VwGH 2002/04/0078

VwGH2002/04/007817.11.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der P GmbH in K, vertreten durch Dr. Michael Großschedl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakoministraße 8/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 19. Dezember 2001, Zl. KUVS-K2-1524/13/2001, betreffend Nachprüfungsverfahren nach dem Kärntner Auftragsvergabegesetz 1997 (mitbeteiligte Partei:

Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft in Klagenfurt, vertreten durch Klaus und Quendler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 9020 Klagenfurt, Villacher Ring 19), zu Recht erkannt:

Normen

31989L0665 Rechtsmittel-RL Art1 Abs3;
61995CJ0261 Palmisani VORAB;
61998CJ0078 Preston VORAB;
61999CJ0470 Universale-Bau AG VORAB;
62000CJ0019 SIAC Construction VORAB;
62001CJ0448 EVN VORAB;
EURallg;
LVergG Krnt 1997 §81 Abs1 Satz1;
VwRallg;
31989L0665 Rechtsmittel-RL Art1 Abs3;
61995CJ0261 Palmisani VORAB;
61998CJ0078 Preston VORAB;
61999CJ0470 Universale-Bau AG VORAB;
62000CJ0019 SIAC Construction VORAB;
62001CJ0448 EVN VORAB;
EURallg;
LVergG Krnt 1997 §81 Abs1 Satz1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte machte die öffentliche Einladung zur Bewerbung um die Teilnahme an einem Verfahren für Dienstleistungen im ABl S 155 vom 14. August 2001 und in der Kärntner Landeszeitung, Ausgabe 16. August 2001, bekannt. Die Bewerberunterlagen zu diesem Verfahren ("Ergänzende Unterlagen für Interessenten an der Teilnahme am Verhandlungsverfahren für das Projekt KIS NEU - KRANKENHAUSINFORMATIONSSYSTEM IM LKH KLAGENFURT - Öffentliche Erkundung des Bewerberkreises") gingen der Beschwerdeführerin am 20. August 2001 zu. In diesen heißt es auszugsweise:

"1. ALLGEMEINE VERGABEBEDINGUNGEN

...

1.2 Durchführung des Vergabeverfahrens

Die Landeskrankenstalten-Betriebsgesellschaft hat die S-D Betriebsberatungs-Ges.m.b.H.

...

mit der operativen Abwicklung des Ausschreibungsverfahrens

beauftragt.

...

1.3 Art des Vergabeverfahrens

Das Vergabeverfahren wird als zweistufiges Verhandlungsverfahren abgewickelt, wobei die erste Stufe der öffentlichen Erkundung des Anbieterkreises dient und in der zweiten Stufe mit den ausgewählten Bietern über den Auftragsinhalt verhandelt wird.

In der zweiten Stufe des Vergabeverfahrens sind in Bezug auf die im Projekt zu erbringenden Leistungen - insbesondere hinsichtlich der Projektvorgehensweise (Vorgehensmodell) - mit den Anbietern Hearings geplant. An diesen Hearings hat auch das Schlüsselpersonal des vom Bieter vorgeschlagenen Projektteams teilzunehmen.

In Bezug auf den Gegenstand des Vergabeverfahrens sind entsprechende Möglichkeiten zu Referenzbesuchen anzubieten.

...

4. ZULASSUNGS- UND BEWERTUNGSKRITERIEN

4.1 Zulassungskriterien

Die nachfolgenden Zulassungskriterien sind Minimalanforderungen an den Bewerber (bzw. die Bietergemeinschaft), die für eine Teilnahme am Vergabeverfahren erforderlich sind. Die Werte verstehen sich als K.-o.-Kriterien, die für die grundsätzliche Zulassung am Verhandlungsverfahren zu erfüllen sind.

Zulassungskriterien:

1. Befugnis zur Erbringung der Leistung

2. Zuverlässigkeit

3. Finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit

4. Technische und fachliche Leistungsfähigkeit

5. Leistungsfähigkeit des empfohlenen KIS

Die Nichterbringung von Informationen, die zur vollständigen Überprüfung der Zulassungskriterien gemäß Tabelle 1 notwendig sind, ist ebenfalls ein K.-o.-Kriterium.

....

3.

Finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Mindestwerte)

...

...

3.3

Eigenkapitalquote 1998 - 2000 (jeweils > 10 %)

...

