VwGH 2001/15/0172

VwGH2001/15/017222.12.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des W in F, vertreten durch Dkfm. Herbert F. Maier, Wirtschaftsprüfer in 1015 Wien, Walfischgasse 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat II) vom 5. Juli 2001, GZ. RV148.97/1-8/97, betreffend Umsatzsteuer 1995, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1002;
UStG 1994 §11 Abs14;
VwRallg;
ABGB §1002;
UStG 1994 §11 Abs14;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ausgelöst durch eine im August 1995 erstattete Anzeige, dass vom angezeigten Unternehmen Computerzubehör - durch "Mehrwertsteuerunterschlagung" ermöglicht - unterpreisig angeboten werde, gelangte das Finanzamt bei seinen Erhebungen auf die L GesmbH, welche 1993 durch H-P.K. gegründet worden sei und deren allein vertretender Geschäftsführer H-P.K. sei. Die L GesmbH habe Waren von zwei Lieferanten in München umsatzsteuerfrei bezogen. Dies sei dadurch ermöglicht worden, dass die Lieferanten die Waren an eine E GesmbH in S (als innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerfrei) fakturiert hätten. Dabei sei die Umsatzsteuer-Identifikations-Nummer (UID) einer gleichnamigen E GesmbH in W verwendet worden. Die E GesmbH in S existiere nicht und an der für sie verwendeten Anschrift habe der Beschwerdeführer ein Lokal betrieben. Papiermäßig sei eine Lieferantenkette aufgebaut worden, wobei das als letztes Glied der Kette in Erscheinung tretende Unternehmen der L GesmbH Rechnungen mit Umsatzsteuer gelegt habe, welche von der L GesmbH als Vorsteuer abgezogen worden sei. Nach Ausfall des letztgenannten Gliedes dieser Kette habe eine neue Lieferantenkette "aufgebaut" werden müssen. Dazu habe sich H-P.K. an seinen Bekannten A.E. gewandt, der ein Einzelhandelsunternehmen gegründet und der L GesmbH Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer über die tatsächlich von der L GesmbH unmittelbar aus Deutschland bezogenen Waren gelegt habe. A.E. seinerseits habe Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer von einer F KEG, diese wieder von einer M GesmbH erhalten. Die M GesmbH habe zwar bestanden, die Rechnungen seien jedoch von J.A., einem Bekannten des H-P.K., unter Verwendung des Namens der M GesmbH auf gefälschtem Briefpapier erstellt worden. "Aufgabe" des Beschwerdeführers sei es gewesen, die F KEG zu gründen, deren Kommanditist der Beschwerdeführer gewesen sei. Auf Papier der F KEG seien von Juni bis August 1995 Rechnungen ausgestellt und darin Steuerbeträge in Höhe von insgesamt rund 21 Millionen S gesondert ausgewiesen worden, obwohl die entsprechenden Lieferungen nicht ausgeführt worden seien. Diese "Scheinfakturen" seien nicht vom Beschwerdeführer selbst, sondern von J.A. nach handschriftlichen Vorlagen des H-P.K. erstellt worden.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass den zuletzt genannten Rechnungen der F KEG mit einem ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag von rund 21 Millionen S keine Lieferungen oder sonstigen Leistungen zu Grunde lagen. Strittig ist, wem die Rechnungen und eine dadurch entstandene Umsatzsteuerschuld nach § 11 Abs. 14 UStG 1994 zuzurechnen sind.

Grundlage für die oben wiedergegebenen Erhebungsergebnisse, die in einem Abschlussbericht des Finanzamtes "über Prüfungen gemäß § 82 FinStrG" zusammengefasst wurden, bildeten vom Landesgericht S angeordnete und am 31. August 1995 durchgeführte Hausdurchsuchungen sowie Vernehmungen von zum Teil vor der Finanzstrafbehörde, zum Teil vor dem Untersuchungsrichter vernommenen Personen, nämlich u.a. des H-P.K., des J.A., des A.E. und des Beschwerdeführers.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 30. Juli 1996 die Umsatzsteuer für 1995 für den Beschwerdeführer in Höhe des auf den Rechnungen ausgewiesenen Gesamtbetrages von rund 21 Millionen S vorläufig fest. Der Beschwerdeführer schulde diese Umsatzsteuer nach § 11 Abs. 14 UStG 1994.

Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer mit seiner Berufung zunächst damit, dass die auf den Rechnungen aufscheinenden Waren tatsächlich geliefert worden seien und es sich um Reihengeschäfte gehandelt habe.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 23. Juli 1997 wies das Finanzamt die Berufung ab.

Da ein Vorlageantrag des Beschwerdeführers unentsprochen blieb, erhob er eine mit 29. Dezember 2000 datierte Säumnisbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Das Finanzamt erklärte mit Bescheid vom 27. März 2001 den vorläufigen Bescheid vom 30. Juli 1996 gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig, worauf der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren über die Säumnisbeschwerde mit Beschluss vom 27. Juni 2001, 2001/15/0001, einstellte.

In der Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 27. März 2001 verwies der Beschwerdeführer auf den Inhalt der Säumnisbeschwerde, worin er hervorgehoben hatte, dass er vom Gericht gemäß § 214 FinStrG vom Vorwurf eines Finanzvergehens freigesprochen worden sei.

Das Landesgericht S hatte mit Urteil vom 18. April 2000, 40 Vr 2277/95 Hv 3/99-98, H-P.K. schuldig erkannt, als verantwortlicher Geschäftsführer der L GesmbH u.a. hinsichtlich der Zeiträume Jänner bis August 1995 eine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen zu haben. J.A. und A.E. waren schuldig erkannt worden, durch Ausstellung falscher Rechnungen u.a. zur erwähnten Tat des H-P.K. wissentlich beigetragen zu haben. Der Beschwerdeführer war vom Vorwurf, durch Auftreten bei einer der beiden Lieferfirmen in München, Durchführung von Überweisungen an diese Unternehmen, Gründung der Scheinfirma F KEG (wodurch eine Tätigkeit für die L GesmbH vorgetäuscht worden sei) und Weitergabe falscher Rechnungen an den Steuerberater für den Zeitraum Juni bis Juli 1995 zu einer Umsatzsteuerverkürzung wissentlich beigetragen zu haben, gemäß § 214 Abs. 1 FinStrG freigesprochen worden. Vom Urteilstenor erfasst sind jene Vorsteuerbeträge, welche der L GesmbH von A.E. in Rechnung gestellt worden waren. Die im Beschwerdefall strittige Umsatzsteuer, die auf den Rechnungen der F KEG im Rahmen der oben beschriebenen Lieferkette ausgewiesen war, war nicht Gegenstand dieses gerichtlichen Verfahrens. Das Landesgericht S hatte in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt, dass sich H-P.K. und J.A. nach Ausfall eines Gliedes in einer früheren Scheinlieferantenkette gezwungen gesehen hätten, eine neue Scheinlieferantenkette aufzubauen. Anlässlich einer gemeinsamen Besprechung im Büro des H-P.K. im Beisein des J.A. habe A.E. erfahren, als Scheinlieferant zu dienen. Als erster inländischer Lieferant sei die M GesmbH vorgegeben worden. Dabei habe es sich um eine tatsächlich bestehende Firma gehandelt, die aber mit den in Rede stehenden Lieferungen in keinem Zusammenhang gestanden habe. Die Scheinlieferungen dieser Firma an A.E. seien auf gefälschtem Briefpapier ausgewiesen worden, wobei diese Fälschungen von J.A. mit Wissen des Beschwerdeführers gefertigt worden seien. Zur weiteren Absicherung sei von H-P.K. und J.A. ein weiterer Lieferant, nämlich die F KEG, eingeschoben worden. Komplementär dieser neu gegründeten Firma sei F.F., Kommanditist sei der Beschwerdeführer gewesen. Der Beschwerdeführer sei es auch gewesen, der F.F. dazu habe überreden können, sich als Komplementär zur Verfügung zu stellen. F.F. habe von den Machenschaften der Angeklagten keine Ahnung gehabt. Über die F KEG seien nun die Scheinrechnungen der M GesmbH und von der F KEG weiter an A.E. und schließlich zur L GesmbH gelaufen. Die Rechnungen bzw. Lieferscheine M GesmbH-A.E. seien von J.A. auf M GesmbH-F KEG umgeschrieben worden. Der Beschwerdeführer, ein langjähriger Freund des J.A., sei von diesem neben der angeführten Firmengründung der F KEG dazu überredet worden, in F, Deutschland, eine Firma zu gründen und ein Konto bei der H-Bank in F zu eröffnen. Für diese Tätigkeit habe der Beschwerdeführer von J.A. monatlich 20.000 S zugesagt erhalten, wobei ihm tatsächlich zweimal 20.000 S von J.A. ausbezahlt worden seien. In den Monaten Juni, Juli und August 1995 sei es zu einer gewaltigen Anhebung der Lieferungen des Computerzubehörs seitens der deutschen Lieferanten gekommen. Die Bestellung der Ware sei durch H-P.K. erfolgt, die Beförderung habe J.A. organisiert. Nunmehr habe J.A. nach entsprechender Vorgabe des H-P.K. Scheinrechnungen der M GesmbH, der F KEG und des A.E. erstellt. Um den Schein des tatsächlichen Warenverkehrs aufrecht zu erhalten, sei von A.E. auch ein Geschäftskonto seiner Firma eröffnet worden, über das die Zahlungen der L GesmbH nachvollziehbar gewesen seien. Von A.E. behoben sei das Geld weiter an J.A. als Vertreter der F KEG gegangen, von wo es als Barzahlung an die M GesmbH verbucht, tatsächlich jedoch wieder zurück an H-P.K. gegangen sei. Sowohl die F KEG wie auch A.E. hätten entsprechend ihren von J.A. erstellten Scheinrechnungen über ihren Steuerberater Umsatzsteuervoranmeldungen für Juni und Juli (1995) abgegeben. Für diese Tätigkeit habe A.E. von H-P.K. neben der auf den Rechnungen aufscheinenden geringen Verdienstspanne für den Zeitraum seiner Tätigkeit 800.000 S erhalten. Die Summe, die J.A. für seine Tätigkeit bekommen habe, sei deutlich über 1 Million S gelegen. Während das Landesgericht bei H-P.K., J.A. und A.E. Wissentlichkeit hinsichtlich des "Entzuges" von Umsatzsteuer annehme, könne diese dem Beschwerdeführer nicht nachgewiesen werden. Er habe lediglich Kontakt zu J.A. gehabt und durch die Firmengründung der F KEG bzw. die Kontoeröffnung in F. sowie die Vorsprache beim Lieferanten in München entsprechende Tatbeiträge geleistet.

