VwGH 2002/04/0209

VwGH2002/04/020930.6.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Saxinger, Chalupsky, Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 4600 Wels, Bauernstraße 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 28. Oktober 2002, Zl. UVS- 04/G/15/6376/2002/7, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §367 Z25;
GewO 1994 §39;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §78 Abs2;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2004:2002040209.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 28. Oktober 2002 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Kommanditgesellschaft zu verantworten, dass diese bei Betrieb ihrer Betriebsanlage - wie im Einzelnen dargestellt - folgende Auflage des rechtskräftigen Betriebsanlagengenehmigungsbescheides nicht eingehalten habe:

"Türen in Hauptverkehrswegen und Fluchtwegen einschließlich der Ausgangstüren aus dem Verkaufsraum müssen in Fluchtrichtung aufschlagen und so ausgestattet sein, dass sie sich von innen bzw. in Fluchtrichtung entweder mittels Türdrücker öffnen lassen oder sich durch horizontalen Druck selbsttätig öffnen. Verschlüsse solcher Türen sind in einer Höhe von 70 bis 140 cm über dem Fußboden anzubringen. Die Stehflügel zweiflügeliger Türen sind mit Triebriegelverschlüssen auszustatten, die in einer Höhe von 70 bis 140 cm über dem Fußboden anzubringen sind."

Der Eingangs- und Ausgangsbereich der in Rede stehenden Betriebsanlage (ein SB-Laden) sei demgegenüber mit elektrisch betriebenen Schiebetüren ausgestattet gewesen, deren Türblätter sich nicht in Fluchtrichtung öffneten bzw. nicht aufschlagbar ausgeführt seien. Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen die Bestimmung des § 367 Z. 25 GewO 1994 iVm der genannten Auflage verstoßen. Er habe zwar - so die Bescheidbegründung - eingewendet, die Betriebsanlage sei mit verbesserten, im Stand der Technik weiterentwickelten Doppelschiebetüren ausgestattet worden, weil die in der erwähnten Auflage geforderten, ursprünglichen Türen zu Problemen geführt hätten, wenn unachtsame Konsumenten mit dem Einkaufswagen dagegen gestoßen hätten. Die nunmehr eingebauten Türen verfügten über einen "Not-Auf-Taster". Im Falle eines Stromausfalles blieben sie automatisch in der Endstellung "offen" stehen. Es sei gesichert, dass Konsumenten die Betriebsanlage jederzeit ungehindert verlassen könnten. Derartige Türen würden seitens der Gewerbebehörde bei Bewilligung neuer Betriebsanlagen vorgeschrieben. Der Beschwerdeführer sei aber mit seiner Auffassung, es liege keine strafbare Handlung vor, wenn die von ihm gewählte Maßnahme dem Zweck der vorgeschriebenen Auflage in gleicher, wenn nicht sogar besserer Weise entspreche wie die vorgeschriebene Auflage, nicht im Recht. Für die Ausführung verbesserter Lösungen sehe die Gewerbeordnung eigene Verfahren vor, die auch einzuhalten seien. Auch sicherheitstechnisch auf dem neuesten Stand der Technik stehende Türen müssten in Bezug auf ihre möglichen Auswirkungen für das Leben und die Gesundheit von Menschen zunächst einer gewerbebehördlichen Überprüfung der Bedingungen ihres konkreten Einsatzes unterzogen werden. Soweit der Beschwerdeführer aber vorgebracht habe, er habe sich kompetenter Stellen als Sicherheitsfachkräfte bedient, diese hätten ihm jedoch nicht mit der erforderlichen Sorgfalt über den Rechtszustand nach Austausch der Türen informiert, liege darin nicht die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG. Soweit der Beschwerdeführer die Frage der Zulässigkeit des Türenaustausches nämlich nicht schon an Hand der erwähnten Bescheidauflage hätte selbst beantworten können, wäre es an ihm gelegen, eine Klärung im Wege einer Anfrage bei der zuständigen Behörde herbeizuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht, der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und dafür auch nicht bestraft zu werden verletzt. Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, durch die gewählte Gestaltung der Türen sei zwar nicht jene Lösung getroffen worden, die mit der erwähnten Auflage vorgeschrieben worden sei, die gewählte Lösung entspreche aber dem Zweck der Auflage in besserer Weise. Die gewählte Lösung bewirke einen höheren Qualitäts- und Sicherheitsstandard. Sie stelle eine gemäß § 81 Abs. 2 Z. 5 GewO 1994 nicht genehmigungspflichtige Änderung dar; eine Verletzung der diesbezüglichen Anzeigepflicht sei aber nicht nach § 367 Z. 25 GewO 1994, sondern nach § 368 GewO 1994 strafbar, also mit einer wesentlich geringeren Strafe sanktioniert. Ausgehend davon, dass sich die Fluchtwegsituation durch die Umgestaltung der Türen verbessert habe, sei der Türenaustausch überdies als "zulässige Abweichung" im Sinne des § 78 Abs. 2 GewO 1994 zu qualifizieren. Ein Verschulden des Beschwerdeführers sei auszuschließen, zumal er legitimer Weise von der Zulässigkeit eines derartigen Türenaustausches ausgehen habe dürfen, weil derartige Türen als dem neuesten Stand der Technik entsprechend von der Gewerbebehörde in vergleichbaren Betriebsanlagengenehmigungsverfahren mittels Auflage vorgeschrieben würden. Er habe sich umfassend und mit der erforderlichen Sorgfalt über die einschlägigen Vorschriften informiert; an einer gegebenenfalls irrigen Auslegung der Verwaltungsvorschrift trage er keine Schuld.

