VwGH 2002/01/0278

VwGH2002/01/02787.10.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Thoma und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerden 1. des W und

2. der W, beide in V, beide vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch, Dr. Wolfgang Flucher, Dr. Reinhard Köffler und Dr. Günther Clementschitsch, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Moritschstraße 11, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg je vom 12. November 2001, Zl. UVS-6/10058/13-2001(ad 1.) und Zl. UVS-6/10.070/8-2001 (ad 2.), betreffend jeweils §§ 88 und 89 SPG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §13a;
AVG §6;
AVG §67c Abs2;
AVG §73 Abs2;
DSG §31 Abs1;
SPG 1991 §51 Abs1;
SPG 1991 §87;
SPG 1991 §88 Abs2;
SPG 1991 §88 Abs5 idF 1998/I/158;
SPG 1991 §89 Abs4;
SPG 1991 §89 Abs5;
SPG 1991 §90 idF 2002/I/104;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §13 Abs1;
AVG §13a;
AVG §6;
AVG §67c Abs2;
AVG §73 Abs2;
DSG §31 Abs1;
SPG 1991 §51 Abs1;
SPG 1991 §87;
SPG 1991 §88 Abs2;
SPG 1991 §88 Abs5 idF 1998/I/158;
SPG 1991 §89 Abs4;
SPG 1991 §89 Abs5;
SPG 1991 §90 idF 2002/I/104;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden jeweils im Spruchpunkt 1. sowie im Kostenpunkt wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und im Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In dem beim Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg (der belangten Behörde) am 2. März 2001 eingelangten Schriftsatz - überschrieben mit "1. Beschwerde gemäß Art 129a Abs 1 Zif 3 B-VG iVm § 88 Abs 2 SPG 2. Aufsichtsbeschwerde wegen Verstoß gegen Richtlinien gemäß § 31 SPG (§ 89 SPG) 3. ..." - brachten die Beschwerdeführer, soweit hier wesentlich, vor, ein nicht im Dienst befindlicher Beamter des Gendarmeriepostens L habe auf Anfrage eines Ing. E. am 13. Februar 2001 eine "Zulassungsanfrage" betreffend eines vom Erstbeschwerdeführer gelenkten und auf ihn zugelassenen Kfz unter Verwendung des Behördencomputers vorgenommen. Außerdem habe derselbe Gendarmeriebeamte beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger die Zweitbeschwerdeführerin als Dienstgeber des Erstbeschwerdeführers erhoben und "diese Tatsachen" Ing. E. mitgeteilt. Für diese Vorgangsweise habe keine gesetzliche Grundlage bestanden, weshalb

1. die Feststellung beantragt werde, dass die Beschwerdeführer dadurch, dass ihre personenbezogenen Daten, nämlich "der Umstand, dass die (Zweitbeschwerdeführerin) Dienstgeberin des (Erstbeschwerdeführers) ist, sowie die Tatsachen, dass der (Erstbeschwerdeführer) Dienstnehmer der (Zweitbeschwerdeführerin) und Zulassungsinhaber des Pkws ... ist, erhoben und an Herrn Ing. E. mitgeteilt wurden, in ihrem durch § 87 SPG gewährleisteten Recht auf Gesetzmäßigkeit sicherheitspolizeilicher Maßnahmen verletzt worden" seien;

2. im Hinblick darauf, dass der besagte Gendarmeriebeamte außerhalb seines turnusmäßigen Dienstes in der beschriebenen Art tätig geworden sei, Aufsichtsbeschwerde wegen Verstoß gegen Richtlinien gemäß § 31 SPG (konkret: § 1 Abs. 3 RLV) erhoben werde, welche die belangte Behörde gemäß § 89 Abs. 1 SPG der zuständigen Dienstaufsichtsbehörde zuleiten möge.

Die belangte Behörde übermittelte je eine Ablichtung dieses Schriftsatzes der Bezirkshauptmannschaft Z (als belangte Behörde betreffend die Beschwerde nach § 88 Abs. 2 SPG) und dem Bezirksgendarmeriekommando Z; Letzterem "zur weiteren dortigen Wahrnehmung als Aufsichtsbehörde im Sinne von § 89 SPG". Nach Einlangen einer Stellungnahme seitens der Bezirkshauptmannschaft Z führte sie eine mündliche Verhandlung zum Gegenstand "Beschwerde von (Beschwerdeführer) gegen die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Z am 13.02.2001" durch, eingangs derer der Vertreter der Beschwerdeführer bekannt gab, dass er seitens des Landesgendarmeriekommandos oder des Bezirksgendarmeriekommandos keine Mitteilung gemäß § 89 Abs. 2 SPG erhalten habe.

Mit nahezu gleich lautenden, je an die beiden Beschwerdeführer gerichteten Bescheiden vom 12. November 2001 erkannte die belangte Behörde wie folgt:

"1. Gemäß § 88 Abs 2 iVm § 90 SPG wird die Beschwerde betreffend die Ermittlung der Dienstnehmer- bzw. der Zulassungsbesitzereigenschaft des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen.

2. Gemäß § 89 Abs 4 SPG wird die Richtlinienbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

Gemäß § 79a AVG wird der Antrag auf Kostenersatz abgewiesen."

