Spruch:
Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) Aufwendungen im Betrag von EUR 332,-- und der mitbeteiligten Partei im Betrag von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2000 versagte die Beschwerdeführerin der Mitbeteiligten die Begünstigung gemäß den §§ 500ff ASVG für die Zeit vom 4. März 1933 bis 31. März 1959. In der Begründung ist Folgendes angeführt worden:
"Bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 500 ASVG sind Personen nach den Bestimmungen des § 502 ASVG zu begünstigen.
Die Begünstigung muss abgelehnt werden, da
- seit dem 1. Juli 1927 bis zur Emigration weder Beitragszeiten noch Ersatzzeiten vorliegen
- vor dem 1. Juli 1927 keine Beitragszeiten oder Ersatzzeiten vorliegen."
Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Einspruch.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der bekämpfte Bescheid gemäß § 417a ASVG behoben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen und der allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die Beschwerdeführerin zurückverwiesen. Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass sowohl der für die Entscheidungsfindung maßgebliche Sachverhalt aufklärungsbedürftig als auch die Begründung des angefochtenen Bescheides unvollständig sei, dies jeweils in wesentlichen Punkten.
In der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerde wird die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt.
"Schon anlässlich der Ermittlungen zum Bescheid vom 30. Jänner 1992 sei von der (Beschwerdeführerin) der entscheidungsrelevante Sachverhalt ausführlich erhoben" worden. Der Bescheid habe jedoch mangels geeigneten Zustellnachweises von der Beschwerdeführerin neuerlich an die Mitbeteiligte zugestellt werden müssen. Dies sei nunmehr durch die Zustellung des Bescheides vom 21. Oktober 2000 erfolgt.
Es seien "schon im Zuge der Erhebungen zur Erlassung des Bescheides vom 30. Jänner 1992" von der Beschwerdeführerin eine Anfrage an das Zentralmeldeamt der Polizeidirektion Wien veranlasst und der Taufschein der Mitbeteiligten, eine Bescheinigung gemäß § 506 Abs. 3 ASVG, ausgestellt vom Generalkonsulat New York, eine eidesstattliche Erklärung der Mitbeteiligten vom 20. November 1991 beigeschafft und deren eigene Angaben zum Beschäftigungsverlauf in Österreich bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden. Somit seien "alle für die Durchführung der Begünstigung gemäß den § 500ff maßgeblichen Fakten" von der Beschwerdeführerin ermittelt worden.
Es habe keine Ersatzzeit gemäß § 229 Abs. 1 Z 2 ASVG festgestellt werden können, sodass auch die für die Durchführung der Begünstigung erforderliche Vorversicherungszeit nicht gegeben sei. Der Sachverhalt sei keinesfalls so mangelhaft erhoben worden, dass aus diesem Grund umfangreiche Ermittlungen notwendig gewesen wären, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei auch nicht in wesentlichen Punkten unvollständig.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Auch die Mitbeteiligte beantragt die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der durch die 55. Novelle zum ASVG, BGBl. I Nr. 138/1998, eingefügte, gemäß § 575 Abs. 1 Z 1 ASVG mit 1. August 1998 in Kraft getretene § 417a ASVG lautet samt Überschrift:
"Zurückverweisung durch den Landeshauptmann und das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales
§ 417a. Ist der dem Landeshauptmann bzw. dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales vorliegende entscheidungsrelevante Sachverhalt mangelhaft erhoben und sind aus diesem Grund umfangreiche Ermittlungen notwendig oder ist die Begründung des angefochtenen Bescheides in wesentlichen Punkten unvollständig, so kann der Landeshauptmann bzw. das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur Ergänzung der Ermittlungen oder der Begründung und zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Versicherungsträger oder den Landeshauptmann zurückverweisen."
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, Blg. 1234, XX. GP.NR., 39 f, ist dazu Folgendes ausgeführt:
"Zu Z 136 (§ 417a):
Das wesentliche Ermittlungsverfahren soll aus Gründen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der räumlichen Nähe zu den Beteiligten und Zeugen beim Versicherungsträger bzw. beim Landeshauptmann, jedoch keinesfalls bei der Berufungsbehörde durchgeführt werden; es ist auch darauf hinzuweisen, dass den Zeugen und Parteien des Verfahrens kein Anspruch auf Gebühren zusteht.
Die mittelbare Beweisaufnahme im Namen der Berufungsbehörde durch die Einspruchs- und andere Behörden erwies sich in der Praxis als wenig zweckmäßig, weil für eine zielführende Ermittlung die genaue Kenntnis des Aktes und der Rechtslage Voraussetzung ist.
