VwGH 2002/02/0049

VwGH2002/02/004919.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des LM in V, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach, Rathausplatz 108, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 21. Dezember 2001, Zl. Senat-LF-01-0064, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §5 Abs2;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §5 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Dezember 2001 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 16. November 2000 um 20.30 Uhr in der Küche eines näher bezeichneten Hauses die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl er verdächtig gewesen sei, ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Gemeindegebiet von S., zumindest auf der Landesstraße L. und der Bundesstraße B., gelenkt zu haben und daher zu einer Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt aufgefordert worden sei.

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO begangen; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst, das Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr "gelenkt" zu haben. Es entspricht allerdings der ständigen hg. Rechtsprechung zu § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. September 2004, Zl. 2004/02/0276), dass der bloße "Verdacht", der Aufgeforderte habe ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt, ausreicht. Dies gilt auch hinsichtlich des Lenkens auf einer Straße "mit öffentlichem Verkehr" (vgl. § 1 Abs. 1 StVO), sodass auch in dieser Hinsicht ein "Verdacht" genügt. Dass aber der den Beschwerdeführer zur Atemluftprobe auffordernde Gendarmeriebeamte schon auf Grund der Angabe des Beschwerdeführers, er sei vom Gasthaus H. "gekommen", im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse jedenfalls einen begründeten "Verdacht" bezüglich des Lenkens des Fahrzeuges auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr haben konnte, liegt auf der Hand.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, anlässlich der in Rede stehenden Amtshandlung Alkoholisierungsmerkmale aufgewiesen zu haben. Ein "Schluss" - die Überzeugung -, dass der Beschwerdeführer bereits während des Lenkens alkoholisiert gewesen sei, ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung, wonach ein diesbezüglicher "Verdacht" ausreicht, nicht erforderlich. Im Übrigen entspricht es auch der ständigen hg. Rechtsprechung - sollte das Beschwerdevorbringen auch in diese Richtung gehen -, dass mit der Behauptung eines "Nachtrunkes" die Vornahme der Atemluftprobe nicht verweigert werden darf (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 10. September 2004, Zl. 2004/02/0276).

Hinsichtlich der Rechtsfrage, ob den Beschwerdeführer in der Küche seines Hauses die Verpflichtung traf, der Aufforderung zur Untersuchung seiner Atemluft Folge zu leisten, verwies die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 12. August 1994, Zl. 94/02/0298. Dort führte der Gerichtshof unter Hinweis auf seine Vorjudikatur aus, dass "sogar" eine allfällige Rechtswidrigkeit des Eindringens des Gendarmeriebeamten in die Wohnung des KFZ-Lenkers diesen nicht berechtige, die dort verlangte Atemluftprobe zu verweigern.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers lässt sich aus diesem hg. Erkenntnis sehr wohl entnehmen, dass auch einer diesbezüglichen Aufforderung auf "Privatgrund" Folge zu leisten ist. Von dieser ständigen hg. Rechtsprechung abzugehen, besteht kein Anlass, zumal in der StVO nicht angeordnet ist, dass die Aufforderung selbst auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr erfolgen muss (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/03/0172).

Soweit sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf § 5 Abs. 2 VStG und damit offenbar auf einen Rechtsirrtum beruft, ist zu bemerken:

Wohl kommt einem Rechtsirrtum auch im Verwaltungsstrafverfahren nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 VStG Bedeutung zu. Nach dieser Gesetzesstelle entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, allerdings nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann aber die Unkenntnis oder irrige Auslegung von Bestimmungen der StVO (und des KFG) für Lenker von Kraftfahrzeugen nicht als unverschuldet angesehen werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. Juni 1994, Zl. 94/02/0251). Wenn der Beschwerdeführer daher - entgegen der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO - zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Ablegung der Atemluftprobe der Ansicht gewesen sein sollte, hiezu auf Privatgrund nicht verpflichtet zu sein, so handelte es sich um eine irrige Auslegung der StVO, die nicht als unverschuldet angesehen werden kann. Im Übrigen hätte der Beschwerdeführer auf Grund der Aufforderung durch das Straßenaufsichtsorgan jedenfalls Zweifel an seiner - unrichtigen - Rechtsansicht haben müssen (vgl. das zitierte hg.

Erkenntnis vom 17. Juni 1994, Zl. 94/02/0251).

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet

und war daher gemäß § 42 Abs. 2 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in

Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 EMRK wurde im gegenständlichen Fall durch die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2003, Zl. 2003/02/0031).

Wien, am 19. Oktober 2004

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