VwGH 2002/02/0142

VwGH2002/02/014225.1.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. März 2002, Zl. VwSen-108058/11/Br/Ni, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (mitbeteiligte Partei: WO in M), zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs8 Z2;
StVO 1960 §99 Abs1b;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs8 Z2;
StVO 1960 §99 Abs1b;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 17. Jänner 2002 wurde der Mitbeteiligte für schuldig befunden, er habe am 1. Dezember 2001 um 05.07 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw an einem näher umschriebenen Ort gelenkt und sich hiebei auf Grund des bei ihm gemessenen Atemalkoholgehaltes von 0,60 mg/l in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden. Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1a StVO begangen; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 19. März 2002 insoweit Folge, als der Tatvorwurf (bei sonst unverändertem Text) in Hinsicht auf den Atemluftalkoholgehalt auf "0,57 mg/l" und die Strafnorm auf § 99 Abs. 1b StVO abgeändert wurden (u.a. wurde die Geld- bzw. Ersatzreststrafe herabgesetzt).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützte Beschwerde des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den von der belangten Behörde vorgenommenen Abzug einer "Fehlergrenze" vom Messergebnis, betreffend den Atemalkohol. Er ist damit im Recht:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 10. September 2004, Zl. 2001/02/0235, im Zusammenhang mit der Rechtsansicht, dass für die Vornahme eines Abzuges im Ausmaß von Fehlergrenzen vom Messergebnis, betreffend den Atemluftalkoholgehalt, keine gesetzliche Grundlage bestehe, zum Ausdruck gebracht: Dem Umstand, dass § 5 Abs. 4a StVO (worauf das Erkenntnis vom 28. Mai 1993, Zl. 93/02/0092, gestützt worden sei) durch die 19. StVO-Novelle aufgehoben worden sei, komme insoweit keine Relevanz zu, da der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung auch zur Rechtlage nach der 19. bzw. 20. StVO-Novelle (letztere war auch im vorliegenden Beschwerdefall anzuwenden) an dieser Rechtsprechung festgehalten habe. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis vom 10. September 2004 auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach es dem Probanden frei steht, eine Blutabnahme zu veranlassen und damit den Gegenbeweis zum gemessenen Atemluftalkoholgehalt zu erbringen.

Die Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides sowie die weitwendigen Ergänzungen ihres Standpunktes in der Gegenschrift veranlassen den Gerichtshof nicht, von der oben dargestellten Rechtsanschauung abzugehen:

Gerade weil der Proband die Möglichkeit hat, bei vermuteten "Messungenauigkeiten" (so das zitierte hg. Erkenntnis vom 10. September 2004, Zl. 2001/02/0235) eine Blutabnahme zu veranlassen (vgl. § 5 Abs. 8 Z. 2 StVO) und damit den Gegenbeweis zum gemessenen Atemluftalkoholgehalt zu erbringen, geben auch Rechtsschutzüberlegungen keinen Anlass, einen "Abzug von Fehlergrenzen" für erforderlich zu erachten.

Mit dem Hinweis der belangten Behörde, dieser "Freibeweis" bleibe dem Betroffenen "auf dem Land" schon von faktischen Gegebenheiten her vorenthalten, während es in Ballungszentren durchaus leichter möglich sei, "innerhalb von Minuten" eine öffentliche Krankenanstalt zu erreichen, ist für sie nichts gewonnen: Die belangte Behörde übersieht dabei, dass die Rückrechnung des Blutalkoholgehaltes auf den Tatzeitpunkt selbst dann noch möglich ist, wenn zwischen demselben und der Abnahme der Blutprobe geraume Zeit verstrichen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. August 2003, Zl. 2003/02/0033, sowie das darauf bezugnehmende hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2004, Zl. 2004/02/0073).

Was aber die Ausführung der belangten Behörde anlangt, der Atemalkoholwert und der Blutalkoholwert seien als vom Gesetz definierter, jeweils "selbständiger" Wert anzusehen, die bisherige Rechtsprechung sei "angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit dieser Werte" sachlich nicht mehr vertretbar, so ist es richtig, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 5 StVO durch die 19. StVO-Novelle von der "Gleichwertigkeit" von Atemalkoholmessung und Blutuntersuchung ausging (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 99/02/0107). Allerdings hat der Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Februar 2004, Zl. 2004/02/0059), dass die Umrechnung eines bestimmten Blutalkoholgehaltes in den betreffenden Wert als Atemluftalkoholgehalt mit dem Faktor 2:1 vorzunehmen ist, zumal es sich um einen "gesetzlich festgelegten" Umrechnungsschlüssel handelt; von einer "fehlenden Vergleichbarkeit" kann daher insoweit - sollte das Vorbringen der belangten Behörde in diese Richtung zu verstehen sein - nicht gesprochen werden.

Da die belangte Behörde sohin die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 25. Jänner 2005

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