VwGH 2001/17/0207

VwGH2001/17/020725.6.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, in der Beschwerdesache 1. des EB und 2. der HB, beide in J, beide vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz, Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde Jois wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i. A. eines Kanalanschlussbeitrages und einer Kanalbenützungsgebühr, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §32 Abs2;
AVG §33 Abs3;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
LAO Bgld 1963 §232 Abs1;
LAO Bgld 1963 §232 Abs2;
LAO Bgld 1963 §86 Abs2;
LAO Bgld 1963 §86 Abs4;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §32 Abs2;
AVG §33 Abs3;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
LAO Bgld 1963 §232 Abs1;
LAO Bgld 1963 §232 Abs2;
LAO Bgld 1963 §86 Abs2;
LAO Bgld 1963 §86 Abs4;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit ihrer am 11. Dezember 2001 zur Post gegebenen und am 12. Dezember 2001 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde machen die Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde in Angelegenheiten eines Kanalanschlussbeitrages bzw. einer Kanalbenützungsgebühr geltend. Sie bringen vor, die Marktgemeinde Jois habe mit einer am 20. Oktober 2000 erstellten Mahnung Abgabenforderungen in der Gesamthöhe von S 76.476,23 gegen die Zweitbeschwerdeführerin geltend gemacht. Die Beschwerdeführer hätten mit Schriftsatz vom 23. November 2000 mit näherer Begründung den Antrag gestellt, der Bürgermeister der Markgemeinde Jois möge bescheidmäßig feststellen, dass die in der Mahnung vom 20. Oktober 2000 berücksichtigten öffentlichen Abgaben teilweise, und zwar hinsichtlich des Kanalanschlussbeitrages und hinsichtlich der Kanalbenützungsgebühr für die Zeit bis einschließlich das ganze Kalenderjahr 1996, verjährt seien und der Abgabenanspruch der Marktgemeinde Jois insoweit durch Verjährung erloschen und untergegangen sei.

Die erstinstanzliche Abgabenbehörde habe in Verletzung der Bestimmung des § 232 der Burgenländischen Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 2/1963 (im Folgenden: Bgld LAO), über diesen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden.

Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2001, welcher an die belangte Behörde gerichtet worden sei, hätten die Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht an die Abgabenbehörde zweiter Instanz begehrt. Dieser Schriftsatz sei am 7. Juni 2001 zur Post gegeben worden. Beim Gemeinderat der Marktgemeinde Jois sei er noch am 8. Juni 2001 eingelangt. Seither sei die belangte Behörde untätig gewesen.

Mit Verfügung vom 10. Jänner 2002 trug der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift desselben vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.

Die belangte Behörde äußerte sich hiezu mit Schreiben vom 3. April 2002 dahingehend, dass der Devolutionsantrag der Beschwerdeführer bei ihr nachweislich (erst) am 11. Juni 2001 eingelangt sei. Eine Kopie dieses Devolutionsantrages, welcher einen Eingangsvermerk der Marktgemeinde Jois mit Datum vom 11. Juni 2001 trägt, wurde vorgelegt.

Weiters brachte die belangte Behörde vor, sie habe den Antrag der Beschwerdeführer vom 23. November 2000 mit Bescheid vom 6. Dezember 2001 erledigt. Dieser sei am 10. Dezember 2001 zur Post gegeben worden. Die Zustellung an die Beschwerdeführer sei am 12. Dezember 2001 erfolgt.

Mit Verfügung vom 11. April 2002 wurde den Beschwerdeführern Gelegenheit gegeben, sich zu diesem Vorbringen zu äußern. Die Beschwerdeführer brachten zum einen vor, die Säumnisbeschwerde sei am 11. Dezember 2001 zur Post gegeben worden. Nach dem üblichen Gang der Dinge sei davon auszugehen, dass sie am 12. Dezember 2001 noch vor 10.00 Uhr beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt sein dürfte. Zum anderen sei die Übernahme des Bescheides der belangten Behörde vom 6. Dezember 2001 am 12. Dezember 2001 durch eine Postbevollmächtigte des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer erst nach 10.00 Uhr vormittags erfolgt, weil diese erst nach diesem Zeitpunkt das Postamt Neusiedl am See zum Zwecke der Übernahme der Post aufsuche.

Jedenfalls habe die belangte Behörde die Entscheidungspflicht verletzt, weil sie den Bescheid bis 11. Dezember 2001 zu erlassen gehabt hätte.

In einer eidesstättigen Erklärung gab die Kanzleiangestellte des Beschwerdevertreters an, sie habe um 8.00 Uhr Dienstbeginn und entfalte üblicherweise zunächst eine andere Tätigkeit in der Kanzlei. Es sei daher anzunehmen, dass die Übernahme des Bescheides der belangten Behörde vom 6. Dezember 2001 am 12. Dezember 2001 nach 10.00 Uhr vormittags erfolgt sei.