Punkt 1. begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass zur Erledigung der Beschwerde betreffend die angebliche Ermittlung und Weitergabe von personenbezogenen Daten gemäß § 90 Abs. 1 SPG ausschließlich die Datenschutzkommission zuständig sei. Die Entscheidung zu Punkt 2. fuße darauf, dass kein Verlangen nach § 89 Abs. 4 SPG gestellt worden sei.

Über die dagegen erhobenen, vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretenen (Beschluss vom 19. Juni 2002, B 1740/01-6 und B 1741/01-6) und wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof - nach Erstattung von Gegenschriften seitens der belangten Behörde - erwogen:

1. Was zunächst Spruchpunkt 1. der bekämpften Bescheide anlangt, so hat die belangte Behörde richtig erkannt, dass die gegenständlich behauptete Verletzung von Rechten durch Verwenden (vgl. dazu § 51 Abs. 1 SPG) personenbezogener Daten seit 1. Jänner 2000 ausschließlich von der Datenschutzkommission zu überprüfen ist. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird dazu des Näheren auf das hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2002, Zl. 2000/01/0423, verwiesen, indem u.a. auch dargelegt wurde, dass dem in den Beschwerden angesprochenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 1997, B 1565/96, im Hinblick auf die Änderung der Rechtslage durch die SPG-Novelle 1999, BGBl. I Nr. 146, und durch das DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, keine Aktualität mehr zukommt. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die insoweit am 1. Oktober 2002 in Kraft getretene (und im vorliegenden Fall daher noch nicht maßgebliche) SPG-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 104, durch Eliminierung des § 88 Abs. 5 SPG und Neufassung des § 90 leg. cit. das im erwähnten hg. Erkenntnis vom 9. Juli 2002 entwickelte Ergebnis nachträglich zu bestätigen scheint.

Die belangte Behörde hat allerdings § 6 AVG außer Acht gelassen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hätte sie nämlich in Anwendung dieser Bestimmung die bei ihr nach § 88 Abs. 2 SPG eingebrachte Beschwerde an die Datenschutzkommission zu übermitteln gehabt (vgl. sinngemäß etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2001, Zl. 2000/19/0131). Indem sie demgegenüber die Beschwerde jeweils "als unzulässig" zurückwies, hat sie die bekämpften Bescheide in ihren Spruchpunkten 1. - und damit auch im Kostenpunkt - je mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes belastet, weshalb sie insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben waren.

2. Bezüglich der in den jeweiligen Spruchpunkten 2. der bekämpften Bescheide getroffenen Zurückweisungsentscheidung ist unstrittig, dass die Beschwerdeführer kein ausdrückliches "Entscheidungsverlangen" nach § 89 Abs. 4 SPG gestellt haben. Sie machen jedoch zunächst geltend, dass die belangte Behörde (auch) in Sachen "Richtlinienverletzung" verhandelt und dass die Bezirkshauptmannschaft Z in ihrer Stellungnahme den - in der mündlichen Verhandlung wiederholten - Antrag auf Abweisung der Richtlinienbeschwerde gestellt habe. Vor allem aber sei dem Verhalten des Beschwerdeführervertreters in der Verhandlung vor der belangten Behörde ohne weiteres zu entnehmen gewesen, dass eine Sachentscheidung durch den Verwaltungssenat begehrt werde.

Dieses Vorbringen ist zunächst insoweit aktenwidrig, als es einerseits dem im - unbeanstandet gebliebenen - Verhandlungsprotokoll festgehaltenen Vermerk über den Gegenstand der Verhandlung (siehe dazu oben) widerspricht; andererseits war in der angesprochenen Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Z auf die Richtlinienbeschwerde kein Bezug genommen worden. Im Übrigen ist den Beschwerdeführern zu erwidern, dass § 89 Abs. 4 SPG (auch) in der vorliegenden Konstellation (keine Reaktion der Dienstaufsichtsbehörde) ein schriftliches Entscheidungsbegehren voraussetzt, was sich einerseits angesichts der Formalerfordernisse des § 67c Abs. 2 AVG iVm § 89 Abs. 5 SPG unter dem Gesichtspunkt der "Tunlichkeit" (§ 13 Abs. 1 AVG) und andererseits aus der strukturellen Verwandtschaft mit der Regelung über den Devolutionsantrag (der gemäß § 73 Abs. 2 AVG schriftlich zu stellen ist) ergibt (so im Ergebnis, wenngleich ohne Begründung, auch Wiederin, Einführung in das Sicherheitspolizeirecht, Rz 755). Davon ausgehend muss der Konkludenz des Verhaltens des Beschwerdeführervertreters in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde über das oben Gesagte hinaus nicht weiter nachgegangen werden. Am Fehlen des geforderten schriftlichen Entscheidungsverlangens vermag auch die behauptete Verletzung der Manuduktionspflicht nichts zu ändern, weshalb dieser Vorwurf gleichfalls auf sich beruhen kann.

Ungeachtet des eben Gesagten sind die Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht. Fehlt es an einem Entscheidungsverlangen nach § 89 Abs. 4 SPG, so kommt dem unabhängigen Verwaltungssenat nämlich überhaupt keine Entscheidungskompetenz zu. Insbesondere ist er nicht berufen, eine Zurückweisung auszusprechen (so schon ausdrücklich im hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1999, Zl. 98/01/0169), weshalb die angefochtenen Bescheide hinsichtlich ihrer Aussprüche zu Punkt 2. gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben waren.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer steht neben dem Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand nicht zu. Wien, am 7. Oktober 2003

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