VwGH 2001/08/0201

VwGH2001/08/020120.2.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des P in J, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 22. Oktober 2001, Zl. 127.309/3-7/01, betreffend Versicherungspflicht in der Unfallversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:

Normen

ArbVG §34 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §2 Abs1;
BSVG §3 Abs1 Z1;
LAG §5 Abs1;
ArbVG §34 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
BSVG §2 Abs1;
BSVG §3 Abs1 Z1;
LAG §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,--

binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 5. Oktober 1999 sprach die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 3 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG) vom 1. März 1998 bis laufend in der Unfallversicherung pflichtversichert sei.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer mit Kaufvertrag vom 13. März 1998 ein näher bezeichnetes Grundstück im Ausmaß von 0,2193 ha gekauft. Dieses Grundstück werde mit Einheitswertbescheid des Finanzamtes Eisenstadt bzw. in der Einheitswertbescheid-Nachfeststellung zum 1. Jänner 1999 mit S 9.000,-- bewertet. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass sich auf dem Grundstück 25 Obstäume (Äpfel-, Marillen-, Zwetschken- , Kirschen- und Birnenbäume) befänden, deren Früchte zum eigenen Verzehr verwendet würden. Eine persönliche Besichtigung am 22. September 1999 habe ergeben, dass auf dem gesamten Grundstück in einer Reihe junge Obstbäume gepflanzt seien. Die Bäume seien gegen Wildverbiss geschützt und hätten Stützen. Der Abstand zwischen den Bäumen betrage 12 Schritte. In einer Höhe von ca. 50 cm sei eine schwarze Schlauchleitung gespannt und zu jedem Baum gehe eine Abzweigung. Es handle sich offensichtlich um ein Bewässerungssystem (Tröpfchenbewässerung). Der natürliche Wuchs zwischen den Bäumen werde zwar gemäht, jedoch nicht verwertet. Arbeiten der Land(forst)wirtschaft im technischen Sinn würden daher zweifelsfrei durchgeführt, da schon das Verwerten des anfallenden Obstes einer landwirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Gesetzes entspräche.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 22. Jänner 2001 keine Folge gegeben.

In seiner Begründung vertrat auch der Landeshauptmann im Wesentlichen die Auffassung, dass nach dem festgestellten Sachverhalt das Ausmaß der Obstgewinnung des Beschwerdeführers tatsächlich über das Maß hinausgehe, das üblicherweise in Gärten von Einfamilienhäusern erreicht werde, sodass von einer "landwirtschaftlichen Produktion" zu sprechen sei. Das Ausmaß der Obstgewinnung durch den Beschwerdeführer sei vielmehr als eine nachhaltig vorgenommene Betätigung zu qualifizieren, die als eine relevante Größe für eine Erwerbsquelle, und sei es auch nur eine Quelle der eigenen Ernährung, anzusehen sei.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer geltend, dass es sich bei den Obstbäumen um alte Sorten, die teilweise nur mehr ganz selten angepflanzt würden und die teilweise aus dem 18. Jahrhundert stammten, handle. Es seien keine zwei Obstbäume gleicher Sorte gepflanzt worden. Es ergebe sich somit, dass auf dem 2193 m2 großen Grundstück pro 85 m2 ein Obstbaum gepflanzt worden sei. Bei nachhaltiger planmäßiger wirtschaftlicher Nutzung des Grundstückes ließen sich auf diesem problemlos zumindest 250 Bäume pflanzen, bei spaliermäßiger Obstaumaufzucht wohl zumindest 500 Obstbäume. Das Anpflanzen von 25 Obstäumen stelle daher nur eine übliche Nutzung des Grundstückes als Hausgarten dar, wobei es dem Beschwerdeführer bei der Nutzung auch und vor allem um die Bewahrung der alten Obstsorten gehe. Als Beweis für sein Vorbringen beantragte der Beschwerdeführer seine Einvernahme sowie ein einzuholendes landwirtschaftliches Gutachten eines der Behörde beigegebenen Amtssachverständigen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes. In der Begründung führte die belangte Behörde zunächst aus, dass sich der wesentliche Sachverhalt neben den Angaben des Beschwerdeführers aus dem Akt der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt ergebe und grundsätzlich unbestritten sei. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Bewirtschaftung des gegenständlichen Grundstückes zu Recht als Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes zu qualifizieren sei, weil der Beschwerdeführer Handlungen gesetzt habe, die auf die nachhaltige Gewinnung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen gerichtet seien (Pflanzung, Schutz, Bewässerung). Dass es sich um einen kleinen Betrieb handle, zeige sich nicht nur im geringen Ertrag und der dadurch u.U. fehlenden Rentabilität, sondern auch im niedrigen Einheitswert. Die geringe Dichte der angepflanzten Obstbäume lasse zwar auf eine extensiv ausgeübte Bewirtschaftung schließen, jedoch schließe diese Tatsache die landwirtschaftliche Tätigkeit nicht aus. Soweit überhaupt eine landwirtschaftliche Tätigkeit vorliege, sei die Form - intensive Landwirtschaft oder extensiv wie hier - nicht zu berücksichtigen. Der dem Einheitswert zu Grunde liegende Hektarsatz berücksichtige nur die Kulturgattung und den durchschnittlichen Ertragswert. Ob die Tätigkeit zu Erwerbszwecken oder als Hobby ausgeführt werde, spiele für die Beurteilung der Pflichtversicherung keine Rolle. Schließlich sei nicht verschwiegen, dass es sich beim gegenständlichen Fall um einen Grenzfall betreffend das Vorliegen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit handle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Sie beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach dem BSVG zunächst unter Hinweis auf die geringe Anzahl der von ihm auf der Liegenschaft ausgepflanzten Obstbäume mit dem Vorbringen, dass eine geringfügige Nutzung für den Eigenbedarf in Form eines Hobbys im Vergleich zur möglichen Nutzung als ein Brachliegen angesehen werden könne. Der land(forst)wirtschaftliche Einheitswert sei nur ein Maß für die Nutzbarkeit, nicht aber für die tatsächliche Nutzung. Zudem rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe es verabsäumt, den in der Berufung geforderten Beweis eines Sachverständigengutachtens aufzunehmen.

Der Beschwerde kommt aus folgenden Überlegungen keine Begründung zu:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 BSVG sind in der Unfallversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, die im § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. bezeichneten Personen pflichtversichert.

Bei den im § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG bezeichneten natürlichen Personen handelt es sich um Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird.

Ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 5 Abs. 1 LAG (in Verbindung mit der Umschreibung des Betriebsbegriffes im Arbeitsverfassungsrecht) ist dann gegeben, wenn innerhalb einer organisatorischen Einheit eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft allein oder mit Arbeitskräften mit Hilfe von technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion fortgesetzt verfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1982, Zl. 81/08/0051). Zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion zählen nach § 5 Abs. 1 letzter Satz LAG die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei.

Die Pflichtversicherung gemäß § 3 Abs. 1 BSVG besteht nach § 3 Abs. 2 erster Satz BSVG in der hier zeitraumbezogenen anzuwendenden Fassung nur, wenn es sich um einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb handelt, dessen zuletzt im Sinne des § 25 des Bewertungsgesetzes festgestellter Einheitswert den Betrag von S 2.000,-- erreicht oder übersteigt oder für den ein Einheitswert aus anderen als den Gründen des § 25 Z. 1 des Bewertungsgesetzes nicht festgestellt wird.

Eine land(forst)wirtschaftliche Tätigkeit setzt jedoch nicht voraus, dass eine Gewinnerzielung beabsichtigt oder möglich ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1991, VwSlg. Nr. 13422/A). Zudem unterliegt die Bewirtschaftung eines den Mindesteinheitswert erreichenden oder übersteigenden land(forst)wirtschaftlchen Betriebes auch dann der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach BSVG, wenn die Tätigkeit bloß als Hobby betrieben wird (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 1990, Zl. 88/08/0268).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht den bereits im erstinstanzlichen Bescheid festgestellten und von der belangten Behörde als "unstrittig" übernommenen Sachverhalt, wonach der Einheitswert des Grundstückes des Beschwerdeführers S 9.000,-- betrage (sohin die für die Unfallversicherungspflicht bestehende Grenze von S 2.000,-- übersteigt) und auf diesem Grundstück die im erstinstanzlichen Bescheid näher dargestellten Bewirtschaftungsmaßnahmen hinsichtlich der Obstbäume durchgeführt würden. Nach dem aus einem Aktenvermerk über eine Erhebung an Ort und Stelle ersichtlichen Ermittlungsergebnis, das dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundeliegt, sind (u.a.) die Jungbäume gegen Wildverbiss geschützt und haben auch Stützen; der Abstand von Baum zu Baum beträgt 12 Schritte, in einer Höhe von ca. 50 cm ist eine Beregnungsanlage (Tröpfchenbewässerung) mit Abzweigung zu jedem Baum angebracht. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der vom Beschwerdeführer in der beschriebenen Weise durchgeführte Obstbau (wenngleich nach seinem Vorbringen nur als Hobby zur Erhaltung alter Obstsorten betrieben) auf der Linie landwirtschaftlicher Bewirtschaftung liegt, wie sich unmittelbar aus § 5 Abs. 1 LAG ergibt und daher keiner Beweiserhebung durch Sachverständige bedarf.

Dem Argument des Beschwerdeführers, eine Pflanzung von Obstbäumen erfolge im Vergleich zur möglichen Nutzung des Grundstücks in einem derart geringen Maß, dass lediglich von einer geringfügigen, die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach BSVG ausschließenden Nutzung gesprochen werden könne, ist Folgendes zu entgegnen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 1981, Zl. 08/2663/79, ausgesprochen, dass bereits die Tätigkeit des Anbaues von Johannisbeeren auf einem Grundstück nur zum Zwecke des Marmeladekochens für den eigenen Bedarf auf der Linie der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung liegt. Abgrenzend dazu wurde im Erkenntnis vom 16. Oktober 1986, Zl. 83/08/0256, entschieden, dass eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung dann zu verneinen sei, wenn auf Grund von ungünstigen Boden- und Klimaverhältnissen die auf einem Grundstück befindlichen Obstbäume schlecht gedeihen und nur fallweise Früchte hervorbringen, deren Zahl bzw. Menge gerade ausreiche, um an Ort und Stelle verzehrt werden zu können ("Naschbäume"). Vom Vorliegen eines dem letztgenannten Erkenntnis entsprechenden Sachverhaltes kann hier indes keine Rede sein. Es ist daher aus rechtlicher Sicht auch ohne Relevanz, dass die tatsächliche landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks durch den Beschwerdeführer hinter der angesichts der Beschaffenheit des Grundstücks möglichen Intensität zurückbleibt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Dass sich offenbar aus einem Umrechnungsvorgang ergebende, jedoch in der genannten Pauschalierungsverordnung keine Deckung findende Mehrbegehren der belangten Behörde im Ausmaß von EUR 0,06 war abzuweisen.

Wien, am 20. Februar 2002

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