VwGH 2001/17/0031

VwGH2001/17/003125.6.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der M Gesellschaft m.b.H in Liqu. in Wien, vertreten durch Dr. Robert Schneider, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat V der Region Innsbruck) vom 2. August 2000, Zl. ZRV 23/1 - I5/99, betreffend Vorschreibung von Mineralölsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §177;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
BAO §177;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Finanzen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 30. August 1996 setzte das Hauptzollamt Wien für die am 26. Juli 1996 erfolgte Lieferung von 62.731 l (= 62.650 kg Eigengewicht) Gasöl gemäß § 201 BAO die Mineralölsteuer mit S 204.808,-- und einen Säumniszuschlag von S 4.096,-- fest. Dies mit der Begründung, die Beschwerdeführerin habe ohne Bewilligung, die sie zum Bezug von Mineralöl unter Steueraussetzung im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren aus einem Steuerlager in einem anderen Mitgliedstaat berechtigt hätte (berechtigter Empfänger), Gasöl aus Deutschland bezogen. Demnach sei die Steuerschuld nach § 41 Mineralölsteuergesetz 1995 (MinStG), BGBl. Nr. 630/1994, entstanden. Auf Grund des Untersuchungsergebnisses der technischen Untersuchungsanstalt (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, GA 22; im Folgenden: TUA) sei das Gasöl nicht "ordnungsgemäß" gekennzeichnet gewesen, sodass bei der Mineralölsteuerbemessung der höhere Steuersatz nach § 1 Abs. 1 Z 4 MinStG heranzuziehen gewesen sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin, ihr sei das Untersuchungsergebnis der TUA nicht zur Kenntnis gebracht worden und der Bescheid des Hauptzollamtes Wien habe keine nachvollziehbare Begründung. Es seien keine Feststellungen darüber getroffen worden, dass das Gasöl die in der Gasöl-Kennzeichnungsverordnung, BGBl. Nr. 5 /1995, genannten Kennzeichnungsstoffe nicht enthalten habe.

Mit der Berufungsvorentscheidung vom 17. November 1998 wies das Hauptzollamt Wien die Berufung als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, die Untersuchung der TUA habe ergeben, dass der Kennzeichnungsstoff Chinizarin in dem zum Verheizen bestimmten Gasöl nur mit 72 % vom Sollwert enthalten sei. Das Gasöl habe somit nicht die nach der Gasöl-Kennzeichnungsverordnung erforderliche Mindestmenge an Chinizarin enthalten. Demnach sei mit Recht der höhere Steuersatz herangezogen worden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen (Administrativ-)Beschwerde an den Berufungssenat brachte die Beschwerdeführerin vor, die Behörde habe ihr das Untersuchungsergebnis der TUA nie zur Kenntnis gebracht und damit den fundamentalen Grundsatz des Parteiengehörs verletzt. Auch mit der Berufungsvorentscheidung sei dieser Mangel nicht behoben worden.

In einer ergänzenden Stellungnahme legte die Beschwerdeführerin einen Prüfbericht eines Sachverständigen vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Zur Heranziehung des höheren Steuersatzes wurde in der Begründung dieses Bescheides ausgeführt, der Verfahrensmangel der Verletzung des Parteiengehörs sei durch die Bekanntgabe des Untersuchungsergebnisses in der Berufungsvorentscheidung und die Aufforderung zur Stellungnahme beseitigt worden. Der Gasöl-Kennzeichnungsverordnung sei nicht entsprochen worden. Dies lasse sich "unumstritten" aus dem aktenkundigen Ergebnis der TUA eruieren, weil die in der Gasöl-Kennzeichnungsverordnung geforderte Menge Chinizarin im untersuchten Gasöl nicht enthalten sei. In einem ähnlich gelagerten Fall habe das Untersuchungsergebnis der TUA erbracht, dass anders als beim Kennzeichnungsstoff Furfural der Kennzeichnungsstoff Chinizarin in zeitlicher Hinsicht sehr stabil sei. Diese Tatsache widerlege die Behauptung der Beschwerdeführerin, Chinizarin sei kein stabiler Zusatzstoff. Das der Stellungnahme der Beschwerdeführerin beigefügte Schreiben samt zweier Prüfberichte des Institutes für Mineralölprodukte und Umweltanalytik weise überhaupt keinen Bezug zu den Mineralölproben aus der gegenständlichen Mineralöllieferung auf.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 27. November 2000, B 1607/00-3, ab und trat die Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 24. Jänner 2001, B 1607/00-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nichtfestsetzung überhöhter Steuern und Vorschreibung des begünstigten Steuersatzes sowie auf ein faires gesetzeskonformes Verfahren, ferner in dem gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Recht auf Warenverkehrsfreiheit verletzt. Es wird sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof durch die Nichtheranziehung des begünstigten Steuersatzes bei der Vorschreibung der Mineralölsteuer beschwert und vertritt die Auffassung, es wäre der Steuersatz des § 3 Abs. 1 Z 5 MinStG 1955 idF BGBl. Nr. 297/1995 von S 950/1000 l für gekennzeichnetes Gasöl und nicht der Steuersatz des § 3 Abs. 1 Z 4 MinStG 1995 von S 3.890/1000 l für Gasöl anzuwenden gewesen.