Auf dieses Urteil verwies der Beschwerdeführer in seiner Säumnisbeschwerde, auf diese verwies er wieder in seiner Berufung gegen den Bescheid vom 27. März 2001, worin er zusammenfassend vorbrachte, dass er die in Rede stehenden Rechnungen nicht ausgestellt und daran auch nicht mitgewirkt habe.

Die belangte Behörde vernahm F.F., den Komplementär der F KEG, am 13. Juni 2001 als Zeugen und übermittelte dem Beschwerdeführer die darüber aufgenommene Niederschrift. Demnach hatte F.F. angegeben, er sei Ende Juli/Anfang August 1995 im Lokal des Beschwerdeführers beschäftigt gewesen. Der Beschwerdeführer habe ihm J.A. als "geschäftstüchtigen" Mann vorgestellt. Beide hätten ihm das Angebot eröffnet, eine KEG "mit Computerzubehör-Geschäftszweig" zu gründen, weil er den dafür erforderlichen Gewerbeschein habe. J.A. habe ihm den Gesellschaftsvertrag vorgelegt, den er unterfertigt habe. Die Firmenkontoeröffnung sei zusammen mit J.A. bei der R-Bank, S-Straße, erfolgt. J.A. sei auch für dieses Konto zeichnungsberechtigt gewesen. Das sei ihm sehr recht gewesen, weil er fast keine Zeit gehabt habe, auf die Bank zu gehen, und im Lokal gearbeitet habe. Sonst habe F.F. mit den Geschäften der KEG nichts zu tun gehabt. Eine frühere Aussage, dass auch der Beschwerdeführer zeichnungsberechtigt gewesen sei, revidierte F.F., wonach er nunmehr der Meinung sei, dass nicht der Beschwerdeführer, sondern J.A. dies gewesen sei. Der Beschwerdeführer und J.A. seien die beiden Angestellten der F KEG gewesen. Zu den in Rede stehenden Rechnungen gab F.F. an, dass er sich vollständig sicher sei, dass der Beschwerdeführer ("allein durch das Vorstellungsgespräch des J.A., allein wie er mir J.A. vorstellte") über alle "Geschäfte" des J.A. Bescheid gewusst habe. Der Beschwerdeführer und J.A. hätten immer über ihre Geschäfte gesprochen und wären diesbezüglich auch immer zusammen gewesen. Der Beschwerdeführer habe sicher über die Rechnungslegungen bei der F KEG Bescheid gewusst.

