VwGH 2001/20/0256

VwGH2001/20/02566.5.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Berger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des A in S im A, geboren 1968, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz, Rechtsanwalt in 4010 Linz, Graben 9, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Februar 2001, Zl. 212.763/0-VI/18/99, betreffend § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (hinsichtlich Spruchpunkt I) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 7. Juli 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Bundesasylamt im Wesentlichen vor, dass er in einem Betrieb als Werkstättenleiter beschäftigt gewesen sei. In dieser Funktion habe er den ihm unterstellten Arbeitern mehrmals die von den Pasderan angeordnete Teilnahme an Gebetsstunden und religiösen Versammlungen untersagt. Er habe von seiner Sekretärin erfahren, dass die Pasderan "wegen der Vorfälle in der Firma einen Akt über ihn angelegt" und diesen auch der Firmenleitung vorgelegt hätten. Mit seiner Sekretärin, die verheiratet gewesen sei, habe er ein Verhältnis gehabt. An einem Tag im Mai 1999 habe er sich gemeinsam mit seiner Sekretärin zu Hause aufgehalten, als er durch ein Fenster bemerkt habe, dass sich auf der Straße vor dem Haus drei Uniformierte und eine Person in Zivil befänden, worauf er aus Angst fluchtartig das Haus verlassen und sich bei Verwandten versteckt habe. Die Pasderan hätten sein Haus durchsucht und er habe in der Folge auf dem Postweg ein Entlassungsschreiben von seinem Arbeitgeber erhalten, das ihm in seinem Elternhaus nach seiner Flucht zugestellt worden sei. Wegen des Vorwurfes des Ehebruches drohe ihm die Steinigung.

Der Asylantrag wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 6. September 1999 gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchteil I). Gemäß § 8 AsylG wurde die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran festgestellt (Spruchteil II). Das Bundesasylamt begründete die Abweisung des Asylantrages im Wesentlichen damit, dass die Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig gewesen seien.

Über die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers entschied die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid. Im Spruchteil I dieses Bescheides wies sie die gegen die Abweisung des Asylantrages gerichtete Berufung gemäß § 7 AsylG ab. Im Spruchteil II änderte sie hingegen den erstinstanzlichen Bescheid ab und traf die Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 FrG unzulässig sei. In Spruchteil III erteilte sie dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG. Begründend führte die belangte Behörde aus, die erfolgte Entlassung des Beschwerdeführers habe ihren Grund "einzig darin ..., dass der Antragsteller beim Ehebruch betreten wurde, was zweifelsfrei als im Iran schwer bestraftes Delikt einen Entlassungsgrund darstellen kann". Nicht glaubhaft sei hingegen, dass das vom Beschwerdeführer beschriebene Verhalten im Unternehmen - dass seine Mitarbeiter "nämlich arbeiten und nicht an religiösen Versammlungen teilhaben sollen" - von der Firmenleitung kritisch aufgenommen worden wäre. Auch vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geschilderte Zusammenstöße zwischen Werksangehörigen und den Pasderan seien nicht glaubhaft gewesen. Zur Strafbarkeit des Ehebruches im Iran stellte die belangte Behörde unter anderem fest, dass für unverheiratete Männer und Frauen, "welche den unerlaubten Geschlechtsverkehr vollziehen, eine Strafe von hundert Peitschenhieben" vorgesehen sei. Die Strafe der Steinigung gelte hingegen für Verheiratete und komme daher für den Beschwerdeführer nicht in Betracht. Rechtlich begründete die belangte Behörde die in Bezug auf den Asylteil erfolgte Abweisung der Berufung im Wesentlichen damit, die vom Beschwerdeführer behauptete negative Haltung zum islamischen Staat ändere nichts daran, dass der Beschwerdeführer im Iran schon wegen des Ehebruches einer "relativ großen Strafdrohung" ausgesetzt sei. Ehebruch "an sich" könne jedoch nicht asylrelevant sein.

