher es u.a. heißt, bei Ermittlung der Rechtsmittelfrist anlässlich der am 6. Dezember 2001 erfolgten Zustellung sei ihr aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen insofern ein Irrtum unterlaufen, als sie anstelle des richtigen Tages 20. Dezember 2001 den 21. Dezember 2001 eingetragen habe. Möglicherweise sei die Häufung von Terminvormerkungen im Monat Dezember insbesondere vor den Weihnachtsfeiertagen Ursache für die irrtümliche Fristberechnung gewesen.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 18. Februar 2001 wurde der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen, die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung blieb erfolglos. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung mit der Feststellung als unbegründet abgewiesen, dass sie durch den bekämpften Berufungsbescheid in ihren Rechten nicht verletzt worden seien.

Dies wird im Wesentlichen damit begründet, es hänge zwar von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab, welche Anforderungen an die organisatorischen Vorkehrungen in der Kanzlei eines Rechtsanwaltes und an dessen Überwachungspflicht gegenüber dem Kanzleipersonal zu stellen seien, der Rechtsanwalt habe jedoch jedenfalls die Vormerkung der Fristen anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Diese Pflicht treffe ihn auch dann, wenn die Kanzleiangestellte ansonsten erprobt und erfahren sei und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch mit der Kalendierung von Fristen betraut sei, und auch dann, wenn es bisher nicht zu Beanstandungen gekommen sein sollte. Bei der kanzleimäßigen Bestimmung einer Rechtsmittelfrist handle es sich nicht um einen rein manipulativen Vorgang, den der Rechtsanwalt grundsätzlich nicht weiter überwachen müsse. Wenn der Beschwerdevertreter die Rechtsmittelfrist nicht selbst kalendermäßig konkret bestimme, sondern diese Bestimmung, wie vorgebracht, seiner Kanzleileiterin überlassen habe, so wäre es ihm im Rahmen der gebotenen Überwachungspflicht jedenfalls oblegen, diesen Vorgang bzw. die richtige Eintragung im Kalender zu kontrollieren (Hinweis auf hg. Judikatur). Die Fristversäumung sei daher nicht auf einen minderen Grad des Versehens zurückzuführen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde (der Sache nach) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu der von der belangten Behörde angeschnittenen Sorgfaltspflicht des Rechtsanwaltes liegt reichhaltige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor; hiezu kann beispielsweise auf die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, bei E 186 bis E 207 zu § 71 AVG wiedergegebene Judikatur verwiesen werden. Demnach trifft es zu, dass für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Anwalt selbst verantwortlich ist, der die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen, sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seiner Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen hat (siehe E 193 aaO). Im Beschwerdefall kommt aber noch Folgendes hinzu: Der Rechtsanwalt wäre verhalten gewesen, bei der Verfassung des Rechtsmittels (in der Beschwerde ist die Rede von der "bis zum letzten eingetragenen Tag wiederholt korrigierte(n) Berufung") die Rechtzeitigkeit dieses Rechtsmittels ausgehend vom Tag der Zustellung zu prüfen, womit bei der entsprechenden, gebotenen Sorgfalt auffallen hätte müssen, dass sich die Kanzleileiterin bei der Ermittlung der Rechtsmittelfrist verzählt und diese um einen Tag zu lang angenommen hatte.

Es trifft daher nicht zu, dass die Behörden des Verwaltungsverfahrens den Beschwerdeführern die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht verweigert hätten.

Da sich dies bereits aus dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren und ohne weitere Kostenbelastung für die Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Juni 2002

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