In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde fasste der Vertreter des Beschwerdeführers seinen Standpunkt darauf zusammen, dass J.A. die in Rede stehenden Rechnungen ausgestellt habe und der Beschwerdeführer lediglich 40.000 S erhalten habe. Er verwies abermals auf die bereits mit der Säumnisbeschwerde ins Treffen geführten Feststellungen des Urteiles des Landesgerichtes S. Weiters legte er ein Schreiben des Beschwerdeführers vor, in dem dieser festhielt, keine einzige Rechnung ausgestellt zu haben, weil er nicht einmal gewusst habe "was ich rechnen sollte". J.A. habe ihm gesagt, dass er gewerberechtliche Probleme hätte und der Beschwerdeführer habe ihm helfen wollen, dafür habe J.A. ihm monatlich 20.000 S geboten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde fest, dass H-P.K. und J.A. eine Scheinlieferantenkette aufgebaut hätten, um Waren unter missbräuchlicher Verwendung einer UID-Nummer zu beschaffen und über Scheinlieferanten, darunter die F KEG, an die L GesmbH zu fakturieren. Aus dem erwähnten Urteil des Landesgerichtes S zitierend stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer Ende Juli 1995 mit F.F. die F KEG gegründet habe. Der Beschwerdeführer sei Kommanditist der KEG gewesen. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages seien beide Gesellschafter zur Vertretung berechtigt und verpflichtet gewesen. Der Beschwerdeführer und J.A. seien (zusätzlich) Angestellte dieser KEG gewesen. Die F KEG sei nur eine vorgeschobene Einkaufsfirma gewesen und ihre Aufgabe habe nur in der Ausstellung von Scheinfakturen bestanden. Nunmehr seien Scheinrechnungen der F KEG an A.E. gelegt worden. Die Rechnungen des Monates Juni 1995, welche "auf die M GesmbH an A.E. lauteten", seien nach Gründung der F KEG auf Rechnungen der F KEG an A.E. umgeschrieben worden. Alle in Rede stehenden Rechnungen seien nach der Gründung der F KEG erstellt worden. Das "Erstellen d.h. das manuelle Anfertigen der Rechnungen" sei durch J.A. erfolgt. Die "Vorgaben" für diese Scheinrechnungen der F KEG habe J.A. von H-P.K. erhalten. Dies alles sei zwischen dem Beschwerdeführer, J.A. und H-P.K. so abgesprochen gewesen.

Dabei stütze sich die belangte Behörde auf die Aussage des J.A. vom 7. Juni 1997 vor dem Untersuchungsrichter, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, auf dem Papier der F KEG würden Scheinrechnungen ausgestellt, um dadurch Steuern zu hinterziehen. Als Kommanditist der F KEG habe der Beschwerdeführer dem J.A., der auch Angestellter der F KEG gewesen sei, die Befugnis eingeräumt, Rechnungen der F KEG an A.E. nach den Vorgaben des H-P.K. zu erstellen. Dies gehe aus den Aussagen des J.A. vom 4. Oktober 1995 vor dem Finanzamt und vom 7. Juni 1997 vor dem Landesgericht S hervor. Der Beschwerdeführer habe nach seiner eigenen Aussage vom 14. Mai 1997 vor dem Landesgericht S zumindest in Kauf genommen, dass Scheinrechnungen zur Umsatzsteuerverkürzung bzw. zum unberechtigten Vorsteuerabzug bei der A.E. ausgestellt worden seien. Die belangte Behörde sei darüber hinaus sogar zur Auffassung gekommen, dass der Beschwerdeführer es nicht nur in Kauf genommen habe, sondern darüber hinaus genau gewusst habe, dass im Namen der F KEG Scheinrechnungen ausgestellt worden seien. J.A. habe am 7. Juni 1997 vor dem Untersuchungsrichter eindeutig ausgeführt, dass alle beteiligten Personen (H-P.K., A.E. und der Beschwerdeführer) davon gewusst hätten. Schon am 4. Oktober 1995 habe J.A. bei seiner Vernehmung durch das Finanzamt angeführt, dass der Beschwerdeführer damit einverstanden gewesen sei, dass nach der Gründung der F KEG die Rechnungen von der F KEG an A.E. erstellt würden.

F.F. habe von diesen Vorgängen überhaupt nichts gewusst. Somit habe nur der Beschwerdeführer selbst J.A. die Befugnis einräumen bzw. Vollmacht gewähren können, die in Rede stehenden Rechnungen zu erstellen. Mit seiner Zustimmung, dass "über die F KEG Rechnungen an A.E. durch J.A. erstellt werden", habe der Beschwerdeführer J.A. die diesbezügliche Stellvertretung erteilt. Der Beschwerdeführer habe dabei jedoch seine Kompetenzen als Kommanditist überschritten, weil er gemäß § 6 des Gesellschaftsvertrages der F KEG Handlungsvollmacht nur auf Grund eines mit Einstimmigkeit der Gesellschafter gefassten, vorherigen Gesellschafterbeschlusses hätte erteilen können. Eine Bevollmächtigung durch den Beschwerdeführer als Gesellschafter der F KEG alleine reiche nicht aus, dass J.A. für die F KEG rechtswirksam Rechnungen ausstellen habe können. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer als Kommanditist überhaupt den übertragenen Geschäftskreis überschritten, weil er sich einerseits über die durch die Gesamtvertretung gezogenen Schranken hinweg gesetzt und darüber hinaus auch gewusst habe, dass durch die Rechnungslegungen des von ihm bevollmächtigten J.A. ein "Vorsteuer- bzw. Umsatzsteuerschwindel" begangen werde. Wenn durch ein solches Handeln des Kommanditisten die Rechtsform der KEG für Ziele benutzt werde, für die sie im normalen Rechtsverkehr nicht bestimmt sei "und zur Täuschung des Rechtsverkehrs benutzt wird", könne dies nicht mehr der Gesellschaftssphäre zugerechnet werden. Vielmehr entstehe eine Zurechnung an den darüber hinaus alle Sorgfaltspflichten verletzenden Gesellschafter (Kommanditisten). Das manuelle Erstellen der Scheinrechnungen durch J.A., den bevollmächtigten Angestellten der F KEG, sei dem Beschwerdeführer als dem Vertretenen zuzurechnen. Daher sei dem Beschwerdeführer auch das Ausstellen der Rechnungen im Sinn des § 11 Abs. 14 UStG 1994 "zuzuordnen".

Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der vom Urteil des Landesgerichtes S abgestraften Steuerhinterziehung erfolgten tatsächlichen Handlungen (Kontoeröffnung im Ausland, Gründung einer Firma in Deutschland, Einzahlungen von Millionenbeträgen, Gründung der F KEG usw.), welche vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt worden seien, brächten die belangte Behörde zur Überzeugung, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, dass die Scheinrechnungen der F KEG zur Abgabenhinterziehung gedient hätten. Der Beschwerdeführer habe dadurch in Kauf genommen, dass es durch seine Mitwirkung, insbesondere durch die Gründung der F KEG und die Zustimmung zur Rechnungslegung im Namen der KEG zu Steuerhinterziehungen komme. Selbst wenn man der Auffassung des Beschwerdeführers folge, von der Abgabenhinterziehung nichts gewusst zu haben, ändere dies nichts an der Verwirklichung des Tatbestandes des § 11 Abs. 14 UStG. Denn der Beschwerdeführer habe seine Stellung als Kommanditist der F KEG überschritten und J.A. Handlungsvollmacht eingeräumt, dass u.a. Rechnungen im Namen der F KEG ausgestellt würden. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, dass bei J.A. gewerbeausschließende Gründe vorgelegen seien und er deshalb die F KEG für ein monatliches Entgelt von 20.000 S gegründet habe, um es J.A. zu ermöglichen, über diese KEG die EDV-Geschäfte abzuwickeln.

Von einer Rechnung des leistenden Unternehmers könne nur gesprochen werden, wenn sie seinem rechtsgeschäftlichen Willen entspreche. Solle eine ausgestellte Rechnung einer Gesellschaft zugerechnet werden, so müssten die von der Gesellschaft hiezu bevollmächtigten Personen jedenfalls im Einverständnis mit den für die Geschäftsführung zuständigen Organen handeln. Im Beschwerdefall sei ein solches Einverständnis der zuständigen Organe nicht vorgelegen, weil der Beschwerdeführer als Kommanditist dem J.A. Handlungsvollmacht nur zusammen mit dem Komplementär habe einräumen können. Mit der Einräumung dieser Handlungsvollmacht an J.A. habe der Beschwerdeführer seine Vertretungsbefugnis überschritten, womit sein Handeln nicht der Gesellschaft, sondern ihm zuzurechnen sei.

Daher komme die belangte Behörde zur Auffassung, dass dem Beschwerdeführer die in Rede stehende Rechnungslegungen im Sinne des § 11 Abs. 14 UStG zuzurechnen seien und er die auf diesen Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge schulde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 11 Abs. 14 UStG 1994 lautet:

"(14) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet diesen Betrag."

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die in Rede stehenden Rechnungen ausgestellt worden sind, ohne dass die darauf beschriebenen Waren tatsächlich dem Rechnungsempfänger geliefert worden wären, die in Rede stehenden Rechnungen von J.A. geschrieben worden sind sowie als Rechnungsaussteller (lieferndes Unternehmen) die F KEG aufscheint. Die Rechnungen sind den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge nicht unterschrieben.

Die belangte Behörde entnimmt den Aussagen der vernommenen Personen, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, dass J.A. diese auf die F KEG lautenden Rechnungen erstellt habe, und dies "geduldet" habe.

Die Rechnung ist eine Urkunde, mit welcher der Unternehmer über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet. Die Frage, wem die Rechnungsausstellung zuzurechnen ist, ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Eine Rechnungsausstellung durch Vertreter ist daher nach den Regeln des Zivilrechts dem Vertretenen zuzurechnen. Ist die Rechnungsausstellung nicht der als leistender Unternehmer genannten Person oder Personengemeinschaft zuzurechnen, entsteht für den Aussteller eine Steuerschuld nach § 11 Abs. 14 UStG 1994 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2000, 99/14/0062, VwSlg. Nr. 7.485/F). Es kann somit auch eine Person, die mit der auf der Rechnung als leistender Unternehmer ausgewiesenen Person nicht ident ist, den Tatbestand des § 11 Abs. 14 UStG 1994 erfüllen. Dies hat aber zur Voraussetzung, dass diese Person die Rechnung nicht in der Funktion als Stellvertreter ausstellt.

Geht es - wie im Beschwerdefall - um die Rechnung einer Gesellschaft (der F KEG) so kommen für die Rechnungsausstellung in erster Linie deren Geschäftsführer in Betracht, daneben Personen, die von den Geschäftsführern als den für die Geschäftsführung (Vertretung) der Gesellschaft berufenen Organen zur Rechnungsausstellung für die Gesellschaft bevollmächtigt sind. Diese anderen Personen müssen jedenfalls im Einverständnis mit dem für die Geschäftsführung der Gesellschaft zuständigen Organen handeln, soll eine ausgestellte Rechnung der Gesellschaft zuzurechnen sein (vgl. das eine GesmbH betreffende hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1983, 83/15/0033, VwSlg 5.835/F).

Im Beschwerdefall lautet § 6 des in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Gesellschaftsvertrages über die Gründung der F KEG, deren Gegenstand nach § 2 des Gesellschaftsvertrages im Vertrieb von EDV-Hard- und Software sowie von sämtlichem Zubehör im EDV-Bereich sowie in allen damit zusammenhängenden Geschäften des Groß- und Einzelhandels bestanden hatte:

"§ 6 Geschäftsführervertretung:

1. Zur Geschäftsführung und Vertretung ist jeder der Gesellschafter berechtigt und verpflichtet.

2. Die Vornahme folgender Geschäfte ist nur auf Grund von Einstimmigkeit der Gesellschafter gefassten, vorherigen Gesellschafterbeschlusses zulässig:

  1. 3. ....
  2. 4. - Erteilung und Widerruf von Prokura oder Handlungsvollmacht.
  3. 5. Wird ein Geschäft unter Verstoß vorstehender Ziffer abgeschlossen, so sind die handelnden Gesellschafter verpflichtet, der Gesellschaft den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen."

    Zur Feststellung, J.A. sei ein Angestellter der F KEG gewesen, hat die belangte Behörde die Aussage des F.F. vom 13. Juni 2001 heran gezogen, die dem Beschwerdeführer mit Fernkopie vom 22. Juni 2001 zur Kenntnis gebracht wurde, ohne dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren (insbesondere in der mündlichen Verhandlung) die Richtigkeit dieser Aussage bestritten hätte. Darüber hinaus durfte sich die belangte Behörde auf eine in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltene sozialversicherungsrechtlichen Bestätigung stützen. Soweit der Beschwerdeführer daher die Angestellteneigenschaft des J.A. in der Beschwerde bestreitet, verstößt er gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG).

    Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer als geschäftsführender und vertretungsberechtigter Kommanditist der F KEG dem bei der F KEG angestellten J.A. die Befugnis nicht hätte erteilen können, Rechnungen im Namen der F KEG auszustellen, was zur Folge gehabt habe, dass die in Rede stehenden Rechnungen nicht der F KEG zuzurechnen seien. Sie stellte fest, dass der Beschwerdeführer geduldet bzw. gewusst habe, dass J.A. die in Rede stehenden Rechnungen verfasst habe. Die belangte Behörde schloss daraus offenbar, dass der Beschwerdeführer dem J.A. eine so genannte Duldungsvollmacht erteilt habe und dabei seine ihm im Gesellschaftsvertrag übertragene Befugnis überschritten habe. Daher sei das Handeln des J.A. dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

    Nur wenn der Vertreter nach außen im Namen des Vertretenen auftritt, ist das Vertreterhandeln dem Vertretenen zuzurechnen. Die Sachverhaltsfeststellung, dass J.A. gegenüber A.E. im Namen des Beschwerdeführers die Rechnung erstellt hätte, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Schon deshalb scheidet die Zurechnung an den Beschwerdeführer aus. Für den Fall, das J.A. mangels entsprechender Vollmacht rechtlich auch nicht im Namen der F KEG, die auf der Urkunde als Rechnungsaussteller aufscheint, handeln konnte, wäre die Rechnungsausstellung J.A. zuzurechnen.

    Allerdings könnte in dem von der belangten Behörde festgestellten Wissen und Dulden des Beschwerdeführers, dass J.A. die in Rede stehenden Rechnungen ausgestellt hat, ein nachträgliches Genehmigen der vollmachtslosen Handlungen gesehen werden, zu deren Setzung der Beschwerdeführer (als geschäftsführender Kommanditist der F KEG) selbst befugt gewesen wäre und deren nachträgliche Genehmigung vom Gesellschaftsvertrag nicht einem einstimmigen Gesellschafterbeschluss vorbehalten worden wäre. Diesfalls wäre im Beschwerdefall die Rechnungsausstellung der F KEG zuzurechnen.

    Da somit keine der beiden in Betracht kommenden Möglichkeiten (Zurechnung der Rechnungsausstellung an die F KEG oder an J.A.) den Spruch des angefochtenen Bescheides zu tragen vermag, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 22. Dezember 2004

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