Über die gegen Spruchpunkt I dieses Bescheides erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der FlKonv genannten Endigungs- oder Ausschließungsgründe vorliegt. Flüchtling im Sinne der FlKonv ist gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die belangte Behörde stützte die Abweisung der Berufung darauf, dass die dem Beschwerdeführer wegen des Ehebruches drohenden Sanktionen kein "asylrelevanter Sachverhalt" seien. Sie begründete dies u.a. damit, dass der vom Beschwerdeführer begangene Ehebruch mit einer verheirateten Frau ein "Verstoß gegen ein allgemein geltendes Gesetz im Iran" sei. Der Beschwerdeführer werde daher "nicht wegen seiner Person, sondern wegen der von ihm begangenen Tat verfolgt". Dass Ehebruch "an sich" nicht asylrelevant sei, entspreche auch der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (in diesem Zusammenhang wies die belangte Behörde auf das - noch zum AsylG 1991 ergangene - Erkenntnis vom 18. Dezember 1996, Zl. 96/20/0793, hin).

Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in neueren, bereits zum geltenden Asylgesetz ergangenen Erkenntnissen - auf die die belangte Behörde allerdings noch nicht Bedacht nehmen konnte - wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass im Zusammenhang mit der Verquickung von Staat und Religion im Iran das Erfordernis einer Prüfung auch dem Schutz religiöser Werte dienender Strafvorschriften unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung besteht (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 17. September 2003, Zl. 99/20/0126, mwN). In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die völlige Unverhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen, die wegen eines Verstoßes gegen bestimmte im Herkunftsstaat gesetzlich verbindliche Moralvorstellungen drohen, darauf hindeuten kann, dass diese Maßnahmen an eine dem Zuwiderhandeln gegen das Gebot vermeintlich zu Grunde liegende, dem Betroffenen unterstellte Abweichung von der ihm von Staats wegen vorgeschriebenen Gesinnung anknüpfen. Ob dem Beschwerdeführer wegen des Ehebruches die Steinigung oder eine Strafe von hundert Peitschenhieben droht, ist hier nicht entscheidend, weil auch in der letztgenannten Bestrafung eine völlig unverhältnismäßige staatliche Reaktion auf die Abweichung von der im Iran staatstragenden islamischen Religion zum Ausdruck kommt, sodass diese durchaus als asylrelevante Verfolgung anzusehen sein kann (vgl. das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 2001/20/0361, das die Bestrafung mit Peitschenhieben wegen intimer Kontakte zu einer Christin betrifft).

Im vorliegenden Fall wird in der Beschwerde aber zutreffend auch eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung in Bezug auf die Verneinung sonstiger Verfolgungsgründe aufgezeigt. Die belangte Behörde hat festgestellt, dass Pasderan zum Haus des Beschwerdeführers, der sich damals mit seiner Sekretärin zu Hause aufgehalten habe, gekommen seien und eine Hausdurchsuchung vorgenommen hätten. Es wurde aber nicht festgestellt, dass den Pasderan bereits vor diesem Einschreiten gegen den Beschwerdeführer der mit der Sekretärin begangene Ehebruch bekannt gewesen wäre. Die belangte Behörde hat daher nicht in schlüssiger Weise begründet, dass diese Maßnahmen der Pasderan ihren Grund nicht schon in dem oben erwähnten Verhalten des Beschwerdeführers als Werkstättenleiter (Untersagung der Teilnahme an religiösen Veranstaltungen und allfällige weitere Konflikte mit den Pasderan in diesem Zusammenhang, die deswegen "einen Akt über ihn angelegt" hätten) gehabt haben können.

Da die belangte Behörde nach dem Gesagten unzutreffend davon ausgegangen ist, dass die dem Beschwerdeführer wegen des Ehebruches im Iran drohenden Sanktionen kein "asylrelevanter Sachverhalt" seien, und der Aufhebungsgrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit jenem der Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 6. Mai 2004

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