VwGH 2001/16/0093

VwGH2001/16/009328.6.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Anträge 1. der M GesmbH in W, 2. der L GmbH in W, 3. der L BetriebsgesmbH in W sowie 4. der P GesmbH in W, alle vertreten durch Dorda Brugger & Jordis Rechtsanwälte Gmbh in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 12, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung in den hg. Beschwerdeverfahren 2000/16/0705 bis 2000/16/0708, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Die antragstellenden Parteien sind der am 22. November 2000 an sie ergangenen Aufforderung, die Mängel der oben genannten Beschwerde zu beheben, nicht (vollständig) nachgekommen. Es wurde ihnen aufgetragen, den ergänzenden Schriftsatz in zweifacher Ausfertigung (Fettdruck auch in der Verfügung vom 22. November 2000) vorzulegen. Fristgerecht wurde nur ein vollständiger Ergänzungsschriftsatz vorgelegt; eine zweite (und eine nicht abverlangte dritte) Ausfertigung verwendete zwar ein Deckblatt mit der richtigen GZ und dem richtigen Namen der Erstbeschwerdeführerin, angeschlossen wurde aber ein im Beschwerdeverfahren 2000/16/0745, 0746 eingebrachter Ergänzungsschriftsatz, der andere Parteien, andere Zustelldaten und einen anderen Sachverhalt enthielt. Die Verfahren wurden daher gemäß § 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt.

Dagegen richtet sich der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag, mit dem gleichzeitig eine vollständige Beschwerdeergänzung (in dreifacher Ausfertigung) verbunden wurde. Außerdem wurde eine Krankenstandsbestätigung der Kanzleikraft S. S. vorgelegt.

Im Wiedereinsetzungsantrag wird behauptet, der intern zur Bearbeitung zuständige Rechtsanwalt Dr. St. G. habe seiner Sekretärin S. S. die ausdrückliche Weisung erteilt, ihm sämtliche Ausfertigungen eines in einem Verfahren einzubringenden Schriftsatzes samt Beilagen, im gegenständlichen Fall sohin drei Ausfertigungen samt Beilagen, nach Erstellung der Reinschrift vollständig vorzulegen. Dr. St. G. kontrolliere alle vorzulegenden Schriftsätze und unterschreibe diese. Im gegenständlichen Fall sei S. S. am 6. Dezember krank gewesen und durch N. P., die Sekretärin eines anderen in der Kanzleigemeinschaft tätigen Rechtsanwaltes, der nicht mit Getränkesteuerangelegenheiten befasst sei, vertreten worden. Bei jenem Dr. W. Sch. sei aber eine andere Vorgangsweise üblich: Der Rechtsanwalt erhalte von seiner Sekretärin eine vollständige Ausfertigung des Schriftsatzes sowie die Deckblätter der weiteren vorzulegenden Ausfertigungen, kontrolliere sodann den vollständigen Schriftsatz und unterschreibe diesen sowie die weiteren Deckblätter. Danach schließe die Sekretärin die Seiten 2 ff der weiteren Ausfertigungen an die unterschriebenen Deckblätter an und stecke die vollständigen Schriftsätze zur Abfertigung in die Kuverts. Im vorliegenden Fall habe daher die Sekretärin des Dr. W. Sch., N. P., dem Rechtsanwalt Dr. St. G einen vollständigen Schriftsatz sowie zwei weitere Deckblätter zur Unterschrift vorgelegt und habe Dr. G. den vollständig vorgelegten Schriftsatz kontrolliert und diesen und die beiden weiteren Deckblätter unterfertigt. Er habe sämtliche Ausfertigungen sodann der Sekretärin N. P. übergeben und darauf hingewiesen, dass an die beiden unterschriebenen Deckblätter noch der entsprechende Schriftsatz angeschlossen werden müsse.

