Normen
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §26 Abs5 idF 1998/I/002;
FSG 1997 §8;
KFG 1967 §75 Abs2;
VwRallg;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §26 Abs5 idF 1998/I/002;
FSG 1997 §8;
KFG 1967 §75 Abs2;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Mai 2000, zugestellt am 18. Mai 2000, wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz 1997 (FSG) aufgefordert,
"sich binnen vier Monaten ab Zustellung des Bescheides der ärztlichen Untersuchung im Verkehrsamt der Bundspolizeidirektion Wien (...) zu unterziehen.
Gemäß § 26 Abs. 5 FSG muss Ihnen bei Nichterfüllen dieser Aufforderung die Lenkberechtigung entzogen werden."
In mehreren Eingaben an die Behörde lehnte die Beschwerdeführerin in der Folge ab, sich vom Amtsarzt untersuchen zu lassen.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 2000 entzog hierauf die Bundespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt der Beschwerdeführerin "gemäß § 24 Abs. 1 iVm § 24 Abs. 4 iVm § 26 Abs. 5 FSG" die erteilte Lenkberechtigung für die Klasse B "bis zur Beibringung des amtsärztlichen Gutachtens über Ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen"; gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 FSG aufgefordert, ihren Führerschein binnen drei Tagen ab Zustellung des Bescheides abzugeben. Einer Berufung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 64 Abs. 2 AVG aberkannt.
In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, eine "Erkrankung, insbesondere wenn sie zumindest teilweise von der Polizei verschuldet wurde," stelle keine ausreichende Begründung für einen (wenn auch nur befristeten) Führerscheinentzug dar.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge: Die Entziehung der Lenkberechtigung nach § 26 Abs. 5 FSG sei zwingende Folge der Nichterfüllung der rechtskräftigen Aufforderung; eine Beurteilung der Gründe für das Unterbleiben bzw. für die Nichtbeibringung des aufgetragenen Gutachtens finde nicht statt. Durch die Unterlassung der amtsärztlichen Untersuchung sei auch die Erwirkung des amtsärztlichen Gutachtens vereitelt worden. Der Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung sei ebenfalls zu Recht erfolgt, weil davon auszugehen gewesen sei, dass die Beschwerdeführerin infolge ihres "physischen Zustandes" nicht (mehr) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aufweise und durch ihre weitere Teilnahme am öffentlichen Verkehr die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könne; eine derartige Beeinträchtigung sei im zwingenden öffentlichen Interesse von vornherein zu unterbinden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs. 2 iVm § 26 Abs. 5 FSG seien begründete Bedenken, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die geistige oder körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst seien; nicht mehr besitze. Die Beschwerdeführerin sei bereits Anfang 1999 aufgefordert worden, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, sie habe aber erst im April 1999 einen Schlaganfall erlitten. Es sei daher nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen das Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Nach Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens vom 2. Februar 2000 habe die Beschwerdeführerin den Befundbericht des Neurologischen Krankenhauses Maria-Theresien-Schlössl vom 23. März 2000 und den neuropsychologischen Befund dieses Krankenhauses vom 16. Februar 2000 der Bundespolizeidirektion Wien übermittelt; diese Unterlagen seien jedoch von der Bundespolizeidirektion Wien nicht berücksichtigt worden. § 26 Abs. 5 FSG sehe nur die bescheidmäßige Aufforderung zur Beibringung von Gutachten, nicht jedoch die Aufforderung sich ärztlich untersuchen zu lassen, vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).
Gemäß § 8 Abs. 1 FSG hat der Antragsteller vor der Erteilung einer Lenkberechtigung der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
- 1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
- 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.
Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.
Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 FSG beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm zufolge § 26 Abs. 5 FSG die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen.
Liegt ein rechtskräftiger Aufforderungsbescheid gemäß § 26 Abs. 5 FSG vor, liegt es am Besitzer der Lenkberechtigung, u. a. durch Beibringung der für die Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens benötigten fachärztlichen Befunde die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens innerhalb der in dieser Gesetzesstelle genannten Frist von vier Monaten zu ermöglichen, will er nicht Gefahr laufen, dass ihm die Lenkberechtigung nach dieser Gesetzesstelle bis zur Beibringung des Gutachtens entzogen wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2000, Zl. 2000/11/0165). Die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 5 FSG setzt die Rechtskraft des Aufforderungsbescheides voraus; die Rechtmäßigkeit des rechtskräftigen Aufforderungsbescheides kann im Entziehungsverfahren nicht mehr überprüft werden. Insoweit sich daher das Beschwerdevorbringen gegen die Zulässigkeit des in Rechtskraft erwachsenen Aufforderungsbescheides der belangten Behörde vom 5. Mai 2000 richtet, kann damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Entziehungsbescheides erfolgreich aufgezeigt werden.
Im § 26 Abs. 5 FSG ist jedoch - wie die Beschwerdeführerin zutreffend unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0120, ausführt - nur die bescheidmäßige Aufforderung zur Beibringung von Gutachten vorgesehen, nicht aber die Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Insofern unterscheidet sich § 26 Abs. 5 FSG von § 75 Abs. 2 KFG 1967. Der Aufforderungsbescheid der belangten Behörde vom 5. Mai 2000 enthält jedoch ausschließlich die an die Beschwerdeführerin gerichtete Anordnung, "sich binnen vier Monaten ab Zustellung des Bescheides der ärztlichen Untersuchung im Verkehrsamt der Bundespolizeidirektion Wien (...) zu unterziehen". Eine solche Aufforderung ist durch § 26 Abs. 5 FSG nicht gedeckt und kann daher auch nicht als ein für eine auf diese Gesetzesstelle gestützte Entziehung der Lenkberechtigung vorausgesetzter rechtskräftiger "Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen" angesehen werden. Schon im oberwähnten hg. Erkenntnis vom 10. November 1998 wurde ausgeführt, dass eine auf § 26 Abs. 5 FSG gestützte, bescheidmäßige Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung in Verbindung mit dem - unter Setzung einer Frist erfolgten - Auftrag zur Vorlage des amtsärztlichen Gutachtens dem Betroffenen nur den Weg aufgezeigt, wie er zu dem von ihm beizubringenden Gutachten kommt. Ein selbständiger Auftrag zur amtsärztlichen Untersuchung beeinträchtigt jedoch die Rechtsposition des Bescheidadressaten nicht, weil nur die Nichtbeibringung des Gutachtens die Behörde berechtigt (und verpflichtet), die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 5 FSG zu entziehen. Die Nichtbefolgung des Auftrages zur ärztlichen Untersuchung allein löst daher keine nachteiligen Rechtsfolgen aus. Darauf könnte ein Entziehungsbescheid gemäß § 26 Abs. 5 leg. cit. rechtens nicht gestützt werden, sodass im Geltungsbereich des FSG aus der Nichtbefolgung eines Auftrages zur ärztlichen Untersuchung keine nachteiligen Folgen entstehen können. Da der Beschwerdeführerin mit dem Aufforderungsbescheid vom 5. Mai 2000 nicht aufgetragen worden ist, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG (siehe § 24 Abs. 4 und § 26 Abs. 5 FSG) beizubringen, fehlt es im Beschwerdefall an dem für eine Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 5 FSG erforderlichen rechtskräftigen Aufforderungsbescheid. Die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung kann daher rechtmäßig nicht auf § 26 Abs. 5 FSG gestützt werden.
Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. April 2002
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