...

Tabelle 1 -

Zulassungskriterien

4.2 Bewertungskriterien

Alle Bewerbungen, die die Zulassungskriterien laut Tabelle 1 (siehe oben) erfüllen, werden nach dem nachfolgend angeführten Bewertungsschema bewertet und gereiht."

Zu dem von der Beschwerdeführerin gestellten Teilnahmeantrag vom 17. September 2001 wurde ihr von der Mitbeteiligten mit Schreiben vom 11. Oktober 2001 mitgeteilt, sie werde nicht zur Angebotslegung eingeladen, weil sie nicht das Zulassungskriterium 3.3 erfülle, da ihre Eigenkapitalquote im Jahre 1999 den geforderten Grenzwert von 10 % unterschritten habe.

Am 25. Oktober 2001 teilte die Beschwerdeführerin der mitbeteiligten Partei gemäß § 81 KVergG schriftlich mit, sie halte die Wahl des Verhandlungsverfahrens für unzulässig, die Mitbeteiligte habe die Anbieter über die Absicht, in sämtlichen Landeskrankenhäusern ein einheitliches Software-System einzusetzen, in Unkenntnis gelassen, die Vornahme von Entscheidungen der Mitbeteiligten durch die S-D sei unzulässig sowie das Zulassungskriterium 3.3 widerspreche den §§ 38, 39 KVergG und sei willkürlich.

Am 16. November 2001 beantragte die Beschwerdeführerin u.a. die Einleitung des Nachprüfungsverfahren sowie die Nichtigerklärung der Entscheidung der Mitbeteiligten, die Beschwerdeführerin nicht zur Angebotslegung einzuladen, sowie des bisherigen Ausschreibungs- bzw. Vergabeverfahrens, in eventu die Streichung des Zulassungskriteriums 3.3.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren "Krankenhausinformationssystem" KABEG 2001/02 gemäß den §§ 80 ff Kärntner Auftragsvergabegesetz 1997 (K-VergG) zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des dargestellten Sachverhaltes und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus, die Beschwerdeführerin habe im Verfahren vor der belangten Behörde außer Streit gestellt, dass ihr die Art des Vergabeverfahrens, die Heranziehung der S-D-BetriebsberatungsgesmbH sowie das Zulassungskriterium 3.3 spätestens mit Erhalt der Bewerberunterlagen mit 20. August 2001 bekannt gewesen seien. Sie habe dennoch einen Teilnahmeantrag gestellt und nicht die mitbeteiligte Partei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten binnen der in § 81 Abs. 1 K-VergG normierten Frist verständigt. Aus diesem Grund sei der Antrag der Beschwerdeführerin vom 15. November 2001 als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge in ihrem Recht auf Behandlung ihres Antrages auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens verletzt.

Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, sie habe unbestritten die Bewerberunterlagen am 20. August 2001 übernommen. Jedoch habe sie Punkt 3.3 der Ausschreibungsbedingungen irrig als Gewichtungs- und nicht als Ausscheidungskriterium interpretiert. Erst mit dem Verständigungsschreiben der S-D sei ihr bewusst geworden, wie Punkt 3.3 seitens der mitbeteiligten Partei ausgelegt werde. Nach § 81 Abs. 1 K-VergG könne die verschuldete Unkenntnis nicht fristauslösend sein; eine solche Interpretation wäre zudem nicht richtlinienkonform. Der Auffassung der belangten Behörde folgend hätte die Beschwerdeführerin den Nachprüfungsantrag zu einem Zeitpunkt stellen müssen, zu dem sie ihre Mitbewerber noch nicht gekannt hätte und daher den drohenden Schaden nicht hätte abschätzen können. Die von der belangten Behörde vertretene Interpretation entspreche zudem nicht dem effizienten Rechtsschutzsystem wie es die "EU-Richtlinien für die Kontrolle im Vergabewesen" (gemeint wohl Richtlinie 89/665/EWG) forderten. Die für das vorliegende Zulassungskriterium maßgebliche 10 %-Grenze sei ohne Projektbezug und willkürlich, zumal eine Ausschüttung von Gewinnen bis zu der in § 22 Abs. 1 Z. 1 Unternehmensreorganisationsgesetz vorgesehenen 8 % Grenze handelsüblich sei.