Auf Grund der Tatsache, dass am selben Tag ein anderer Ergänzungsschriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof abzufertigen war, nämlich jener im Beschwerdeverfahren 2000/16/0745, 0746 und auf Grund der Tatsache, dass die Sekretärin N. P. auf Grund der Vertretungstätigkeit für die erkrankte Sekretärin S. S. unter einer außergewöhnlichen Arbeitsbelastung gestanden sei und auch nicht mit derartigen Schriftsätzen vertraut sei, zumal im Zuständigkeitsbereich ihres Rechtsanwaltes Verwaltungsgerichtshofbeschwerden nicht üblich seien, habe die Sekretärin N. P. an die unterschriebenen Deckblätter irrtümlicherweise den Schriftsatz zu 2000/16/0745, 0746 angeschlossen und diese Schriftsätze kuvertiert. An den Verwaltungsgerichtshof seien sohin eine vollständige und richtige sowie zwei vollständige, aber ab den Seiten 2 ff unrichtige Ausfertigungen gesendet worden. Dies habe ein Mitarbeiter anlässlich der Akteneinsicht beim Verwaltungsgerichtshof am 24. Jänner 2001 bestätigt.

Zur Überwachungspflicht des Rechtsanwaltes Dr. St. G. führten die Antragsteller aus, der Rechtsanwalt habe, obwohl die Sekretärin N. P. üblicherweise nur Deckblätter der weiteren Ausfertigungen vorlege, diese ausdrücklich daran erinnert, die unterschriebenen Deckblätter mit dem dazugehörigen Schriftsatz zu ergänzen. Damit sei er seiner ihm zumutbaren und gebotenen Überwachungspflicht nachgekommen. Es wäre ihm nicht zumutbar, die Kuvertierung nochmals zu kontrollieren.

Zur Zuverlässigkeit der Sekretärin N. P. führten die Antragsteller aus, dass die seit 1. September 1998 dort beschäftigte Sekretärin bis zum 6. Dezember 2000 alle ihr im Rahmen ihrer Tätigkeit als Sekretärin übertragenen Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt hätte.

Die Wiedereinsetzungsanträge sind, auch wenn man vom behaupteten Sachverhalt ausgeht, nicht berechtigt:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Das Versehen einer Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht gegenüber den Kanzleiangestellten verletzt hat.

Dieser Überwachungspflicht ist im vorliegenden Fall Rechtsanwalt Dr. St. G. nicht ausreichend nachgekommen: Zu bedenken ist zunächst, dass schon die ursprünglichen Beschwerden den Anforderungen des § 28 Abs. 1 Z. 3 und Z. 7 nicht entsprochen haben und weiters die ausdrückliche Berufung auf die erteilte Vollmacht fehlte. Ausgehend von der Rückziehungsfiktion des § 34 Abs. 2 letzter Halbsatz VwGG war daher bei Behandlung des Verbesserungsauftrages besondere Sorgfalt geboten.

Ausdrücklich und durch Fettdruck hervorgehoben wurde aufgetragen, den Ergänzungsschriftsatz in zweifacher Ausfertigung vorzulegen. Wenn dem Rechtsanwalt nur eine Ausfertigung und ein weiteres Deckblatt zur Unterschrift vorgelegt wird, kann er sich nicht mit der Weisung begnügen, dass dem Deckblatt eine vollständige Ausfertigung anzuschließen sei. Gerade im Hinblick darauf, dass, wie die Vertreter der Antragsteller selbst betonen, sie derzeit mehr als 300 Unternehmen in Wien und Niederösterreich in Getränkesteuerverfahren vertreten, und andererseits auch an diesem Tag nicht nur die hier zu Grunde liegende Beschwerde, sondern auch eine andere Beschwerde zu verbessern war, musste bei Vorlage bloß eines Deckblattes durch eine nicht mit der Sache betraute Sekretärin durchaus damit gerechnet werden, dass eine Verwechslung bei den Folgeseiten des Schriftsatzes stattfindet. Von einem minderen Grad des Versehens kann daher beim gegebenen Sachverhalt keine Rede mehr sein.

Aus diesen Gründen musste den Anträgen ein Erfolg versagt bleiben.

Wien, am 28. Juni 2001

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