VwGH 2001/21/0170

VwGH2001/21/017023.9.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. Susanne Pertl, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Loquaiplatz 13/19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. Juni 2001, Zl. Fr 2460/01, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §81;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §44;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §81;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §44;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines rumänischen Staatsangehörigen, vom 13. Juli 2000 auf Aufhebung des mit Bescheid vom 14. September 1994 erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies die belangte Behörde darauf, dass dem Aufenthaltsverbot eine Übertretung nach § 81 FrG (Fremdengesetz 1992), nämlich eine gerichtlich strafbare Schlepperei, zu Grunde gelegen sei, derentwegen der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt nachgesehen, rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe (um seines Vorteils Willen) sechs rumänische Staatsangehörige über die Grenze nach Österreich geschleppt. Nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes am 14. September 1994 sei er vermutlich am 25. Mai 1995 von Ungarn kommend illegal über die sogenannte grüne Grenze nach Österreich gereist und in der Folge wieder nach Rumänien abgeschoben worden. Sein erster Antrag vom 29. September 1997 auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 20. April 1998 abgewiesen worden. Dieser Bescheid sei unbekämpft geblieben.

Am 13. Juli 2000 habe er wieder einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gestellt; als Grund sei vorgebracht worden, dass der Beschwerdeführer seit 21. Mai 1994 mit einer in Österreich aufhältigen rumänischen Staatsangehörigen verheiratet sei, die inzwischen am 1. März 1997 ein gemeinsames Kind geboren hätte. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wäre getilgt. Diesem Vorbringen sei - so die belangte Behörde - entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits vor Erlassung des Aufenthaltsverbotes verehelicht gewesen sei, weshalb dies in familiärer Hinsicht keine Neuerung im Sinn des § 37 FrG darstelle. Aber auch die Geburt des gemeinsamen Sohnes am 1. März 1997 sei bereits in der Stellungnahme zum erstmaligen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes der Behörde zur Kenntnis gebracht und im diesen Antrag ablehnenden Bescheid vom 20. April 1998 berücksichtigt worden; sohin könne davon ausgegangen werden, dass sich "prinzipiell an Ihrem Privat- und Familienleben nichts geändert hat". Die mittlerweile erfolgte Tilgung der Verurteilung bedinge nicht zwingend die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes und es könne auf Grund der strafbaren Handlung des Beschwerdeführers nicht davon ausgegangen werden, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt in Österreich auszuschließen wäre. Diese vom Beschwerdeführer begangene Straftat sei bereits im Jahr 1994 als schwerwiegende Missachtung österreichischer Rechtsnormen erachtet worden. Den "Regulativen des FrG" könne entnommen werden, "welch immense Bedeutung" der Verhinderung der Schlepperei zukomme. Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes liege eindeutig im öffentlichen Interesse und es sehe sich die Behörde zu einer positiven Anwendung des § 44 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers außer Stande.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 FrG zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2002, Zl. 2001/21/0189).

Die Beschwerde verweist vor allem darauf, dass die Tat, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt wurde, bereits am 25. Mai 1994 gesetzt worden sei und somit bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides mehr als sieben Jahre vergangen seien. In der Berufung gegen den erstinstanzlichen ablehnenden Bescheid über seinen Aufhebungsantrag hat der Beschwerdeführer am 10. November 2000 vorgebracht, dass er nicht wieder straffällig geworden sei. Dieser Umstand wird von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogen.

Damit erweist sich die Annahme im angefochtenen Bescheid, dass gegen den Beschwerdeführer weiterhin eine Gefährlichkeitsprognose nach § 36 Abs. 1 FrG zu treffen sei, als rechtsirrig. Wenn auch die der gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Schleppereihandlung des Beschwerdeführers in keiner Weise verharmlost werden soll, kann angesichts seines seitherigen Wohlverhaltens von über sieben Jahren bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides der Ansicht der belangten Behörde nicht zugestimmt werden, dass der Beschwerdeführer immer noch eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Österreich darstellen würde.

Dem angefochtenen Bescheid kann im Übrigen nicht entnommen werden, dass die belangte Behörde diesen Zeitraum des Wohlverhaltens ausreichend beachtet hätte, bezog sie sich doch in diesem Zusammenhang lediglich - an sich zutreffend - darauf, dass die mittlerweile erfolgte Tilgung der Verurteilung einer weiteren Gefährlichkeitsprognose nicht entgegenstünde. Diese Zeit des Wohlverhaltens, durch die im Übrigen die Beurteilung des Strafgerichtes über die Zulässigkeit einer teilweise bedingten Strafnachsicht bestätigt wurde, hätte die belangte Behörde zu einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes führen müssen.

Im Übrigen ist ihre weitere Rechtsansicht unzutreffend, dass der Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahr 1997 für die Beurteilung nach § 37 FrG keine Bedeutung zukomme, weil dieser Umstand bereits in der Ablehnung des ersten Aufhebungsantrages berücksichtigt worden sei. Entgegen dieser Meinung sind zweifellos diese nach Erlassung des Aufenthaltsverbotsbescheides eingetretenen Tatsachen bei der Beurteilung eines weiteren Aufhebungsantrages (wieder) zu berücksichtigen, weil es im gegenständlichen Fall allein darum geht, ob sich die Verhältnisse gegenüber jenen bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes geändert haben.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. September 2004

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