VwGH 2001/16/0307

VwGH2001/16/030717.10.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. Helmut Fetz und Dr. Birgit Fetz, Rechtsanwälte in Leoben, Dorfstraße 16, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 30. Juli 2001, GZ 7-483-192/01-3, betreffend Getränkeabgabe für den Zeitraum 1. August 1994 bis 31. März 1996 (mitbeteiligte Partei: Stadt Leoben), zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §198 Abs2;
BAO §93 Abs2;
EURallg;
LAO Stmk 1963 §150;
LAO Stmk 1963 §70 Abs2;
VwRallg;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3;
61997CJ0437 Evangelischer Krankenhausverein Wien VORAB;
BAO §198 Abs2;
BAO §93 Abs2;
EURallg;
LAO Stmk 1963 §150;
LAO Stmk 1963 §70 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadt Leoben vom 28. September 1998 wurde dem Beschwerdeführer sowie Kurt H. als Gesellschafter der "Broadway GnbR" unter Hinweis auf eine abgabenbehördliche Prüfung für die Zeit vom 1. August 1994 bis 31. März 1996 Getränkeabgabe (in einer Summe) mit S 95.671,-- festgesetzt.

In einer am 12. Oktober 1998 eingebrachten Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer vor, die Gesellschaft sei am 15. Jänner 1996 mit Wirksamkeit vom 31. März 1996 aufgelöst worden.

Nach Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vom 16. Oktober 2000 stellte der Beschwerdeführer am 8. November 2000 einen Vorlageantrag.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadt Leoben vom 13. Februar 2001 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde im Wesentlichen auf den Umstand verwiesen, dass die vorgeschriebenen Abgaben auf Zeiträume vor der Auflösung der Gesellschaft entfallen seien.

In der gegen den Bescheid der Abgabenbehörde zweiter Instanz erhobenen Vorstellung vom 1. März 2001 berief sich der Beschwerdeführer erstmals auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000, C-437/97 , wonach die österreichische Getränkesteuer auf alkoholische Getränke der Verbrauchsteuerrichtlinie entgegenstehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sich in seiner Eingabe vom 9. Oktober 1998 nicht auf die "EU-Widrigkeit" der vorgeschriebenen Abgabe berufen. Mit einem zur Wahrung ihrer Rechte unternommenen Schritt hätte die Partei auf eine "EU-Widrigkeit" Bezug nehmen müssen. Die Berufung des Beschwerdeführer sei daher kein Rechtsbehelf im Sinne des obgenannten EuGH-Urteils.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtfestsetzung der Getränkesteuer für alkoholische Getränke verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte

Teile der Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Spruchteil 3. des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 9. März 2000, Rechtssache C-437/97 , Slg. 2000,

I-1157, lautet:

3. Niemand kann sich auf Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 berufen, um Ansprüche betreffend Abgaben wie die Steuer auf alkoholische Getränke, die vor Erlass dieses Urteils entrichtet oder fällig geworden sind, geltend zu machen, es sei denn, er hätte vor diesem Zeitpunkt Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt.

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der in diesem Urteil des EuGH enthaltene Begriff des Rechtsbehelfs möglichst weit zu verstehen. Es ist genügt demnach, dass die Parteien rechtzeitig Schritte zur Wahrung ihrer Rechte unternommen haben (vgl z.B. das hg Erkenntnis vom 19. Juni 2000, Zl 2000/16/0296). Dass im Rechtsbehelf gegen die Abgabenvorschreibung ausdrücklich deren Gemeinschaftsrechtswidrigkeit releviert worden sein müsste, ist dem EuGH-Urteil entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht zu entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung auch nicht auf den konkreten Inhalt der Anfechtungsgründe im jeweiligen Rechtsbehelf abgestellt. Es kann dabei nicht danach differenziert werden, ob von der Partei jeweils ein Verstoß gegen Artikel 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage oder gegen Artikel 3 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren oder aber gegen inländische Rechtsvorschriften aller Art geltend gemacht worden ist. Vielmehr reicht es für die Anwendung des EuGH-Urteils vom 9. März 2000 auf den jeweiligen Abgabenfall aus, dass gegen den Abgabenanspruch als solchen ein entsprechender Rechtsbehelf mit welcher Begründung auch immer eingelegt worden ist (hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2000, Zl. 2000/16/0199).

Werden wie im Beschwerdefall Abgabenbescheide im Wege von Sammelbescheiden erlassen, sind die essenziellen Spruchbestandteile - insbesondere Art und Höhe der Abgaben und Bemessungsgrundlagen - für sich gesondert anzuführen, da jede der kombiniert vorgenommenen Festsetzungen für sich gesondert anfechtbar ist (vgl zB das hg Erkenntnis vom 9. August 2001, Zl. 2001/16/0243). Obgleich der angefochtene Bescheid auch Zeiträume vor dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften betrifft, erweist er sich mangels entsprechender Aufgliederung des Spruchs der Bescheide der Abgabenbehörde im gesamten Umfang als rechtswidrig, zumal in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten weder die Getränkesteuererklärungen noch der Prüfungsbericht - auf den sich der erstinstanzliche Abgabenbescheid ausdrücklich bezogen hat - enthalten waren.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Oktober 2001

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