VwGH 2001/13/0215

VwGH2001/13/02151.7.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. Ralph Mitsche, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 26. Juni 2001, Zl. MD-VfR - R 3/99, betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §236 Abs1;
BAO §237 Abs1;
KommStG 1993 §6;
LAO Wr 1962 §182 Abs1;
LAO Wr 1962 §183 Abs1;
BAO §236 Abs1;
BAO §237 Abs1;
KommStG 1993 §6;
LAO Wr 1962 §182 Abs1;
LAO Wr 1962 §183 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 24. Februar 1997 beantragte die Beschwerdeführerin die Entlassung aus der Gesamtschuld hinsichtlich der aushaftenden Kommunalsteuer der R GmbH & Co KG. Die Beschwerdeführerin sei als Kommanditistin der genannten KG (nur) zu 7 % am Unternehmen der KG, über deren Vermögen mittlerweile der Konkurs eröffnet worden sei, beteiligt, habe ihre Hafteinlage bezahlt und würde demnach zivilrechtlich nicht für Verbindlichkeiten der KG haftbar gemacht werden können. Sie sei nicht berufstätig und habe weder Einkünfte noch Vermögen. Auch habe sie keine Erträgnisse aus dem Kommanditanteil erzielt. Wegen Aussichtslosigkeit der Einbringung und unbilliger Härte werde die Entlassung der Beschwerdeführer aus der Gesamtschuld beantragt.

Mit Bescheid vom 22. Mai 1997 wurde der Antrag unter Hinweis auf die Bestimmung des § 6 KommStG, aus der sich ergebe, dass auch der Kommanditist einer KG mit seinem gesamten Vermögen für die Kommunalsteuerschuld solidarisch einzustehen habe, als unbegründet abgewiesen.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung wies die Beschwerdeführerin neuerlich auf die Uneinbringlichkeit der Kommunalsteuerschuld hin. Sie sei arbeitslos und beziehe lediglich eine Fürsorgeunterstützung. Auf Grund ihres Alters und der jahrelangen "Abstinenz vom Arbeitsmarkt" sei es auch unrealistisch, davon auszugehen, dass sich ihre Einkommenssituation durch die Eingliederung in ein geregeltes Arbeitsverhältnis in Hinkunft verbessern könnte.

Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung stellte die Beschwerdeführerin unter weitgehender Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens den Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung u.a. mit der Begründung abgewiesen, eine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung sei bei Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden wegen der in diesem Fall fehlenden Auswirkung der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage der Beschwerdeführerin zu verneinen. Eine sachliche Unbilligkeit liege wegen der im Kommunalsteuergesetz allgemein normierten Gesamtschuldnerschaft auch der Kommanditisten nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 183 Abs. 1 WAO kann auf Antrag eines Gesamtschuldners dieser aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Voraussetzungen für die Entlassung eines einzelnen Gesamtschuldners aus dem Gesamtschuldverhältnis sind grundsätzlich die gleichen wie die für die Nachsicht, nämlich die Unbilligkeit der Einziehung der Abgabe, für welche ein Gesamtschuldner einzustehen hat. Während für die Nachsicht (§ 182 Abs. 1 WAO) das Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen bei allen Mitschuldnern gefordert wird, genügt es für eine Maßnahme nach § 183 Abs. 1 WAO, wenn die Billigkeitsgründe lediglich in der Person des antragstellenden Gesamtschuldners gelegen sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt der Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles" das Vorliegen eines in den subjektiven Verhältnissen des Steuerpflichtigen oder des Steuergegenstandes gelegenen Sachverhaltselementes voraus, aus dem sich ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den in jenem subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen ergibt. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen gefährden würde. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (einer Entlassung aus der Gesamtschuld) nicht unbedingt einer Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 24. September 1993, 93/17/0054, mit weiteren Nachweisen).

Die belangte Behörde hat das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit verneint, weil der Abgabenrückstand nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin bei ihr nicht einbringlich sei, weshalb es auch zu keiner Auswirkung der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage der Beschwerdeführerin kommen könne.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes wird dem in der Beschwerde entgegen gehalten, der angefochtene Bescheid berücksichtige nicht, dass nach näher angeführter Rechtsprechung eine persönliche Unbilligkeit bereits dann vorliege, wenn die Abstattung für den Verpflichteten mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre. Unbilligkeit müsse umso eher gegeben sein, wenn wie im Beschwerdefall nicht einmal ein pfändbares Einkommen vorhanden sei. Solcherart werde der von der Judikatur aufgestellte Maßstab für das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit sogar erheblich überschritten. Der Bezug von unpfändbaren Sozialleistungen indiziere geradezu die persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung.

Dieses Vorbringen zeigt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht auf, weil die Beschwerdeführerin damit nicht darzustellen vermag, inwiefern im Beschwerdefall mangels jeglicher (erfolgversprechender) Einhebungsmöglichkeit infolge unbestrittener Uneinbringlichkeit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein wirtschaftliches Missverhältnis in der oben dargestellten Art entstehen könnte. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, liegt persönliche Unbilligkeit dann vor, wenn gerade die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung. Auch diese müsste aber gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend mitverursacht sein. Dies ist aber im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben gar nicht möglich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2000, 95/15/0090).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage geht der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe es unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, dass die Beschwerdeführerin als allein stehende Sozialhilfeempfängerin in bedrückender Armut lebe und nur mit größter Mühe die bescheidenen Lebenshaltungskosten bestreiten könne, ebenso ins Leere wie der Vorwurf, die belangte Behörde habe es unterlassen festzustellen, dass auf Grund des Alters und des gesundheitlichen Zustandes der Beschwerdeführerin mit keiner Änderung der Einkommenslage gerechnet werden könne.

Wie im Verwaltungsverfahren macht die Beschwerde auch das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung geltend. Da die Beschwerdeführerin nur mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 11.400 S an der KG beteiligt gewesen sei, stelle es eine anormale Belastung dar, für eine aushaftende Kommunalsteuerschuld in Höhe von 57.160 S einstehen zu müssen.

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 2002, 99/13/0065). Ein Zusammenhang zwischen der Vorschreibung von Kommunalsteuer und der Höhe der vom jeweiligen Gesamtschuldner übernommenen Gesellschaftereinlage besteht nicht, weshalb mit dem Hinweis auf die Höhe der Gesellschaftereinlage kein atypischer Vermögenseingriff in Ansehung der Einhebung von Kommunalsteuer aufgezeigt wird. Dass der Kommanditist die handelsrechtlich bestehende Haftungsbeschränkung hinsichtlich der Kommunalsteuer nicht einwenden kann, ergibt sich - wie schon im Verwaltungsverfahren zutreffend aufgezeigt wurde - aus § 6 KommStG (vgl. Fellner, KommStG, Tz. 9 zu § 6, Taucher, Kommunalsteuer, Tz. 12 zu § 6) und stellt für sich keinen Umstand dar, der die Abgabeneinhebung bei ihm als sachlich unbillig erscheinen ließe.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 1. Juli 2003

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