§ 81 Abs. 1 erster Satz Kärntner Auftragsvergabegesetz in der im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 65/1997 (K-VergG) lautet:

"Die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens ist nur vor erfolgter Zuschlagserteilung und nur dann zulässig, wenn der betreffende Unternehmer den Auftraggeber von der behaupteten Rechtswidrigkeit und von der beabsichtigten Nachprüfung binnen zwei Wochen nach Kenntnis der behaupteten Rechtswidrigkeit nachweislich verständigt hat und der Auftraggeber nicht innerhalb einer Woche nach Erhalt der Mitteilung die behauptete Rechtswidrigkeit beseitigt hat."

Art. 1 Abs. 3 letzter Satz der Richtlinie 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. 395 vom 30. 12. 1989, S. 33, lautet:

"Die Mitgliedstaaten können insbesondere verlangen, dass derjenige, der ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber zuvor von dem behaupteten Rechtsverstoß und von der beabsichtigten Nachprüfung unterrichten muss."

Die Bestimmung des § 81 Abs. 1 erster Satz K-VergG stellt lediglich auf die "Kenntnis der behaupteten Rechtswidrigkeit" ab. Im vorliegenden Fall war für den durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt (vgl. hiezu das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 4. Dezember 2003 in der Rechtssache C-448/01 , EVN AG et Wienstrom GmbH gegen Republik Österreich, Slg. 2003, Randnr. 57 mit Verweis auf das Urteil SIAC Construction, Randnr. 41) in den Bewerberunterlagen - wie der oben dargestellte Auszug aus diesen zeigt - die Art des Vergabeverfahrens, die Heranziehung der S-D-BetriebsberatungsgesmbH und das Zulassungskriterium 3.3 eindeutig erkennbar. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass ihr diese Bewerberunterlagen am 20. August 2001 zugegangen sind und sie daher seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von den oben genannten Umständen hatte. War die Beschwerdeführerin nun der Ansicht, diese Festlegungen der Bewerberunterlagen seien rechtswidrig gewesen, so wäre sie gemäß § 81 Abs. 1 erster Satz K-VergG verpflichtet gewesen, die mitbeteiligte Partei binnen zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, von dem sie von diesen Festlegungen Kenntnis hatte, zu verständigen.

Insoweit die Beschwerdeführerin vorbringt, sie habe zu diesem Zeitpunkt den ihr drohenden Schaden nicht abschätzen können, weil sie ihre Mitbewerber noch nicht gekannt hätte, ist ihr zu entgegnen, dass ein der Beschwerdeführerin aus der Nichteinladung zur Angebotslegung - allenfalls - resultierender Schaden nicht davon abhängt, welcher Bewerber sonst noch einen Teilnahmeantrag gestellt hat.

Insoweit die Beschwerde für ihren Standpunkt eine richtlinienkonforme Auslegung ins Treffen führt, sei auf Art. 1 Abs. 3 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG verwiesen, der eine Verpflichtung des Bieters zur vorherigen Verständigung des Auftraggebers für zulässig erklärt. Auch hat der EuGH bereits ausgesprochen, "dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen grundsätzlich dem sich aus der Richtlinie 89/665 ergebenden Effektivitätsgebot genügt, da sie ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist (vgl. entsprechend zum Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts die Urteile vom 10. Juli 1997 in der Rechtssache C-261/95 , Palmisani, Slg. 1997, I-4025, Randnr. 28, und vom 16. Mai 2000 in der Rechtssache C-78/98 , Preston u. a., Slg. 2000, I-3201, Randnr. 33)" und es außer Zweifel steht, "dass durch Sanktionen wie die Präklusion gewährleistet werden kann, dass rechtswidrige Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber nach ihrer Bekanntgabe an die Betroffenen so rasch wie möglich angefochten und berichtigt werden, was ebenfalls mit den Zielen der Richtlinie 89/665 und mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit in Einklang steht" (vgl. das Urteil des EuGH vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C-470/99 , Universale-Bau AG, Bietergemeinschaft:

1) Hinteregger & Söhne Bauges.m.b.H. Salzburg, 2) ÖSTÜ-STETTIN Hoch- und Tiefbau GmbH gegen Entsorgungsbetriebe Simmering GmbH, Slg. 2002, I-11617, Randnr. 76 und 78).

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. November 2004

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