Nach der derzeitigen Rechtslage kann die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG den angefochtenen Bescheid nur dann beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die unterinstanzliche Behörde verweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Das bedeutet, dass zwar bereits jetzt die Möglichkeit der Zurückverweisung besteht, allerdings ist hervorzustreichen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 23. April 1990, 90/19/0067) die Berufungsbehörde nicht berechtigt ist, bei jedem, wenn auch gravierenden, Verfahrensmangel von § 66 Abs. 2 AVG Gebrauch zu machen: Der Verwaltungsgerichtshof legt die Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG sehr restriktiv aus, in dem er die Zurückverweisung an die untere Instanz nur in jenen Fällen für zulässig erachtet, in denen sich der Mangel nicht anders als durch Vornahme einer mündlichen Verhandlung beheben lässt. Dies hat zur Konsequenz, dass die Berufungsbehörde derzeit im Wesentlichen nur dann vom Zurückverweisungsrecht Gebrauch machen kann, wenn im Gesetz eine Regelung, die die Durchführung einer obligatorischen Verhandlung vorsieht, enthalten ist. Da im ASVG eine derartige Bestimmung fehlt, kommt für das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales als Berufungsbehörde in Verfahren in Verwaltungssachen eine Zurückverweisung an die Behörde unterer Instanz kaum in Betracht. Dies führt dazu, dass im Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Sachverhalt in vielen Fällen sehr dürftig vorgelegt wird, sodass durch die Behörde dritter Instanz eine weitere Klärung des Sachverhaltes oft in sehr großem Ausmaß erforderlich ist: So müssen etwa auch erst in dritter Instanz Zeugen einvernommen werden, obwohl diese bereits dem Versicherungsträger gegenüber bekannt gegeben wurden oder zumindest bereits in dem an den Landeshauptmann gerichteten Rechtsmittel (Einspruch) die Vernehmung namentlich angeführter Zeugen beantragt wurde. Eine solche Vorgangsweise ist jedoch insbesondere nicht mit den Grundsätzen der materiellen Wahrheitsforschung und der Verfahrensökonomie vereinbar. Aus diesem Grund wird ein erweitertes Zurückverweisungsrecht vorgesehen, wobei zu betonen ist, dass auch dieses erweiterte Zurückverweisungsrecht nach § 417a ASVG nicht so weit reicht, dass die Berufungsbehörde wegen jeden Mangels, gleichgültig wie gravierend er ist, berechtigt ist zurückzuverweisen; vielmehr hat die Berufungsbehörde jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob der Mangel derartig umfangreich ist, dass er im Sinne der oben genannten Grundsätze besser von ihr selbst oder von den unteren Instanzen behoben werden kann, wobei zu berücksichtigen ist, dass aus dem Umstand, dass im § 357 ASVG die Bestimmungen des AVG über das Ermittlungsverfahren (mit Ausnahme des § 38) nicht als für das Verfahren vor den Versicherungsträgern geltend angeführt sind, nicht der Schluss gezogen werden darf, dass nicht etwa auch das Verfahren vor den Versicherungsträgern sich von der Rücksicht auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis, ferner von den in einem Rechtsstaat für jedes behördliche Verfahren selbstverständlichen Grundsätzen der Ermittlung der materiellen Wahrheit, der Beobachtung des Parteiengehörs und der Vermeidung schikanösen Vorgehens leiten zu lassen hat (vgl. Teschner/Wiedlar, Anm. 1 zu § 358).
Bei der Zurückverweisung wird zu beachten sein, dass die Versicherungsträger gemäß § 357 ASVG das AVG nur zum Teil anzuwenden haben und z.B. die förmliche Zeugeneinvernahme gemäß § 48 AVG vom Landeshauptmann durchzuführen sein wird."
§ 417a ASVG unterscheidet die Fälle der mangelhaften Sachverhaltserhebung und der Unvollständigkeit der Bescheidbegründung. Beide Fälle wurden von der belangten Behörde als gegeben angenommen.
Die Beschwerdeführerin verneint das Vorliegen der Voraussetzungen des § 417a ASVG unter Hinweis auf zahlreich von ihr vorgenommene Ermittlungen.
Der Auffassung der belangten Behörde, die Begründung des bekämpften Bescheides der Beschwerdeführerin vom 21. Oktober 2000 sei in wesentlichen Punkten unvollständig, kann nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.
In der Begründung eines Bescheides sind gemäß dem nach § 357 ASVG auch im Verfahren vor den Versicherungsträgern anzuwendenden § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen zu fassen. Das Ausmaß der Begründungspflicht wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch das von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsschutzinteresse der Partei bestimmt. Begründungslücken sind daher dann wesentlich, wenn sie zur Folge haben, dass die Partei über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet und die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1992, 91/04/0242).
Im vorliegenden Fall ist der Bescheid der Beschwerdeführerin vom 21. Oktober 2000 im Sinne des § 417a ASVG unvollständig begründet, weil er nicht erkennen lässt, von welchem Sachverhalt die Beschwerdeführerin ausgegangen ist. In einem solchen Fall ist aber die Partei, hier die Mitbeteiligte, an der zweckentsprechenden Verfolgung ihrer Rechte gehindert. Der Bescheid der Beschwerdeführerin lässt nicht erkennen, ob die Ansprüche der Mitbeteiligten aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen nicht gegeben sind. Dadurch war die Mitbeteiligte nicht in der Lage, den für sie nachteiligen Bescheid zielgerichtet zu bekämpfen. In einem solchen Falle des gänzlichen Fehlens von Sachverhaltsfeststellungen hat der Landeshauptmann den bekämpften Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Nachholung der Begründung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Versicherungsträger zurückzuverweisen.
Die Zurückverweisung nach § 417a ASVG war daher schon aus dem Grunde der unvollständigen Bescheidbegründung rechtmäßig, sodass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen ist.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das auf Ersatz der Stempelgebühren gerichtete Mehrbegehren war wegen der auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden sachlichen Abgabenfreiheit (vgl. § 110 ASVG) abzuweisen.
Wien, am 19. Februar 2003
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