Gemäß § 367 Z. 25 GewO 1994 begeht, wer die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält, eine Verwaltungsübertretung.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Türengestaltung im Eingangs- und Ausgangsbereich der Betriebsanlage entsprechend den Annahmen im angefochtenen Bescheid der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflage nicht entsprach und daher die Auflage nicht eingehalten wurde. Er meint jedoch, dass ein Abweichen vom Genehmigungsbescheid bzw. von den darin vorgeschriebenen Auflagen zulässig sei, wenn dadurch dem Schutzzweck der Genehmigung in besserer Weise entsprochen werde und daher die mit der Genehmigung getroffene Vorsorge nicht verringert werde. § 78 Abs. 2 GewO 1994 habe diesfalls strafbefreiende Wirkung.

Auf Grund dieses Vorbringens ist zunächst der Hinweis angebracht, dass Auflagen, die im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 erforderlich sind, um die Genehmigungsfähigkeit der Betriebsanlage herzustellen, konkrete Maßnahmen zum Inhalt haben (müssen); eben diese konkreten Maßnahmen sind im Falle der Gebrauchnahme von der erteilten Genehmigung zu setzen, mögen auch andere zum selben oder sogar zu einem noch besseren Ergebnis führen. Im vorliegenden Fall bestand daher die Verpflichtung des Betriebsinhabers, die erwähnten Türen entsprechend der oben dargestellten Auflage auszuführen.

Nun ermöglicht § 78 Abs. 2 GewO 1994 innerhalb bestimmter Grenzen Abweichungen vom Genehmigungsbescheid bzw. von den darin enthaltenen Auflagen. § 78 Abs. 2 GewO 1994 bestimmt, dass die Behörde auf Antrag von der Verpflichtung zur Herstellung des dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustandes Abstand zu nehmen hat, wenn außer Zweifel steht, dass die Abweichungen die durch den Genehmigungsbescheid getroffenen Vorsorge nicht verringern. Die Behörde hat die Zulässigkeit der Abweichungen mit Bescheid auszusprechen.

Nach ihrem normativen Gehalt ermächtigt diese Bestimmung nicht den Betriebsinhaber, an Stelle der vorgeschriebenen Auflagen andere, ihm zweckentsprechend erscheinende Maßnahmen zu setzen. Vielmehr ist er "zur Herstellung des dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Zustandes" verpflichtet.

§ 78 Abs. 2 GewO 1994 ermächtigt jedoch die Behörde, vom Betriebsinhaber eigenmächtig vorgenommene Abweichungen vom Genehmigungsbescheid mit Bescheid zuzulassen, vorausgesetzt, es kommt dadurch nicht zu einer Verringerung des Schutzes, den der Genehmigungsbescheid gewährleistet. So lange die Behörde von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht und einen entsprechenden Bescheid nicht erlassen hat, besteht die Verpflichtung des Betriebsinhabers, die im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen einzuhalten, unverändert - und durch

§ 367 Z. 25 GewO 1994 verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert - weiter. Erst der bescheidmäßige Abspruch über die Zulässigkeit der vorgenommenen Abweichungen beseitigt diese Verpflichtung.

Der Beschwerdeführer behauptet weder, dass ein Antrag gemäß § 78 Abs. 2 GewO 1994 gestellt, geschweige denn, dass ein Bescheid im Sinne dieser Bestimmung erlassen worden wäre. Selbst wenn es daher zuträfe, dass durch die gewählte Gestaltung der Türen dem mit der erwähnten Auflage verfolgten Zweck besser entsprochen würde und die mit dem Genehmigungsbescheid in diesem Punkt getroffene Vorsorge nicht verringert, sondern erhöht würde, so änderte dies nichts an der Verpflichtung des Betriebsinhabers, die vorgeschriebene Auflage einzuhalten.

Soweit die Beschwerde vorbringt, beim Austausch der Türen handle es sich um eine nicht genehmigungspflichtige Änderung der Betriebsanlage, das Unterbleiben der gemäß § 81 Abs. 3 GewO 1994 diesfalls erforderlichen Anzeige sei jedoch nach einer anderen Strafnorm zu ahnden, übersieht sie, dass dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen wurde, eine rechtswidriger Weise vorgenommene Änderung der Betriebsanlage im Sinn des § 81 GewO 1994 zu verantworten zu haben, sondern die Nichteinhaltung einer vorgeschriebenen Auflage beim Betrieb der genehmigten Betriebsanlage. Dass die vorgeschriebene Auflage eingehalten wurde, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht.

Schließlich zeigt er auch mit der Behauptung, die Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unzutreffend ausgelegt zu haben, keinen Umstand auf, der geeignet wäre, die Beurteilung der Verschuldensfrage durch die belangte Behörde als rechtswidrig anzusehen. Als gewerberechtlicher Geschäftsführer wäre es ihm nämlich oblegen, sich vor dem Türenaustausch mit den Bestimmungen der Gewerbeordnung über "zulässige Abweichungen" vom Genehmigungsbescheid vertraut zu machen bzw. sich bei allfälliger Unklarheit betreffend die normative Bedeutung der vorgeschriebenen Auflage an die Behörde zu wenden. Wenn er dies daher unterließ, so kann er mangelndes Verschulden an der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht mit Erfolg geltend machen.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. Juni 2004

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