Gasöl der Unterposition 2710 00 69 der Kombinierten Nomenklatur, das zu dem im § 3 Abs. 1 Z 5 angeführten Steuersatz abgegeben werden soll, ist gemäß § 9 Abs. 1 MinStG 1995 besonders zu kennzeichnen (gekennzeichnetes Gasöl). Im Steuergebiet darf die Kennzeichnung nur in einem Steuerlager erfolgen, das über eine Bewilligung nach Abs. 3 verfügt, andernfalls gilt das Gasöl nicht als gekennzeichnet.

Zur besonderen Kennzeichnung ist gemäß § 9 Abs. 2 MinStG 1995 das Gasöl zu färben und mit einem Zusatz zu versehen, der auch in starken Verdünnungen nachweisbar ist. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung die Art der Kennzeichnungsstoffe und die Mengen, welche in dem zum Verheizen bestimmten Gasöl enthalten sein müssen, zu bestimmen.

In das Steuergebiet eingebrachtes Gasöl gilt gemäß § 9 Abs. 4 MinStG 1995 vorbehaltlich gegenteiliger Feststellungen als gekennzeichnet, wenn eine Bescheinigung der für den Lieferer zuständigen Verbrauchsteuerverwaltung des Herstellers oder des ausländischen Kennzeichners darüber vorgelegt wird, dass das Gasöl außerhalb des Steuergebiets gekennzeichnet worden ist und nach Art und Menge mindestens die in der nach Abs. 2 erlassenen Verordnung genannten Kennzeichnungsstoffe enthält.

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Kennzeichnung von zum Verheizen bestimmtem Gasöl, BGBl. Nr. 5/1995, lautet:

"§ 1. Dem zum Verheizen bestimmten Gasöl, das besonders zu kennzeichnen ist, sind folgende Kennzeichnungsstoffe, jeweils gleichmäßig verteilt, beizumengen:

1. Ein benzinlöslicher roter Farbstoff in einer

solchen Menge, dass ein Gemisch aus einem Teil gefärbtem und zehn

Teilen ungefärbtem Gasöl eine noch mit freiem Auge erkennbare rote

oder rötliche Färbung aufweist.

2. 8,4 Gramm Furfural (2-Furancarbaldehyd) und

4,2 Gramm Chinizarin (1,4-Dihydroxy-anthrachinon) auf 1000 Liter Gasöl bei 15 Grad C. Abweichungen der angeführten Mengen von nicht mehr als +-5% sind zulässig. Der Gehalt an Furfural wird nach der ÖNORM EN 214 bestimmt.

§ 2. Diese Verordnung tritt gleichzeitig mit dem Mineralölsteuergesetz 1995 in Kraft."

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf die gutachtliche Äußerung der TUA.

Bei dieser gutachtlichen Äußerung handelt es sich um keinen Sachverständigenbeweis, weil die TUA bzw. ihre Bediensteten als Sachverständige nicht öffentlich bestellt sind. Die gutachtliche Äußerung des nicht öffentlich bestellten Amtssachverständigen ist vielmehr unmittelbar der Behörde zuzurechnen, von ihr zu vertreten und zu verantworten, als wäre sie es, der die fachliche Kompetenz zu Eigen ist und die die entsprechenden fachkundigen Feststellungen und Folgerungen zu treffen vermag (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1860).

Die Beschwerdeführerin rügte, es sei keine Auskunft darüber gegeben worden, nach welchen Verfahren der Chinizarinwert im Gasöl ermittelt worden sei und ob die Ergebnisse kontrolliert worden seien. Es gebe ihrer Ansicht nach keine zuverlässige Methode zur Feststellung dieses Wertes.

