VwGH 2001/18/0053

VwGH2001/18/005318.1.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des L, geboren 1964, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Dezember 2000, Zl. SD 672/00, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §64 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §48 Abs1 zweiter Satz;
MeldeG 1991 §1 Abs7 idF 1994/505;
MeldeG 1991 §1 Z7;
MeldeG 1991 §22 Abs1 Z1;
MeldeG 1991 §3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1;
AVG §64 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §38 Abs1 Z3;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §48 Abs1 zweiter Satz;
MeldeG 1991 §1 Abs7 idF 1994/505;
MeldeG 1991 §1 Z7;
MeldeG 1991 §22 Abs1 Z1;
MeldeG 1991 §3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. Juli 1996 waren das von der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) mit Bescheid vom 22. Mai 1996 gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot und der unter einem gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer (allfälligen) Berufung im Grund des § 66 Abs. 4 AVG bestätigt worden.

2. Mit dem vorliegend angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Dezember 2000 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 29. Mai 2000 auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 iVm § 114 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die gegen den obgenannten Aufenthaltsverbotsbescheid vom 12. Juli 1996 erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 2000, Zl. 96/18/0502, als unbegründet abgewiesen worden sei. Das rechtskräftige Aufenthaltsverbot habe sich im Wesentlichen auf drei einschlägige - und nicht bereits getilgte - Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen Suchtgiftvergehen bzw. Suchtgiftverbrechen gegründet. Gegen ihn sei bereits am 7. Juli 1989 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden - dieses Aufenthaltsverbot sei mit Bescheid der Erstbehörde vom 1. Juni 1994 aufgehoben worden -, weil er insgesamt sechsmal wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG bestraft und im August 1988 sowie im Juni 1989 gerichtlich rechtskräftig verurteilt worden sei.

Der gegenständliche Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 FrG vom 29. Mai 2000 sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass alle beteiligten Instanzen von falschen Feststellungen ausgegangen wären, weil der Beschwerdeführer nicht erst seit 1979, sondern bereits "von klein auf", jedenfalls seit seinem 4. Lebensjahr, in Österreich aufhältig wäre und hier seine gesamte Schulbildung absolviert hätte. Diesbezüglich sei ein Aufnahme- und Schulstammblatt des Beschwerdeführers vorgelegt worden, aus dem sich ergebe, dass er zunächst, nämlich am 19. September 1972, eine Volksschule in Wien besucht habe, anschließend am 6. November 1974 nach Jugoslawien übersiedelt sei, sich am 10. Jänner 1975 neuerlich an einer öffentlichen Schule in Wien angemeldet habe und am 18. April 1975 neuerlich nach Jugoslawien verzogen sei. Am 14. Dezember 1976 habe er sich wieder zum Unterricht (in Österreich) angemeldet und bis zum 29. Juni 1979 eine Fremdsprachenhauptschule in Wien besucht. Vom 3. September 1979 bis zum 2. Juli 1982 habe er als ordentlicher Schüler die Berufsschule für Gastgewerbe Wien besucht.

Weiters sei hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse vorgebracht worden, dass er seit 9. März 2000 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet wäre, mit dieser ein gemeinsames Kind hätte, sein Bruder und seine Mutter österreichische Staatsbürger wären und er außerdem für weitere zwei Kinder unterhaltspflichtig wäre. Im Berufungsverfahren sei von ihm eine vom Zentralmeldeamt ausgestellte Meldebestätigung vorgelegt worden, aus der sich ergebe, dass er erstmals am 6. Februar 1973 im Bundesgebiet gemeldet, aber in der Zeit von 29. November 1975 bis 12. Dezember 1976 wie auch im Zeitraum vom 28. Jänner 1989 bis 3. April 1989 nicht in Österreich gemeldet gewesen sei. Auch von 29. April 1993 bis 22. Juli 1993 und von 29. Jänner 1994 bis 23. August 1999 scheine keine Meldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auf.

Im Berufungsverfahren sei weiters vorgebracht worden, dass § 48 FrG der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer entgegenstünde, zumal er zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes mit einer österreichischen Staatsbürgerin seit mehr als fünf Jahren verheiratet gewesen wäre und seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet gehabt hätte. Aus diesem Grund wäre das Aufenthaltsverbot gemäß § 114 Abs. 2 (offensichtlich gemeint: Abs. 3) FrG zwingend aufzuheben gewesen.

Nach Darstellung der Rechtslage im Licht der §§ 44 und 114 Abs. 3 FrG führte die belangte Behörde weiter aus, dass das vorliegende Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des FrG hätte erlassen werden können. Auf Grund des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers, nämlich der - unbestritten gebliebenen - einschlägigen, zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht getilgten rechtskräftigen Verurteilungen könne kein Zweifel bestehen, dass das der Behörde (nunmehr) zukommende Ermessen selbst bei Berücksichtigung seines seit September 1972 bestehenden - wenn auch unterbrochenen - Aufenthaltes im Bundesgebiet zu seinen Ungunsten hätte ausfallen müssen, zumal dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zukomme und keine besonderen, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände gegeben gewesen seien.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kämen nicht die aufenthaltsverfestigenden Bestimmungen des FrG zum Tragen, weil der Beschwerdeführer, der zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 47 Abs. 3 Z. 1 leg. cit. anzusehen gewesen sei, seinen Hauptwohnsitz nicht - wie in § 48 Abs. 1 leg. cit. gefordert - seit zehn Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet gehabt habe. Wie sich aus den Feststellungen ergebe, sei der Aufenthalt und Hauptwohnsitz insgesamt fünfmal zumindest für drei Monate unterbrochen gewesen, wobei der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes über keinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet verfügt habe. Wenngleich er offenbar seit September 1972 in Österreich mit Unterbrechungen aufhältig gewesen, aber erst seit dem Jahr 1979 erstmals als niedergelassen anzusehen sei, komme für ihn auch nicht die Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. iVm § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 zum Tragen. So sei mit der rechtskräftigen Erlassung des Aufenthaltsverbotes vom 7. Juli 1989 gegen den Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 1 lit. a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 der Lauf der Wohnsitzfrist nach § 10 Abs. 1 Z. 1 dieses Gesetzes unterbrochen worden, was einen Wegfall von allenfalls bereits erworbenen Voraussetzungen für die Erteilung der Staatsbürgerschaft an ihn im Grund des § 10 Abs. 1 dieses Gesetzes bewirkt habe.

Der Beschwerdeführer habe weiters nicht darzulegen vermocht, dass sich die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Umstände zu seinen Gunsten geändert hätten:

Nach der Aktenlage sei er seit 9. März 2000 (neuerlich) mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, mit der er ein gemeinsames Kind habe. Das diesbezügliche Berufungsvorbringen sei nicht geeignet, eine solche relevante Änderung darzulegen, weil durch die Eheschließung und das gemeinsame Kind keine wesentliche Stärkung seiner persönlichen Interessen im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG eingetreten sei, zumal er zum Zeitpunkt der Eheschließung bzw. der Geburt seines Kindes nicht mit einer baldigen Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes habe rechnen dürfen und die Eheschließung nach dem VwGH-Erkenntnis vom 18. Jänner 2000 erfolgt sei, mit dem seiner gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erhobenen Beschwerde keine Folge gegeben worden sei. Dass er für weitere zwei Kinder sorgepflichtig sei, sei bereits im Verfahren zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes berücksichtigt worden. Überdies könne er eine allfällige Unterhaltspflicht auch vom Ausland aus wahrnehmen.

Dem Beschwerdeführer sei auf Grund eines Verkehrsunfalles im Jahr 1985 das linke Bein amputiert worden. Den vorgelegten Unterlagen zufolge habe er längere Zeit eine zu kurze Prothese benützt und daraus resultierende Gesundheitsbeeinträchtigungen, wie Schmerzen im Bereich der Rückenmuskulatur und den Gelenken, erlitten. Der Beschwerdeführer, der seinen Hausarzt am 1. September 2000, somit am Tag der Einbringung der Berufung, zum ersten Mal seit sieben Jahren in seiner Ordination aufgesucht habe, habe nachweislich physiotherapeutische Behandlung erhalten. Weiters sei im August 2000 damit begonnen worden, eine neue Prothese herzustellen bzw. seine alte Prothese instandzusetzen, wobei die Anpassungszeit mit vier bis sechs Monaten angegeben worden sei.

Was den dargestellten Gesundheitszustand des Beschwerdeführers betreffe, so sei nicht ersichtlich bzw. habe der Beschwerdeführer nicht einmal ausdrücklich behauptet, dass eine entsprechende medizinische Behandlung, insbesondere die voraussichtlich in den nächsten Monaten bereits abgeschlossene Anpassung der Prothese, nicht außerhalb von Österreich erfolgen könnte. Sollte das Nachjustieren der Länge der Prothese - was nicht einmal behauptet worden sei - nur vom Inland aus möglich sein, so hätte der Beschwerdeführer die Möglichkeit, einen Antrag auf Erteilung eines Wiedereinreisesichtvermerkes zu stellen. Außerdem werde mit dem vorliegenden Bescheid nicht darüber abgesprochen, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe oder (allenfalls) abgeschoben werde.

Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Bruder (seit 1999) und die Mutter des Beschwerdeführers (seit 1992) österreichische Staatsbürger seien und der Interessenabwägung ein Aufenthalt des Beschwerdeführers - wenngleich dieser Aufenthalt unterbrochen worden und nicht im Sinn einer Niederlassung anzusehen sei - seit September 1972 zu Grunde gelegt werde, hätten die privaten Bindungen und die weiteren vorgebrachten Umstände die Interessenlage keinesfalls zu seinen Gunsten verschieben können, zumal er durch seine rechtswidrige Einreise trotz bestehendem Aufenthaltsverbot ein neuerliches gravierendes Fehlverhalten gesetzt habe.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf zu verweisen, dass bei Suchtgiftdelikten wegen deren großer Sozialschädlichkeit selbst eine ansonsten volle soziale Integration eines Fremden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 20 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 (nunmehr § 37 Abs. 1 FrG) nicht entgegenstehe.

Weder hinsichtlich des Dringend-Geboten-Seins der verfügten Maßnahme gemäß § 37 Abs. 1 FrG noch der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei eine zum Positiven gehende Änderung eingetreten, sodass keine Rede davon sein könne, dass die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen wären.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt (u.a.) vor, dass der Beschwerdeführer vom 8. Jänner 1988 bis 25. Februar 1999 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen sei und bei Erlassung des Aufenthaltsverbotsbescheides vom 22. Mai 1996 seit mehr als zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz in Österreich gehabt habe und mehr als fünf Jahre mit dieser österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen sei. Auch verkenne die belangte Behörde, dass die polizeiliche Meldung nicht Voraussetzung für das Bestehen eines (ununterbrochenen) Hauptwohnsitzes sei. Hiebei komme es auf die Rechtmäßigkeit des inländischen Aufenthaltes nicht an. Die polizeiliche Meldung sei lediglich ein Indiz für den inländischen Aufenthalt, und die belangte Behörde hätte zusätzliche Ermittlungen durchführen müssen. Das Aufenthaltsverbot wäre bereits deshalb aufzuheben gewesen, weil die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 iVm § 114 Abs. 3 FrG erfüllt seien.

2. Nach der Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 3 FrG sind (auf der Grundlage früher geltender Bestimmungen erlassene) Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (mit 1. Jänner 1998) noch nicht abgelaufen sind, auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht hätten erlassen werden können. Aufenthaltsverbote sind somit dann aufzuheben, wenn sie bei fiktiver Geltung des FrG im Zeitpunkt ihrer Verhängung nicht hätten erlassen werden dürfen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. März 2004, Zl. 99/18/0459, mwN).

Gemäß § 48 Abs. 1 zweiter Satz FrG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, nicht zulässig; für Ehegatten von EWR-Bürgern gilt dies nur, wenn sie mehr als die Hälfte der Zeit mit einem EWR-Bürger verheiratet waren.

Für die Anwendbarkeit des Aufenthaltsverbot-Verbotes nach dieser Gesetzesbestimmung auf einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen, wie etwa den Ehegatten einer österreichischen Staatsbürgerin, kommt es nicht darauf an, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet rechtmäßig war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2003, Zl. 2000/18/0049, mwN).

3. Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen war der Beschwerdeführer erstmals am 6. Februar 1973 im Bundesgebiet gemeldet. In der Zeit von 29. November 1975 bis 12. Dezember 1976, von 28. Jänner 1989 bis 3. April 1989, von 29. April 1993 bis 22. Juli 1993 und von 29. Jänner 1994 bis 23. August 1999 schienen keine polizeilichen Meldungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auf. Weiters stellte die belangte Behörde zwar fest, dass der Beschwerdeführer seit 9. März 2000 neuerlich mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, sie traf jedoch keine Feststellungen zur Dauer der früheren Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin und zum Zeitpunkt der Beendigung dieser Ehe. In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass eine Aufenthaltsverfestigung des Beschwerdeführers im Sinn des § 48 Abs. 1 (zweiter Satz) FrG im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes (im Jahr 1996) bei fiktiver Geltung des FrG schon deshalb nicht vorgelegen sei, weil der inländische Aufenthalt und Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers, der erstmals seit dem Jahr 1979 als niedergelassen anzusehen sei, - wie sich aus den Feststellungen (gemeint: betreffend die polizeilichen Meldungen des Beschwerdeführers) ergebe - insgesamt fünfmal zumindest für drei Monate unterbrochen gewesen sei und er bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes über keinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet verfügt habe.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen (vgl. § 1 Z. 7 erster Halbsatz des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992 idF des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994), sodass für die Begründung des Hauptwohnsitzes einerseits der faktische Aufenthalt

und andererseits der Wille ("... in der erweislichen oder aus den

Umständen hervorgehenden Absicht ...") erforderlich ist, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen. Hiebei ist die polizeiliche Meldung ein wichtiges Indiz für das Bestehen eines inländischen Hauptwohnsitzes, wenn auch nicht eine notwendige Voraussetzung (vgl. nochmals das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 2000/18/0049, mwN).

Für die Aufrechterhaltung des Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet ist maßgeblich, dass der Fremde seine tatsächliche Niederlassung, sei es auch mit kurzfristigen Unterbrechungen seiner körperlichen Anwesenheit, aufrechterhält (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 2003, Zl. 2002/18/0273, mwN).

Nach den von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsannahmen wurde der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers innerhalb des - unter dem Blickwinkel des § 48 Abs. 1 zweiter Satz FrG zu beurteilenden - Zeitraumes von zehn Jahren bis zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Jahr 1996 lediglich vom 28. Jänner 1989 bis 3. April 1989, somit in der Dauer von nur wenig länger als zwei Monaten, und von 29. April 1993 bis 22. Juli 1993, somit in der Dauer von nicht ganz drei Monaten, unterbrochen sowie am 28. Jänner 1994 beendet. Sollte der Beschwerdeführer und sich, was von ihm bestritten wird, in der Zeit vom 28. Jänner 1989 bis 3. April 1989 und vom 29. April 1993 bis 22. Juli 1993 im Ausland aufgehalten haben, so wären diese beiden Auslandsaufenthalte - in Anbetracht der davor gelegenen langjährigen Dauer seines inländischen Aufenthaltes - lediglich als kurzfristige Unterbrechungen seiner körperlichen Anwesenheit im Bundesgebiet anzusehen. Allein daraus könnte jedoch ohne Vorliegen zusätzlicher Indizien hinsichtlich einer Aufgabe seines Niederlassungswillens nicht geschlossen werden, dass er seine Niederlassung im Bundesgebiet in diesen Zeiträumen aufgegeben habe.

Was die weitere Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer ab 29. Jänner 1994 nicht mehr in Österreich aufhältig gewesen sei, anlangt, so könnte zwar, sollte diese Annahme zutreffen, ab diesem Zeitpunkt von einer Niederlassung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet keine Rede mehr sein. Die von der belangten Behörde zur Begründung dafür allein herangezogene Meldebestätigung vermag jedoch aus folgenden Gründen diese Annahme nicht zu tragen:

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren (vgl. den Schriftsatz vom 9. November 2000) behauptet, dass er seit 1972 in Österreich aufhältig sei, und die Meldebestätigung der Erstbehörde vom 11. Oktober 2000 vorgelegt, deren Richtigkeit von der Erstbehörde mit Schreiben an die belangte Behörde vom 22. November 2000 bestätigt wurde. Wenn sich auch daraus die im angefochtenen Bescheid festgestellten Unterbrechungen der polizeilichen Meldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben, so sprechen gegen die daraus gezogene Schlussfolgerung, dass der Beschwerdeführer (u.a.) ab 29. Jänner 1994 nicht mehr in Österreich aufhältig gewesen sei, ein Bericht der Erstbehörde vom 26. Februar 1994 (Bl. 332 der Verwaltungsakten), dem zufolge der Beschwerdeführer ständig an einer näher bezeichneten Anschrift in Wien "greifbar" sei, eine Beschäftigungs- und Lohnbestätigung der B. Handels GmbH vom 13. Mai 1994 (Bl. 358), wonach der Beschwerdeführer bei diesem Unternehmen seit 1. Februar 1993 angestellt sei, und die schriftliche Erklärung der früheren Ehegattin des Beschwerdeführers vom 16. Mai 1994 (Bl. 356), dass sie mit dem Beschwerdeführer (in Wien) in aufrechter ehelicher Gemeinschaft lebe. In den Verwaltungsakten ist weiters ein Einlieferungsbericht der Erstbehörde vom 13. November 1995 enthalten (Bl. 392), dem zufolge der Beschwerdeführer am 12. November 1995 festgenommen wurde. Er befand sich in weiterer Folge in Wien in Haft (Bl. 393) und wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 9. Jänner 1996 zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt (Bl. 419, 458 ff). Laut einem Bericht der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich vom 25. April 1996 wurde er an diesem Tag im Rahmen einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle im Bezirk Vöcklabruck angehalten und sodann in das polizeiliche Gefangenenhaus in Wien eingeliefert (Bl. 423 ff). Mit Bescheid der Erstbehörde vom 26. April 1996 wurde über ihn die Schubhaft verhängt und dies (u.a.) damit begründet, dass er im Bundesgebiet ohne polizeiliche Meldung aufhältig sei (Bl. 430). Nach Ausweis der Verwaltungsakten wurde der Beschwerdeführer erst am 24. Mai 1996, dem Tag der Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides vom 22. Mai 1996 (Zustellung an seinen Rechtsvertreter) - darin war gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen worden - (nach Mazedonien) abgeschoben (Bl. 470, 495).

Darüber hinaus ist den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 29. Jänner 1994 bis zur Erlassung und Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes am 24. Mai 1996 das Bundesgebiet verlassen habe.

Wenn auch die Meldebestätigung der Erstbehörde vom 11. Oktober 2000 vom Beschwerdeführer zum Beweis seines ununterbrochenen inländischen Aufenthaltes bei der belangten Behörde vorgelegt wurde und eine Partei, wenn sie ihrer Nähe zur Sache wegen näher am Beweis ist, eine entsprechende Mitwirkungsverpflichtung trifft, dies insbesondere dann, wenn den amtswegigen behördlichen Ermittlungen faktische Grenzen gesetzt sind (vgl. etwa die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 39 AVG E 123 ff zitierte hg. Judikatur), so hätte die belangte Behörde in Anbetracht der vorgenannten, in den Verwaltungsakten enthaltenen Urkunden Zweifel an der Richtigkeit ihrer aus der obgenannten Meldebestätigung gezogenen Schlussfolgerung haben müssen.

4. Der angefochtene Bescheid ist daher insoweit mit einem Verfahrensmangel belastet, als die vorgelegte Meldebestätigung allein die obgenannte Sachverhaltsannahme nicht zu tragen vermag, wobei die belangte Behörde auch keine ausreichenden Feststellungen zur Dauer der früheren Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin getroffen hat. Diesem Verfahrensmangel kommt entscheidungserhebliche Bedeutung zu:

Sollten bei Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes die in § 48 Abs. 1 zweiter Satz FrG normierten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt gewesen sein, dann hätte die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot gemäß § 114 Abs. 3 FrG aufheben müssen.

In diesem Zusammenhang sei zum Beschwerdevorwurf, dass bereits in dem obzitierten Erkenntnis Zl. 96/18/0502 auf die Frage der Aufenthaltsverfestigung des Beschwerdeführers gemäß § 48 Abs. 1 zweiter Satz FrG hätte eingegangen werden müssen, bemerkt, dass nach der damaligen - in der Folge nicht aufrecht erhaltenen - Rechtsansicht des erkennenden Senates die Verwirklichung des in § 48 Abs. 1 zweiter Satz FrG normierten Tatbestandes (u.a.) voraussetzte, dass sich der ununterbrochene Hauptwohnsitz auf einen rechtmäßigen inländischen Aufenthalt des Fremden gründete, welche Voraussetzungen im Fall des Beschwerdeführers in Anbetracht des im Jahr 1989 gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes nicht erfüllt war.

5. Da die belangte Behörde somit den vorliegend angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Jänner 2005

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