VwGH 2001/20/0602

VwGH2001/20/060224.6.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, 1. über den Antrag des Y in G, geboren 1969, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den am 18. Juli 2001 verkündeten und am 18. April 2002 ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 219.595/0- IV/10/00, betreffend §§ 7, 8 AsylG, sowie 2. über die Beschwerde gegen diesen Bescheid (weitere Partei: Bundesminister für Inneres),

Normen

AVG §67g Abs3;
VwGG §26 Abs1 Z1;
AVG §67g Abs3;
VwGG §26 Abs1 Z1;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattgegeben.

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein aus Kulu/Konya stammender Kurde und Staatsangehöriger der Türkei, war bereits im Frühjahr 1996 erstmals nach Österreich eingereist. Sein damals gestellter Asylantrag wurde (rechtskräftig) abgewiesen. Der im Herbst 1996 nach Deutschland weitergereiste Beschwerdeführer wurde nach negativer Erledigung eines auch dort gestellten Asylantrages im Juni 1999 (nach einem nicht erfolgreichen Versuch, mit gefälschtem Pass nach Dänemark zu gelangen, und seiner Zurückstellung nach Deutschland) in die Türkei abgeschoben. Der Beschwerdeführer reiste dann am 27. August 2000 neuerlich in das Bundesgebiet ein und beantragte zwei Tage später die Gewährung von Asyl. Zur Begründung brachte er bei der Vernehmung am 2. Oktober 2000 im Wesentlichen vor, nach seiner Abschiebung in die Türkei sei er wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit und wegen seiner früheren Tätigkeiten für die HADEP (insbesondere Verteilung von Büchern und Zeitschriften) vier Monate im Gefängnis von Konya inhaftiert worden. Er sei nur gegen die Zusage, den Sicherheitsbehörden monatlich Berichte über Kurden und HADEP-Angehörige aus seinem Heimatdorf zu liefern, enthaftet worden. Da seine diesbezüglichen Informationen "nicht korrekt" gewesen seien, habe man begonnen, auf den Beschwerdeführer durch Drohungen, man werde ihn töten, "Druck" auszuüben, sodass er sich zur Flucht entschlossen habe. In der Türkei werde nach dem Beschwerdeführer gefahndet.

Das Bundesasylamt wies diesen Asylantrag mit Bescheid vom 17. Oktober 2000 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei sei zulässig. Es erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen aus näher dargestellten Erwägungen zur Gänze für nicht glaubwürdig und ging (hilfsweise) vom Bestehen einer "innerstaatlichen Fluchtalternative" in der Westtürkei aus.

Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) am 18. Juli 2001 eine mündliche Berufungsverhandlung durch. Am Ende dieser Verhandlung verkündete der Verhandlungsleiter (in Anwesenheit des Beschwerdeführers) den die Berufung abweisenden Bescheid samt Begründung. Der Spruch und die wesentlichen Entscheidungsgründe des verkündeten Berufungsbescheides wurden in der Verhandlungsschrift protokolliert. Die erst am 18. April 2002 erstellte schriftliche Ausfertigung dieses Bescheides wurde dem Beschwerdeführer am 22. April 2002 zugestellt.

Der Beschwerdeführer hatte bereits am 8. Oktober 2001 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht und damit die Beschwerde, die mit Schriftsatz vom 3. Juni 2002 ergänzt wurde, verbunden.

Darüber hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

1. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung (Zl. 2001/20/0602):

Dem "aus prozessualer Sicherheit" eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag liegt erkennbar die Auffassung zugrunde, die Beschwerdefrist habe mit der Verkündung des Bescheides am 18. Juli 2001 begonnen und somit nach Ablauf von sechs Wochen (am 30. August 2001) geendet. Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage.

Gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG beginnt die Frist (von sechs Wochen) zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde in den Fällen des Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer bloß mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung. Ein Bescheid gilt zwar bereits mit seiner Verkündung als erlassen und damit als rechtlich existent. Gegen ihn kann daher auch - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Für die Frage, ob mit der Verkündung auch die Beschwerdefrist beginnt, ist aber nach der zitierten Bestimmung maßgeblich, ob nur ("bloß") eine mündliche Verkündung erfolgt, oder ob der Bescheid auch schriftlich auszufertigen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 1995, Zl. 95/17/0007; siehe auch die Nachweise in Mayer, BVG3, Anm. III zu § 26 VwGG).

Für das Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten ordnet § 67g Abs. 3 AVG an, dass den Parteien (jedenfalls) eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides zuzustellen ist (vgl. das schon erwähnte Erkenntnis vom 27. April 1995). Das gilt auch für das Verfahren vor der belangten Behörde (in diesem Sinn etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 2003, Zl. 2002/20/0336). Im vorliegenden Fall kommt es somit für den Beginn der Beschwerdefrist nicht auf die Bescheidverkündung, sondern auf die Zustellung der Bescheidausfertigung an. Daraus folgt, dass schon mangels Fristversäumung eine Wiedereinsetzung nach § 46 Abs. 1 VwGG nicht in Betracht kommt.

2. Zur Beschwerde (Zl. 2001/20/0603):

Mit den Ausführungen in der Beschwerde und in der Beschwerdeergänzung zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Entgegen dem Standpunkt des Beschwerdeführers ist dem angefochtenen Bescheid (auch in Verbindung mit der Verweisung auf die Begründung des Bescheides des Bundesasylamtes) ausreichend erkennbar zu entnehmen, dass die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen für nicht glaubwürdig erachtet hat und insoweit von negativen Feststellungen ausgegangen ist. Den Erwägungen der belangten Behörde zur Beweiswürdigung tritt der Beschwerdeführer aber gar nicht konkret entgegen. Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof insoweit zukommenden, auf Verstöße gegen das Schlüssigkeitsgebot eingeschränkten Prüfungsbefugnis ist daher die von der belangten Behörde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, somit auch unter Verwertung des dabei gewonnenen persönlichen Eindruckes, beweiswürdigend vorgenommene Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Ergebnis nicht zu bemängeln.

Die allgemein gehaltenen Verfahrensrügen zeigen eine Relevanz der der belangten Behörde vorgeworfenen Verfahrens- und Begründungsmängel nicht auf, weil kein Zusammenhang zu konkreten Feststellungsmängeln oder -fehlern im angefochtenen Bescheid hergestellt und nicht aufgezeigt wird, in welcher Weise die belangte Behörde bei Vermeidung der angeblichen Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Im Übrigen lassen die Beschwerdeausführungen - insbesondere unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit - außer Acht, dass die belangte Behörde (vor allem) die behauptete Inhaftierung nach der Abschiebung aus Deutschland für nicht glaubwürdig erachtet hat. Soweit die Beschwerde daher insoweit das Vorbringen des Beschwerdeführers unterstellt, geht sie (unzulässig) nicht von den Feststellungen im angefochtenen Bescheid aus.

Die unbegründete Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführungen einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Ein Kostenzuspruch war nicht vorzunehmen, weil die obsiegende belangte Behörde einen solchen nicht begehrt hat.

Wien, am 24. Juni 2004

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