Seitens des Leiters der Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtshofes wurde am 7. Mai 2002 angegeben, dass aus dem Einlaufstempel selbst lediglich ersichtlich sei, dass die Säumnisbeschwerde am 12. Dezember 2001 vor 15.00 Uhr eingelangt sei. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass diese Eingabe per Post eingelangt sei und nicht von eine Behörde stamme, sei jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sie sich bei jener Post befunden habe, die von Beamten der Einlaufstelle gegen

7.30 Uhr beim Postamt abgeholt werde und jedenfalls noch vor 10.00 Uhr beim Verwaltungsgerichtshof einlange. Post, die nicht von Behörden stamme, lange beim Verwaltungsgerichtshof nämlich nur einmal, und zwar im Wege der oben geschilderten Abholung vom Postamt ein.

§ 86 Abs. 2 und 4 sowie § 232 Abs. 1 und 2 Bgld LAO lauten:

"§ 86. ...

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht. ...

...

(4) Die Tage des Postenlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.

...

§ 232. (1) Die Abgabenbehörden sind verpflichtet, über die in Abgabenvorschriften vorgesehenen Anbringen (§ 62) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

(2) Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz mit Ausnahme solcher Bescheide, die auf Grund von Abgabenerklärungen zu erlassen sind (§§ 150 bis 155), der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen zugestellt, so geht auf schriftliches Verlangen der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz einzubringen; ..."

Dem § 86 Abs. 2 und 4 Bgld LAO entsprechende Bestimmungen enthalten § 32 Abs. 2 und § 33 Abs. 3 AVG.

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG setzt die Zulässigkeit der vorliegenden Säumnisbeschwerde voraus, dass die belangte Behörde als die oberste Behörde, welche im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen wurde, nicht binnen sechs Monaten in dieser Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Auf Grund der von der belangten Behörde vorgelegten Einlaufstampiglie geht der Verwaltungsgerichtshof im Folgenden von der Richtigkeit der - im folgenden Verfahren von den Beschwerdeführern auch nicht bestrittenen - Behauptung der belangten Behörde aus, der Devolutionsantrag der Beschwerdeführer vom 6. Juni 2001 sei am 11. Juni 2001 bei der belangten Behörde eingelangt.

Der Übergang der Zuständigkeit auf die belangte Behörde ist erst mit diesem Datum (nicht etwa mit dem vorangegangenen Datum der Postaufgabe des Devolutionsantrages) eingetreten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1997, Zl. 95/17/0220). Aus dem Grunde des § 27 Abs. 1 letzter Satz VwGG ist dieser Tag der Beginn der sechsmonatigen Entscheidungsfrist des § 27 Abs. 1 VwGG.

Der letzte Tag dieser Frist war daher der 11. Dezember 2001. Die Frist lief somit um 24.00 Uhr des 11. Dezember 2001 ab.

Daraus aber folgt, dass die gegenständliche Beschwerde vor Ablauf der in § 27 VwGG genannten Frist von sechs Monaten erhoben worden ist. Für die Frage einer allfälligen Verfrühung einer Säumnisbeschwerde ist nämlich der Tag der Postaufgabe maßgeblich (vgl. hiezu etwa die hg. Beschlüsse vom 20. Mai 1992, Zl. 92/01/0492, und vom 13. März 1998, Zl. 98/19/0036). Eine am letzten Tag der (Warte‑)Frist des § 27 VwGG zur Post gegebene Beschwerde wird noch vor Ablauf dieser Frist erhoben (vgl. die hg. Beschlüsse vom 17. Oktober 1973, Rechtssatz veröffentlicht in Slg. Nr. 8484/A, vom 24. September 1982, Zl. 82/04/0135, und vom 27. Juni 1984, Zl. 84/03/0160). Nur die nach Ablauf der Frist des § 27 VwGG zur Post gegebenen Säumnisbeschwerden gelten in Ermangelung weiterer Fristregelungen erst mit ihrem Einlangen beim Verwaltungsgerichtshof als erhoben (vgl. in diesem Zusammenhang den hg. Beschluss vom 14. August 1991, Zl. 91/17/0039).

Für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist der Zeitpunkt ihrer Erhebung maßgeblich. Deshalb war die vorliegende Säumnisbeschwerde - ungeachtet des Umstandes, dass nach ihrer am 11. Dezember 2001 erfolgten Erhebung, nämlich um 0.00 Uhr des 12. Dezember 2001, tatsächlich Säumnis eingetreten ist - als verfrüht gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 25. Juni 2002

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