Die in den vorgelegten Verwaltungsakten befindliche gutachtliche Äußerung der TUA erschöpft sich in der nicht weiter begründeten Feststellung, "das zum Verheizen bestimmte Gasöl enthält den Kennzeichnungsstoff Chinizarin ... in zu geringer Menge (72 % vom Sollwert) und ist somit als nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet anzusehen". Diese gutachtliche Äußerung enthält keine Angaben über die Erhebung von Tatsachen, sondern nur die Feststellung des Ergebnisses der Untersuchung.

Die Begründung eines Bescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für die Partei als auch für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbar ist. Ein Begründungsmangel führt zur Bescheidaufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (Ritz, BAO-Kommentar2, Rz 15 zu § 93).

Ein Verweis auf die gutachtliche Äußerung der TUA in der Begründung einer Berufungsentscheidung ist zulässig, wenn diese Äußerung den Anforderungen an die Begründung eines Bescheides vollinhaltlich genügt und dort auch alle im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente nachvollziehbar in zusammengefasster Darstellung widerlegt werden (vgl. Ritz, aaO, Rz 15 zu § 93).

Die gutachtliche Äußerung der TUA erschöpft sich im Beschwerdefall jedoch bloß in einer Feststellung ohne Begründung. Ein solcher Verweis in der Begründung des Bescheides auf die Feststellung der TUA ist daher nicht geeignet, die Entscheidung des angefochtenen Bescheides nachvollziehbar zu begründen. Darüber hinaus enthält der Bescheid keine Begründung für die von der TUA getroffenen Feststellung.

Somit ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid mit einem Begründungsmangel behaftet, der den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Soweit die Beschwerdeführerin die Ansicht vertritt, die Nichtanerkennung von Gasöl betreffenden Kennzeichnungsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft behindere den freien Warenverkehr und die Gasöl-Kennzeichnungsverordnung verstoße gegen Artikel 30 EG, übersieht sie zunächst, dass der Streit im verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht um die Nichtanerkennung von Kennzeichnungen nach den Kennzeichnungsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates anlässlich der Verbringung von Gasöl in das österreichische Steuergebiet ging. Weiters ist darauf hinzuweisen, dass mit der mit 26. Dezember 1995 in Kraft getretenen Richtlinie 95/60/EG des Rates vom 27. November 1995 über die steuerliche Kennzeichnung von Gasöl und Kerosin eine gemeinschaftsrechtliche Harmonisierung der Bestimmungen über die Kennzeichnung von Gasöl vorgenommen wurde. Erst mit der im Beschwerdefall im Hinblick auf den Zeitpunkt des Ergehens dieser Entscheidung nicht relevanten Entscheidung der Kommission vom 13. Juli 2001, 2001/574/EG, zur Bestimmung eines gemeinsamen Stoffs zur steuerlichen Kennzeichnung von Gasölen und Kerosin wurde Solvent Yellow 124 als gemeinsamer Kennzeichnungsstoff im Sinne der Richtlinie 95/60/EG des Rates vom 27. November 1995 bestimmt. Bis dahin konnte die steuerliche Kennzeichnung ohne Verstoß gegen Artikel 30 EG im Rahmen dieser Richtlinie nach den einzelstaatlichen Vorschriften vorgenommen werden. Dass die belangte Behörde eine nicht richtlinienkonforme Kennzeichnung verlangt hätte, wird ihr von der Beschwerdeführerin nicht konkret vorgeworfen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass sich die belangte Behörde im Hinblick auf die seit langem bestehende österreichische Regelung auch insofern auf eine zulässige mitgliedstaatliche Regelung gestützt hat, als sich die Beschwerdeführerin auf diese einstellen konnte und keineswegs ein durch unvorhersehbare, kurzfristige Änderungen der mitgliedstaatlichen Regelung bewirktes Handelshemmnis vorlag. Der vorgebrachte Einwand der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist daher unbegründet und die angeregte Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH auf Grund der klaren Rechtslage nicht erforderlich.

Soweit Gesetzwidrigkeit der Gasöl-Kennzeichnungsverordnung geltend gemacht wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nur die schon in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vorgebrachten Argumente wiederholt. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der an ihn erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 27. November 2000, B 1607/00-3, ab.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen der Gasöl-Kennzeichnungsverordnung sind aus Anlass des Beschwerdefalls beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden.

Der angefochtene Bescheid war daher aus den dargestellten Erwägungen auf Grund des Begründungsmangels des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte nach § 39 Abs. 1 Z 3 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Der Ersatz für den Stempelgebührenaufwand war für die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, in Höhe von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 25. Juni 2002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte